Eine Replik
Lieber Kollege, danke für diese Sachverhaltseinordnung. Als Experte und Professionist kennst du die gesamtwirtschaftliche Praxis und die dahinterstehende ökonomische Theorie punktgenau und Eine Replik.
Lieber Kollege, danke für diese Sachverhaltseinordnung. Als Experte und Professionist kennst du die gesamtwirtschaftliche Praxis und die dahinterstehende ökonomische Theorie punktgenau und vermittelst uns diese Kenntnis in einer seriösen und sachlichen Sprache. Mir, als (von Ausbildungswegen her) ökonomisch sachkundige, aber seit Jahren wissenschafts- und praxisferner Person, sei es an dieser Stelle gestattet, meine Meinung dazu zu teilen und Fragen anzubringen.
Ja, beim Vertrauen der Akteur:innen auf den Finanzmärkten geht es um bares Steuergeld, denn es definiert den Zinssatz, zu dem wir uns verschulden. Aber hängt diese Tragfähigkeit der Staatsschulden tatsächlich nur von der Schuldenhöhe selbst, oder auch von der Art und dem Grund, also „von der Qualität der Schulden“ ab?
2011 schlitterten Staaten in die (bzw. an den Rand der) Pleite, denen in erster Linie ein zu großer und ineffizienter Bürokratieapparat samt entsprechend hohen Ruhestandsbezügen und Korruptionsanfälligkeit angelastet wurde.
Mir ist aus Studientagen die Legende bekannt, dass die griechische Bevölkerungsstatistik deshalb so viele über 100-jährige Männer ausweist, weil zahlreiche Todesfälle nicht gemeldet würden und für viele verstorbene Beamte weiterhin Pension bezogen würde. Ob diese Legende aus dem Münchner Hofbräuhaus oder tatsächlich von den griechischen Inseln stammt, entzieht sich meiner Kenntnis, in Österreich wäre eine solche Situation aber schon rein administrativ undenkbar.
Der langen Rede kurzer Sinn, die konkrete Frage ist: Beurteilen Finanzmärkte Schulden in Form von Investitionen in Zukunftstechnologien, in eine klimafitte und produktive Industrie, in hohe Bildung und breite Beschäftigung (also Investitionen in ein gutes Leben für alle) gleich, wie Schulden in Form von strukturell versickernden Mittel?
Vergangene Ausgabenpolitik
Deine Anführungszeichen bei der großzügigen Ausgabenpolitik betonen deinen wissenschaftlich-seriösen Zugang zum Thema. Bei mir, mit meinem weniger professionellen Zugang, wäre dieses großzügig unterstrichen und/oder fett markiert. Ohne die Grünen aus der Verantwortung nehmen zu wollen, erlaube ich mir die Einschätzung, dass die „Koste es, was es wolle“-Wirtschaftsförderungspolitik unter Sebastian Kurz‘ Volkspartei eine nie dagewesene Steuergeschenkeverteilung zugunsten des Unternehmertums. Die damit durch die Krise getragenen Arbeitsplätze waren ein beschäftigungspolitisch angenehmes Beiwerk dieser klientilistischen Umverteilungsaktion, die finanziellen Folgendafür tragen aber nun, Jahre später, wir alle, was wie Du schreibst „fast immer“ unangenehm ist. Ich würde das „fast“ weglassen und behaupten „immer – kommt nur darauf an für wen“.
Richtige Verteilung
Dass es fiskalisch treffsicher (also kurzfristig finanziell rentabel) ist, bei öffentlichen Bediensteten einzusparen sei unbestritten, aber als Gewerkschaftsfunktionär, Arbeitnehmer und „szenekundige Person der öffentlichen Verwaltung“ denke ich perspektivisch weiter: Wir brauchen Pädagog:innen in den Schulen und Polizist:innen auf der Straße – nicht umgekehrt! Wir brauchen Pflegekräfte im Spital – im Dienst, nicht in Therapie! Mögen die einzelnen, von den Medien in den Mittelpunkt gestellten hoch dotierten Beamt:innen ihren Teil beitragen, aber pauschale Einsparungen verschärfen die Mangelsituation am Arbeitsmarkt und verschlechtern die Lebensqualität von uns allen.
Zuletzt die Einnahmenseite: Ein zeitlich begrenzter höherer Grenzsteuersatz hätte seinen Reiz! Es ergäbe sich ein sehr hohes Aufkommen und die Verteilungswirkungen wären über die einzelnen Tarifstufen steuerbar. Trotzdem hätte es für mich den Geruch von „wir alle löffeln aus, was uns die Reichen und ihre Partei eingebrockt haben“ (ob dieser Geruch Hautgout oder Gestank wäre, ist eine Detailfrage der genauen Ausgestaltung). Jedenfalls müsste eine solche Maßnahme fairnesshalber von „echten Reichensteuern“ (Erbschafts- und/oder Vermögenssteuern) flankiert werden. Lieber Kollege, ich muss dich leider bestärken: Beides ist für diese Regierungskoalition aus Wirtschaftslobby und schwacher Sozialdemokratie undenkbar!

One thought on “Alles richtig, aber und sondern weil…!”