Beim Ausbau der erneuerbaren Energie und der Netzinfrastruktur bleibt das Regierungsprogramm ambitioniert. Es wird viel über Investitionen, Planungsbeschleunigung und den Abbau von Genehmigungshürden gesprochen. Was allerdings weitgehend fehlt, ist die Frage: Wie kommen auch jene mit, die in schlecht isolierten Wohnungen leben, sich keine Wärmepumpe leisten können oder deren Hausgemeinschaft keine PV-Anlage installieren will – oder kann? Auch der Wegfall der Nullsteuer auf Photovoltaik-Anlagen wirft Fragen auf. In einer Phase, in der möglichst viele Haushalte zum Umstieg auf erneuerbare Energien motiviert werden sollten, wird damit ein kleiner finanzieller Anreiz gestrichen. Ob das ausgerechnet jetzt sinnvoll ist, darf bezweifelt werden. Was auffällt: Es gibt kaum Anzeichen dafür, dass das Thema Energiearmut systematisch mitgedacht wurde. Dabei wäre das der Ort, wo Sozial- und Klimapolitik ineinandergreifen müssten.
Verkehr: Alles beim Alten
Auch im Bereich Verkehr ist die Lücke zwischen Anspruch und Realität spürbar. Es gibt wohlklingende Zielsetzungen – mehr Bahn, mehr E-Mobilität, klimafreundliche Logistik –, aber in der Praxis bleiben zentrale Stellschrauben unangetastet. Die NoVA-Befreiung für leichte Nutzfahrzeuge bleibt bestehen, während ein flächendeckendes Öffi-Angebot, vor allem im ländlichen Raum, nur in Andeutungen vorkommt. Die Erweiterung des Jugendtickets für Lehrlinge ist eine gute Maßnahme. Aber echte Mobilitätswende braucht mehr: kostenloser Nahverkehr für bestimmte Gruppen, Investitionen in Radwege, bessere Taktungen, auch in dünn besiedelten Regionen. Diese Art der Strukturpolitik sucht man vergeblich. Wer kein Auto hat, ist weiterhin benachteiligt – und wer eines braucht, bleibt auf sich gestellt.
Technik allein wird nicht reichen
Wenn man das Regierungsprogramm als Ganzes betrachtet, fällt eines besonders auf: Die große Hoffnung ruht auf Technologie. Bessere Netze, CO₂-Speicher, neue Heizsysteme, digitale Steuerungen – fast alles läuft auf technische Lösungen hinaus. Das ist nicht per se falsch. Ohne Innovation wird es schwer. Aber die Frage ist: Reicht das? Denn der entscheidende Punkt fehlt: Wie viel Energie brauchen wir eigentlich? Wie viele Ressourcen fließen in unseren Lebensstil – und was wäre ein Maß, das tragbar ist? Von solchen Überlegungen liest man im Programm wenig bis gar nichts. Auch nicht davon, wie sich unser Alltag verändern müsste, wenn wir das 1,5-Grad-Ziel ernst nehmen. Oder welche Gewohnheiten wir vielleicht hinter uns lassen müssten. Stattdessen dominiert das Bild eines Umbaus, der niemandem wehtun soll. Wenn wir nur genug sanieren, modernisieren und fördern, so scheint es, schaffen wir die Wende ohne Reibung. Aber genau diese Reibung ist ja längst da: beim Wohnen, bei Energiepreisen, im Verkehr. Die sozialen Bruchlinien entstehen nicht irgendwann – sie sind bereits sichtbar. Und sie werden tiefer, wenn man sie ignoriert.
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