Sozialbericht 2011 – 2012 (Teil 2): Wie sich die ArbeitnehmerInneneinkommen verteilen

Entwicklung  der ArbeitnehmerInneneinkommen

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Hat sich schon die Einkommensverteilung insgesamt in den letzten Jahrzehnten zugunsten des Faktors Kapitals und zulasten des Faktors Arbeit entwickelt (sinkende Lohnquote, steigende Gewinnquote), hat sich auch die Einkommensverteilung unter den ArbeitnehmerInnen „polarisiert“. Die Einkommensungleichheit innerhalb der Lohnabhängigen hat in den letzten 34 Jahren deutlich zugenommen (eine „Gleichverteilung“ liegt vor, wenn auf jedes Quintil – also jedes Fünftel der EinkommensbezieherInnen, 2010 rund 660.000 Beschäftigte – genau 20 %, – also genau ein Fünftel –  aller Einkommen fällt).

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  • die „ärmsten“ 20 % aller ArbeitnehmerInnen (1. Quintil) erhielten schon 1976 nur niedrige 4,8 % aller Lohn- und Gehaltseinkommen – die Einkommensverteilung lag also schon 1976 in einer ziemlichen Schieflage. Allerdings hat sich der Anteil des schwächsten Einkommensfünftel am Lohnkuchen bis 2010 noch einmal mehr als halbiert – auf gerade einmal  2 %! (2005: 2,2 %)

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  • das „zweitärmste“ ArbeitnehmerInnenfünftel (2. Quintil) hielt 1976 noch 12,7 % aller ArbeitnehmerInneneinkommen, 2010 nur noch 9,2 % (2005: 9,5 %)

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  • das „mittlere“ ArbeitnehmerInnenfünftel (3. Quintil) hat gegenüber 1976 (18,3 %) ebenfalls deutlich auf 16,8 % (2010) verloren (2005: 17,2 %)

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  • Leicht gewonnen haben bereits die „zweitreichsten“ 20 % aller ArbeitnehmerInnen (4. Quintil). Ihr Anteil am gesamten Lohn- und Gehaltskuchen stieg seit 1976 von 24 % auf 24,6 % im Jahr 2010 (2005: 24,5 %)

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  • Ein deutliches Plus hat das „reichste“ ArbeitnehmerInnenfünftel zu verzeichnen. Sie beziehen 2010 gleich 47,4 % aller Löhne und Gehälter (1976: 40,2 %, 2005: 46,5 %). Sie konnten selbst in der Krise noch deutliche Einkommenszuwächse verzeichnen!

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  • Die einkommensstärksten 5 % aller ArbeitnehmerInnen beziehen 19,2 % aller Einkommen (1995: 17,7 %, 2005: 18,8 %), haben ihren Anteil an den ArbeitnehmerInnen also deutlich ausbauen können.

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  • Was ebenfalls die zunehmende „Einkommenspolarisierung“ veranschaulicht: Das Top-1 % aller unselbständig Beschäftigten halten mit 6,7 % Anteil an allen Löhnen und Gehältern drei mal so viel Einkommen wie die ärmsten 20 % aller unselbständig Beschäftigten. 1995 waren es noch knapp doppelt so viel (5,9 % Top-1-% zu 2,9 % unterstes Einkommensfünftel).

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Im Sozialbericht heißt es dazu:

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„Einen deutlichen Anstieg (des Gini-Koeffizienten,  eines Maßes für Ungleichheit, Anm.) gab es von 2008 auf 2010. In den vergangenen 15 Jahren erhöhte sich die Teilzeitquote der unselbständig beschäftigten Frauen von 27,2 % auf 44,3 %, jene der Männer von 2,8 % auf 7,3 %. Die Zunahme der Ungleichheiten steht im Zusammenhang mit dieser Teilzeitquotendynamik. Aber auch die Einkommensentwicklung der ganzjährig beschäftigten Männer mit der genannten geringen Teilzeitquote zeigt steigende Einkommensungleichheiten: In dieser Gruppe stieg die Einkommensungleichheit von 1995 bis 2010 um 9,8 % an, …“

