Aus gewerkschaftlicher Sicht werden wir Menschen gerne in folgende Klassen aufgeteilt: Jene, die Arbeiter*innen bzw. Angestellte sind, und jene, die Unternehmen führen bzw. verwalten. Warum ich diese Einteilung gerade in Bezug auf Gehälter für problematisch erachte, möchte ich kurz erläutern.
Wir sind alle gleich?
Gerade im sozialen Wohnbau wird die Einkommensobergrenze, unter der man liegen muss, um einen Anspruch geltend zu machen, sehr hoch angesetzt:
Anzahl der Personen | Netto-Jahreseinkommen | Netto-Monatseinkommen (14×) |
---|---|---|
1 Person | € 59.320,00 | € 4.237,14 |
2 Personen | € 88.400,00 | € 6.314,29 |
3 Personen | € 100.030,00 | € 7.145,00 |
4 Personen | € 111.660,00 | € 7.975,71 |
Für eine Person entspricht das einem Bruttojahreseinkommen von rund € 94.000. In einer Zeit, in der Wohnraum in Wien immer knapper und teurer wird, ist das eine katastrophale wohnpolitische Entscheidung.
Oftmals wird argumentiert, dass der soziale Wohnbau davon profitiert, wenn verschiedene finanzielle Schichten unter einem Dach leben. Was für eine nette Bobo-Vorstellung: Ich lasse meine Rich-Kids im Hof gemeinsam mit den Geringverdiener-Kindern spielen – bestimmt lernen meine Kinder so, sparsam und bescheiden zu leben. Vielleicht sollte ich die ausgedienten Markenklamotten meiner netten Nachbarin aus Stiege 3 anbieten.
Einige finden diesen Gedanken vielleicht tatsächlich charmant. Dabei wird gerne verdrängt, dass sich daraus ganz automatisch ein Blick „von oben herab“ ergibt. Vielleicht ist das Dach dasselbe, aber hinter den Wohnungstüren verbergen sich oft völlig unterschiedliche Lebensrealitäten.
Die reichsten 25 % zahlen in einem Gemeindebau im Schnitt € 470 Miete – am freien Markt würden sie für eine ähnliche Wohnung rund € 700 zahlen, übrigens eine Summe, die für die Top 25 % kein Problem wäre. Die ärmsten 25 % profitieren zwar auch vom sozialen Wohnbau, allerdings bei weitem nicht in demselben Ausmaß: Hier stehen € 384 € zu € 539 €. Was sich daraus ebenfalls ablesen lässt: Dieselben Familien im Gemeindebau bewohnen unterschiedlich große Wohnungen, obwohl die Raumbedürfnisse dieselben wären.
Es sollte diese Unterschiede zwischen den Menschen garnicht geben. Es braucht als ersten realistischen Schritt eine vernünftige Besteuerung von Reichtum, im zweiten Schritt muss sich aber darum gekümmert werden, dass Reichtum garnicht entstehen kann.
Es braucht Grenzen
Mit der Mindestsicherung haben wir uns in Wien darauf geeinigt, wie viel eine Person braucht, um zu überleben. Diese Grenze ist für uns nachvollziehbar – irgendwie muss man ja leben können. Über die Höhe lässt sich selbstverständlich streiten. Warum aber keine Grenze nach oben, bei Höchsteinkommen?
Ein kleines Beispiel:
A verdient im Monat € 3.500 netto, seine Ausgaben summieren sich auf € 2.040 – er kann also monatlich € 1.460 zur Seite legen.
B verdient € 1.750 netto, seine Ausgaben liegen bei € 1.380 – sein Sparpotenzial beträgt € 370.
Eine Abteilungsleiterin im Bereich Kassa bei Billa liegt mit € 1.862 Mindestlohn nicht weit von unserer Beispielsperson B – wohlgemerkt bei Vollzeit. Eine Leiterin im Controlling bei Billa verdient dagegen rund die € 3.500 netto von Person A.
Aber die Verantwortung?
Wenn wir uns als Gesellschaft als Gemeinschaft verstehen wollen, müssen wir akzeptieren, dass alle einen gleichwertigen Beitrag zum Funktionieren dieser Gemeinschaft leisten. Das bedeutet: Niedrige Gehälter müssen einen ordentlichen Schritt nach oben machen, und Gehälter über € 4.500 netto einen Schritt nach unten.
Die Gewerkschaften hätten es in der Hand. Sie könnten die Stagnierung oder Kürzung hoher Gehälter fordern. Auf eine solche Verhandlung würde ich mich sehr freuen – wenn dann jene Herren der WKO plötzlich erklären müssten, warum die Höhe ihres Gehalts völlig angemessen ist und keinesfalls niedriger ausfallen darf.
Jobs, die sonst keiner machen will
Es gibt Jobs, die will in ihrer jetzigen Form niemand machen. Also wird mit Geld gelockt – und der Lohn verwandelt sich in eine Art Schmerzensgeld. Damit geben wir dem kapitalistischen System endgültig alle Macht. Wir unterwerfen uns seinem höchsten Wert: Geld.