19.03. 2009: Aus dem heutigen ÖGB-Bundesvorstand
19. März 2009 von adminalternative
Heute, 9.00 bis 13.30 Uhr, ÖGB-Bundesvorstand. Das zweithöchste Gremium des ÖGB tagt. Tagesordnung: Bericht des geschäftsführenden ÖGB-Vorsitzenden – Erich Foglar, Beschlussfassung über eine Resolution des ÖGB zur Wirtschaftskrise, sowie organisatorische Beschlüsse zum ÖGB-Bundeskongress vom 30. bis zum 2. Juli 2009.
Zur Erinnerung: In den ÖGB-Bundesvorstand sind VertreterInnen der Einzelgewerkschaften, der ÖGB-Frauen, Jungend, PensionistInnen sowie der Fraktionen delegiert. Die UG hat drei VertreterInnen, zwei davon stimmberechtigt.
Bericht des ÖGB-Präsidenten
Foglar erläutert die dramatische wirtschaftliche Lage: Die Krise sei die schwerste der Nachkriegszeit, keiner könne sagen, wann die Talsohle erreicht ist. Es ist zu befürchten – sie ist noch nicht erreicht. Die dramatisch steigende Arbeitslosigkeit ist vor allem auf das „Freisetzen“ – wie es so schön heißt – von vor allem jugendlichen, männlichen Zeitarbeitern (Leiharbeitern) zurückzuführen. Darum sei auch eine Arbeitsstiftung zur Qualifizierung für ZeitarbeiterInnen dringend notwendig: 7 bis 8 Mio Euro würde die Kosten – es spreizt sich allerdings an der Finanzierung. Die Arbeitgeber wollen einfach nicht zahlen – dabei haben sie über Jahre hindruch von Zeitarbeit profitiert.
Was kommt nach der Kurzarbeit?
Derzeit können die steigende Arbeitslosigkeit noch durch Kurzarbeit abgefangen werden – nur, was ist, wenn die Krise länger andauert, und auch das Arbeitsmarktinstrumentarium „Kurzarbeit“ erschöpft ist? Foglar sagt auch klar – anders als bislang in der Öffentlichkeit angekommen: Kurzarbeit ist bei weitem nicht die ultimative Lösung. Das Kurzarbeit oft auch seltsame „Blüten“ treibt bestätigen auch GewerkschafterInnen und BetriebsrätInnen: da werden in Betrieben beschäftigte zuerst in Teilzeit geschickt – erster Lohnverzicht. Dann in Kurzarbeit – zweite Lohneinbusse. Facharbeitern bleibt dann ein Nettolohn von Euro 800. Foglar zu den Konjunkturpaketen: es braucht dringend die Umsetzung. Da fehlt es noch.
Mindestsicherung schnell umsetzen
Harsche Kritik auch, dass die Mindestsicherung nicht und nicht umgesetzt wird (dass die Mindestsicherung heute fixer Bestandteil gewerkschaftlicher Forderungen ist, diesen Erfolg können wir auf unsere Kappe schreiben. Bis vor ein paar Jahren war Grund- bzw. Mindestsicherung noch fast ein „Pfui“-Wort in Gewerkschaftskreisen). Foglar weiter: Die Zeche für die Krise dürften nicht die ArbeitnehmerInnen zahlen – darum bräuchte es eine breite Diskussion zu einer stärkeren Besteuerung von Vermögen (was auch in der Resolution gefordert wird), eine tatsächliche Steuerstrukturreform. Nur bräuchte das ein koordiniertes EU-weites Vorgehen (Keinesfalls zwingend bei Erb- und Schenkungssteuer, Börsenumsatzsteuer, Steuer auf Spekulationsgewinnen, Vermögenssteuer etc. … da irrt Foglar gewaltig!)