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Im Sozialbericht: Entwicklung de Medianeinkommen nach sozialrechtlicher Stellung. Auffällig: Einkommensunterschied zwischen Beamten und Angestellten ergibt sich aus niedrigen Fraueneinkommen im Privatbereich. Mittlere Einkommen öffentlich Bediensteter (inkl. Vetrtragsbediensteter) liegen mit Euro 2.359/monatlich beinahe im Schnitt aller Branchen (2.219 Euro/Monat). Mehr dazu im Sozialbericht ab Seite 226ff.

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Verteilung der Nettoeinkommen

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Die Nettoeinkommen – also die Einkommen abzüglich Sozialversicherungsabgaben und Lohnsteuern – sind insgesamt „gleicher“ verteilt als die Bruttoeinkommen. Dies ist der „progressiven“ Wirkung der Lohnsteuer geschuldet, die allerdings durch „regressiv“ wirkende Sozialversicherungsbeiträge (SV-Beiträge belasten Einkommen unterhalb der Höchstbeitragsgrundlage relative stärker als darüber) wieder abgeschwächt wird.
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Allerdings haben sich auch die Nettoeinkommen in den letzten Jahren deutlich „auseinander entwickelt“:
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  • Das „unterste“, einkommensschwächste ArbeitnehmerInnenfünftel (1. Quintil) hält bei den Nettoeinkommen einen Anteil von 2,6 % (zum Vergleich Anteil an Bruttoeinkommen 2010: 2,0 %) 1995 lag der Anteil  bei ebenfalls sehr niedrigen 3,4 %, 2005 bei nur noch 2,8 %  des Gesamtkuchens um bis 2010 weiter abzusinken.

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  • Das „zweitärmste“ ArbeitnehmerInnenquintil kommt auf 10,7 % Anteil an allen Nettolohneinkommen (1995: 12,1 %, 2005: 11 %, Anteil Bruttobezüge 2010: 9,2 %)

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  • Das „mittlere“ ArbeitnehmerInnenfünftel bezieht 18,3 % aller Nettoeinkommen (1995: 18,2 %, 2005: 18,5 %, Anteil Bruttoeinkommen 2010: 16,8 %)

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  • Das „zweitreichste“ ArbeitnehmerInnenfünftel bezog 2010 24,8 % aller Nettolohneinkommen (1995: 24,2 %, 2005: 24,7 %, Anteil Bruttolohnquote: 24,6 %)

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  • Die „reichsten“ 20 % aller ArbeitnehmerInnen kamen 2010 auf einen Anteil an allen Nettolöhnen und -gehältern von 43,7 % (1995: 42,1 %, 2005: 43 %, 2010: 43,7 %, Anteil Bruttolöhne 2010: 47,4 %)

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  • Die „obersten“ 5 % der Unselbständigen kamen auf einen Nettolohnanteil von 17,3 % (1995: 16,7 %, 2005: 16,9 %, Bruttolohnanteil 2010: 19,2 %)

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  • Das Top-1-% der SpitzeneinkommensbezieherInnen bezog mit 5,9 % aller Nettoeinkommen mehr als das doppelte der untersten 20 %. Auch hinsichtlich der Nettoeinkommen stiegen Löhne und Gehälter der Einkommensspitzen von 1995 (16,7 % Anteil an Nettolöhnen) bis 2010.

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Ebenfalls im Sozialbericht: die Entwicklung der Medianeinkommen nach Wirtschaftsbereichen. Deutlich unter Schnitt: Einkommen im Handel, in der Gastronomie sowie bei unternehmensnahen und persönlichen Dienstleistungen. Mehr dazu im Sozialbericht 2011 - 2012, S 224ff

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Massive Realeinkommensverluste bei den unteren 40 %!

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Massive Realeinkommensverluste („Kaufkraftverluste“) mussten seit 1995 die „unteren“ 40 % unter den ArbeitnehmerInnen hinnehmen. Während die „mittleren“ Einkommen leicht verloren bzw. stagnierten legten die oberen Einkommen leicht zu. Deutliche Kaufkraftgewinne verzeichneten die Top-1-% VerdienerInnen.

