Wie instabile Beschäftigung auf die Löhne drückt

In den Monatsberichten 5/2017 des WIFO beschäftigt sich ein Beitrag mit der zunehmenden Segmentierung am Arbeitsmarkt. Instabile Beschäftigungsverhältnisse sind in den Krisenjahren gestiegen. Das drückt auf die Reallohnentwicklung. Derartigen Entwicklungen kann allerdings auch gegen gesteuert werden.
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Seit Ausbruch der Finanz- und Wirtschaftskrise ist der Anteil der ArbeitnehmerInnen in instabilen Beschäftigungsverhältnissen angestiegen. Das hat natürlich massive Auswirkungen auf die Lohnentwicklung – insbesondere auf die Reallohnentwicklung also die „Kaufkraft“.
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2015 waren über ein Drittel der ArbeitnehmerInnen in Österreich – nämlich 34,1 % „instabil“ beschäftigt, 2008 waren es noch 32,9 %. Unter „instabiler“ Beschäftigung wird dabei ein nicht-ganzjähriges Beschäftigungsverhältnis. Das kann ein Saisonarbeitsverhältnis sein, v.a. aber auch eine Beschäftigung, die von Phasen unterjähriger Erwerbsarbeitslosigkeit unterbrochen ist.
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Interessant dabei: die Dauer der unterjährigen Beschäftigung ist seit 2000 deutlich zurückgegangen. Waren 2000 „instabil“ beschäftigte ArbeitnehmerInnen im Mittel noch 199 Tage/Jahr beschäftigt, lag diese Zahl 2015 schon nur noch bei 181 Tagen.
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Wer ist betroffen?

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Einerseits natürlich typische „Saisonnier“-Branchen wie die Land- und Forstwirtschaft (81,5 % instabile Beschäftigungsverhältnisse) , der Tourismus (69,9 %), die Kulturbranche (56,2 %) , die Bauwirtschaft (54,7 %), aber auch „sonstige Dienstleistungen“ wie die Arbeitskräfteüberlassung, Wach- und Sicherheitsdienste, Gebäudeaufsicht …. (60,8 %).

Auffallend: besonders MigrantInnen arbeiten in Österreich in „instabilen“ Beschäftigungsverhältnissen.

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  • Während von den österreichischen ArbeitnehmerInnen „nur“ 27,9 % instabil arbeiten, sind es bei AusländerInnen mit 56,4 % mehr als die Hälfte.
  • Deutsche arbeiten zu 49,3 % in instabilen Verhältnissen.
  • EU-BürgerInnen aus den neuen Mitgliedsländern arbeiten zu fast zwei Drittel (64 %) in instabilen Beschäftigungsverhältnissen. RumänInnen sogar zu 70,2 %, BulgarInnen zu 67,7 %).
  • Türkische StaatsbürgerInnen liegen mit 50,4 %, BürgerInnen des ehemaligen Jugoslawien (ohne Kroatien und Serbien) mit 45,6 %  unter den neuen EU-Mitgliedsländern.

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Die Gründe: AusländerInnen arbeiten eben vor allem auch in Branchen mit hoher Beschäftigungsinstabilität – in der Landwirtschaft, im Tourismus, am Bau, in der Arbeitskräfteüberlassung. Zusätzlich gehören sie auch eher zu den „Randbelegschaften“, die bei schwankender Auftragslage oder in der Krise rascher gekündigt werden.
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Ebenfalls stark betroffen von instabilen Beschäftigungsverhältnissen sind
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  • Jugendliche bis 25 Jahre was einerseits auf die steigende Jugendarbeitslosigkeit aber natürlich auch auf Ferialjobs, Jobs neben dem z.B. Studium und unterjährige Berufseinstiege zurückzuführen ist. Jugendliche sind zu 69,3 % nur „instabil“ beschäftigt.
  • Und sowohl ArbeitnehmerInnen mit maximal Pflichtschulabschluss (46,5 %) als ArbeitnehmerInnen mit Matura oder Hochschulabschluss (40,6 %). Bei letzteren handelt es sich allerdings v.a. um Jugendliche, deren Berufseinstieg  nach dem Studium/der Matura vielfach von häufigem Jobwechsel geprägt ist.
  • Insgesamt sind instabile Arbeitsverhältnisse unter InländerInnen seit 2000 zurückgegangen (von 32,3 % auf 27,9 %), während sie unter ausländischen Arbeitskräften gestiegen ist (von 46,7 auf 56,4 %).

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Wie haben sich die Einkommen entwickelt?

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Insgesamt sind die Reallöhne – also die um die Inflation bereinigten Löhne – von 2000 bis 2015 um 6,2 % gestiegen. Allerdings

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  • stiegen die Reallöhne der stabil beschäftigten ArbeitnehmerInnen um 7,2 %,
  • die Reallöhne der instabil Beschäftigten stagnierten (+ 0,3 %) stagnierten dagegen.

