Rechte Parteien erhalten Zustrom, Kriege erschüttern uns, Umweltkatastrophen nehmen rasant zu, Donald Trump gewinnt die Wahlen in den USA. In einer Zeit multipler Krisen resignieren immer mehr Menschen. Das Dagegenhalten scheint schier aussichtslos, Diskussionen werden begleitet von Ohnmachtsgefühlen und Unbehagen.
Nach der Veröffentlichung des Wahlergebnisses reagiert Barbara Blaha mit einem Video auf Facebook. Nicht aufgeben lautet ihre Devise. Wir fragen sie in einem Interview, wie das gelingen kann.
Was setzt du dem „nicht mehr wollen“ entgegen, wo siehst du Anknüpfungspunkte zur weiteren Motivation?
Ich verstehe die Frustration vieler Menschen sehr gut – es gibt Krisen an allen Ecken und Enden, und oft scheint es, als ginge es nur bergab. Es ist verlockend, zu resignieren und sich dem Gefühl der Machtlosigkeit hinzugeben. Doch ich glaube, gerade jetzt ist es entscheidend, sich daran zu erinnern, dass Veränderung möglich ist. Aber dafür brauchen wir einen langen Atem. Was mir Hoffnung gibt, sind die zahlreichen engagierten Menschen, die ich jeden Tag treffe – Menschen, die in ihrer Gemeinschaft etwas bewirken wollen. Wahre Veränderung entsteht immer nur von unten. Dann, wenn Menschen sich zusammenschließen, um für gemeinsame Ziele zu kämpfen. Dieses Engagement von unten hat schon oft zu bedeutenden gesellschaftlichen Veränderungen geführt. Jede:r Einzelne kann zu diesem Wandel beitragen. Wir müssen die Ärmel hochkrempeln und aktiv werden, denn eine Demokratie ohne uns und unser Engagement gibt es nicht.
Was sind deiner Meinung nach die vordringlichsten Themen, worauf müssen wir in nächster Zeit besonders achten?
Die großen Herausforderungen der nächsten Zeit sind mehrschichtig. Zum einen sehe ich die wachsende soziale Ungleichheit als zentrale Bedrohung. Es kann nicht sein, dass immer mehr Menschen um das Nötigste kämpfen müssen, während der Wohlstand einiger Weniger rapide zunimmt. Dieses Ungleichgewicht hat Auswirkungen auf alle Lebensbereiche: Es untergräbt die Demokratie, schwächt die gesellschaftliche Solidarität und schafft einen fruchtbaren Boden für Extremismus.
Gleichzeitig ist der Klimawandel die alles überschattende Krise unserer Zeit. Wenn wir jetzt nicht entschieden handeln, wird es keine gerechte Zukunft geben. Soziale und ökologische Fragen sind eng miteinander verknüpft – eine gerechte Klimapolitik muss sozialen Zusammenhalt gewährleisten.
Wie können soziale/gewerkschaftliche Bewegungen trotz der Rückschläge wachsen?
Der Weg nach vorne liegt in der Zusammenarbeit. Soziale und gewerkschaftliche Bewegungen sollten sich breiter vernetzen und über das gewohnte Spektrum hinausdenken. Ein gemeinsames Ziel verbindet uns alle: die Schaffung einer gerechteren, nachhaltigeren Gesellschaft. Das heißt, auch über politische und gesellschaftliche Grenzen hinweg Allianzen zu schmieden und neue Formen des Engagements zu finden. Besonders wichtig ist es, Menschen auf Augenhöhe zu begegnen und sie aktiv einzubinden – jede Stimme zählt, und wir brauchen jede Unterstützung.
Auch Rückschläge sind wertvolle Lehrmeister:innen. Sie zwingen uns, nachzudenken, was funktioniert und was wir verbessern können. Die Bewegungen müssen widerstandsfähiger und flexibler werden, um auf die immer neuen Herausforderungen reagieren zu können.
Und was motiviert dich?
Es ist nicht immer einfach, und es gibt sicher Tage, an denen auch ich zweifle. Doch das Ziel, eine gerechtere Gesellschaft zu schaffen, ist für mich eine Quelle unerschöpflicher Motivation. Ich bin überzeugt: Wenn wir zusammenhalten und dranbleiben, können wir langfristig etwas bewegen. Das Geheimnis ist, auszuhalten, dass es keinen Zieleinlauf geben wird. Wofür ich mich gerade stark mache, wofür ich kämpfe, das war schon lange vor mir da und das wird noch lange nach mir da sein. Der Tag, an dem die Welt ein gerechter Ort ist, wird nicht kommen. Ankommen werden wir also nie. Es geht in der Arbeit wie im Leben eben nicht um das Ziel, sondern um den Weg. Camus hat geschrieben: Wir müssen uns Sisyphos als glücklichen Menschen vorstellen. Denn der Kampf gegen Gipfel vermag ein Menschenherz auszufüllen. Am Weg wartet die Erkenntnis, dass man seine kurze Zeit hier auf Erden sinnvoll verbracht hat. Dass man sein Leben einer Sache gewidmet hat, die größer war als man selbst. Dass das eigene Leben damit eine Bedeutung hatte. Und deshalb war es ein rundherum gelungenes Leben.