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  • Das unterste Einkommensfünftel verlor nominell (nicht inflationsbereinigt) bei einem Bruttomonatsbezug von 235 Euro (Netto: 208 Euro) von 1995 bis 2010 – 7,7 % (Netto: – 2,9 %)! Real (Referenzjahr 2005) lagen die Einkommensverluste noch höher nämlich bei geradezu dramatischen – 27,8 % (Netto: – 24 %)!

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  • Das „zweitärmste“ Quintil gewann bei einem mittleren Einkommen von 1.068 Brutto (Netto: 875 Euro) von 1995 bis 2010 zwar „nominell“ – also nicht kaufkraft- bzw. inflationsbereinigt – 10,7 %. Real belaufen sich die Verluste allerdings bei 13,3 % (Netto: – 11,5 %)!

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  • Die „mittleren“ zwanzig Prozent der Unselbständigen (mittleres Einkommen brutto: 1.958 Euro, netto: 1.360 Euro) steigerten ihr Einkommen nominell von 1995 bis 2010 zwar um 25,6 % (Nettoeinkommen: + 28,1 %). „Real“ mussten allerdings  brutto Kaufkraftverluste hingenommen werden ( – 1,7 %) während netto die Einkommen stagnierten (+ 0,3 %).

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  • Erst in der Gruppe der „zweitreichsten“ 20 % aller ArbeitnehmerInnen wuchsen die Einkommen sowohl nominell als auch real. Bei einem mittleren Einkommen von Euro 2.856 brutto (2.020 Euro netto) stiegen Löhne und Gehälter nominell um 34,5 % (Nettoeinkommen: + 30,3 %), real um 5,2 % (netto: 2,0 %).

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  • Stärker fallen die Einkommenszuwächse beim  einkommensstärksten Fünftel der unselbständig Beschäftigten aus. Bei einem mittleren Bruttoeinkommen von Euro 5.512 (Netto: 3.559) wuchsen die Top-Einkommen nominell um 40,7 % (Nettoeinkommen: + 32,1 %), real um 10,2 % (Nettoeinkommen: + 3,4 %).

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  • Bei den Top-5 % (mittleres Einkommen brutto: 8.946 Euro, netto: 5.637 lagen die nominellen Zuwächse von 1995 bis 2010 bei einem Plus von 43,4 % (netto: 31,5 %), die Reallohnzuwächse bei 12,2 % (netto: 2,9 %).

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  • Die 1 %-Spitzenverdiener (Bruttoeinkommen: 15.620 Euro, Nettoeinkommen: 9.681 Euro) verzeichnen die höchsten Realeinkommenszuwächse. Sie konnten ihre Einkommen im Vergleichszeitraum nominell um 50,1 % (netto: 35,2 %) steigern, real um 17,5 % (netto: 5,8 %).

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Im Sozialbericht heißt es hierzu:

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„In den vergangenen 15 Jahren wuchsen die Durchschnittseinkommen insgesamt mit 3,2 % nur ein wenig stärker als das allgemeine Konsumpreisniveau. Diese schwache Entwicklung der Realeinkommen ist auf die Heterogenisierung der Beschäftigungsformen (Teilzeitquote, freie DienstnehmerInnen etc.) zurückzuführen. Da die Beschäftigungszuwächse zum überwiegenden Teil Teilzeitjobs mit entsprechend geringen Einkommensniveaus sind, entwickelt sich der Durchschnittsverdienst deutlich geringer als die Einkommen der Vollzeitbeschäftigungsverhältnisse … Die Zunahme der atypischen Beschäftigungsformen wird sich auch in naher Zukunft fortsetzen, sodass die durchschnittliche Einkommensentwicklung und die Spreizung der Einkommensschere auch in Hinkunft davon mitbestimmt sein werden.“

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Link: Sozialbericht 2010 – 2011 des BMASK

 

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