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Während die Realeinkommen inländischer ArbeitnehmerInnen von 2000 bis 2015 um 9 % gestiegen sind, gingen jene der ausländischen ArbeitnehmerInnen – die stärker von instabiler Beschäftigung betroffen sind – um 3,2 % zurück.
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Seit Ausbruch der Krise (2008) sind die Reallöhne der stabil beschäftigten ArbeitnehmerInnen de facto gleich geblieben (+ 0,5 %), während jene der instabil Beschäftigten sogar um 1,9 % gesunken sind!

Instabile Arbeitsverhältnisse, stagnierende Reallöhne, Arbeitsmarktspaltung. Inflexible „Arbeitsmärkte“? Keine Spur! Der österreichische Arbeitsmarkt ist im internationalen Vergleich – so das WIFO – tatsächlich hoch flexibel. Davon zeugt nicht nur die Vielfalt an Beschäftigungsformen, der massive Anstieg von Teilzeit in der Krise bei gleichzeitig nach wie vor hoher Zahl an geleisteten Überstunden (über 250 Millionen) sondern auch die Tatsache, dass jährlich 960.000 ArbeitnehmerInnen mindestens einmal von Erwerbsarbeitslosigkeit betroffen sind! Mit den entsprechenden Folgen für jene Beschäftigten, die unter besonders instabilen Beschäftigungsverhältnissen leiden.

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Mit welchen wirtschafts- und sozialpolitischen Maßnahmen könnte der Arbeitsmarktspaltung gegen gesteuert werden?

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Ein paar Überlegungen (ohne Anspruch auf Vollständigkeit):

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  • Anreize für stabilere Beschäftigung schaffen z.B. über ein Experience Rating für die Arbeitgeberbeiträge zur Arbeitslosenversicherung. Unternehmen die bspw. über einen längeren Zeitraum durch eine besonders „hire and fire – Politik“ auffallen könnten zu höheren Arbeitslosenversicherungsbeiträgen verpflichtet werden.
  • Wiedereinführung des Entgeltfortzahlungsfonds: dieser solidarisch aus Unternehmerbeiträgen gespeiste Fonds übernahm – bevor er unter schwarz-blau abgeschafft wurde –  die Lohnkosten von ArbeiterInnen im Krankenstand. Das reduzierte natürlich krankheitsbedingte Kündigungen von ArbeiterInnen und verlängerte die Verweildauer von ArbeiterInnen in Beschäftigungsverhältnissen
  • Ausbau von hochwertigen, auf Nachhaltigkeit und Langfristigkeit ausgerichtete Ausbildungs- und Qualifizierungsmöglichkeiten wie etwa das Fachkräftestipendium. Das AUGE/UG und Grüne Grundsicherungsmodell sieht einen Rechtsanspruch auf Bildung und Weiterbildung während der Erwerbsphase von bis zu fünf Jahren vor. In eine ähnliche Richtung geht die Forderung der AK, die ebenfalls einen Rechtsanspruch auf mehrjährige Ausbildungs- und Weiterbildungsmaßnahmen für Erwerbstätige vorsieht.
  • Bessere arbeits- und sozialrechtliche Absicherung: Etwa über eine Erhöhung des Arbeitslosengeldes und der Notstandshilfe, Verlängerung der Bezugsdauer beim Arbeitslosengeld und des Entfalls der Anrechnung des  PartnerInneneinkommens bei der Notstandshilfe. Sowie die Reform der Mindestsicherung in eine lebenslagen- und bedarfsorientierte Grundsicherung, die tatsächlich gegen Armut wirkt und gleichzeitig Rechtsansprüche z.B. auf Bildung, Qualifikation, Auszeiten zur Berufsumorientierung etc. sicherstellt.
  • Eine Wirtschaftspolitik, die ein stabiles ökonomisches Umfeld schafft: eine langfristig und nachhaltig orientierte öffentliche Investitionspolitik in den Bereichen Soziale Dienst, Klimaschutz, Bildung, öffentliche Infrastruktur, Wohnbau und umweltfreundliche Mobilität. Dazu braucht es eine Aufweichung des rigiden Fiskalpakts – etwas über eine „goldene Investitionsregel“ die Investitionen in oben genannte Bereiche aus der Staatsschulden- bzw. Defizitberechnung heraus nimmt. Und Vermögenssteuern um finanzielle Spielräume für Investitionen zu eröffnen.

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PS: auch aus dem Einkommensbericht des Rechnungshofs 2016 lässt sich der enge Zusammenhang zwischen Reallohnentwicklung und Stabilität der Beschäftigungsverhältnisse ableiten. Ein Beitrag dazu ist hier, in diesem Blog erschienen.

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