Beschäftigungsoffensive im öffentlichen Dienst
Dennoch: Lob für die Steuersenkung, von einer Steuerreform will auch Foglar nicht sprechen (dem Lob können wir uns definitiv nicht anschließen) als Konjunkturmaßnahme (stimmt leider so nicht). Und: Foglar fordert eine Beschäftigungsoffensive im öffentlichen Dienst, solidarisiert sich mit den LehrerInnen. Weil: es können nicht angehen, dass jeweils eine Gruppe herausgegriffen wird, in ihren Ansprüchen herunterlizitiert und das geht dann immer weiter … bis alle an einem untersten Level angekommen sind. Wie es die Industriellenvereinigung gerne hätte – mein Kommentar. Dann Foglar doch wieder ganz „realistisch“ ganz staatstragende: er hätte ja Verständnis für die budgetäre Situation. Schließlich sei das Triple-A in Gefahr, werden Kredite teurer. Allerdings dürfte gerade bei Bildung nicht gespart werden, dürften die Kosten der Krise nicht auf die im öffentlichen Dienst Beschäftigten abgewälzt werden.
Die Diskussion …
Es folgt die Diskussion und die Einschätzung der Resolution, der Maßnahmen, der Situation „der Menschen da draußen“ (von denen ist viel die Rede). In vielen Redebeiträgen wurde Arbeitszeitverkürzung eingefordert – Arbeitszeitverkürzung rettet Arbeitsplätze. Das bestätigt die Kurzarbeit. Ob Arbeitszeitverkürzung mit, ohne, oder mit teilweisem Lohnausgleich müsse diskutiert werden. Es müsse aber offensiv diskutiert werden. Die Vehemenz der Diskussion hat uns als UGlerInnen überrascht. Jahrelang war kaum eine Arbeitszeitdiskussion möglich – jetzt kommt sie endlich.
Kaske, Vorsitzender der VIDA meldet sich zu Wort: Innerhalb der EU sei die Arbeitslosigkeit im letzten Jahr um 2.000.000 Menschen gestiegen. Es brauche nicht nur ein Bankenpaket sondern auch ein Sozialpaket.
… um höheres Arbeitslosengeld …
In der Resolution fordert der ÖGB eine Anhebung des Arbeitslosengeldes auf 60 % Nettoersatzrate. Das erntet Widerspruch: bei uns, aber auch zahlreichen FSGlerInnen. Das sei schlicht zu wenig: in skandinavischen Ländern gebe es Ersatzraten von 80 bis 90 %, der EU-Schnitt läge bei 70 %. Da ist keine falsche Zurückhaltung geboten – schon gar nicht, wenn Forderungen formuliert werden, so die UG-Sekretärin und AUGE/UG-Spitzenkandidatin in Wien, Klaudia Paiha.
Kollege Riepl von den Metallern meldet sich zum Thema Kurzarbeit zu Wort: ein Problem, das bislang wenig publik wurde. Unter vielen KollegInnen, ja selbst BR entsteht gegenüber KurzarbeiterInnen ein ‚Neidkomplex‘ – weil die Lohneinbußen bei weniger Arbeitszeit verhältnismäßig gering ausfallen würden. Das überrascht dann doch viele GewerkschafterInnen.
… Solidarität mit allen ArbeitnehmerInnen …
Kollege Haas, ebenfalls von den Metallern, hält ein leidenschaftliches Plädoyer gegen das Auseinanderdividieren von Stammbelegschaften und LeiharbeiterInnen – die Solidarität des ÖGB und der Betriebsräte müsse allen KollegInnen gelten auch LeiharbeiterInnen, was in den Betrieben auch nicht selbstverständlich ist. Daher brauche es da dringend Maßnahmen.
… eine Steuerreform, die den Namen auch verdient …
Ich habe mich zu Wort gemeldet: von mir kommt scharfe Kritik an der Steuerreform. Diese sei ein ausgesprochen unwirksamer Beitrag zur Krise. Über 20 % des gesamten Entlastungsvolumen käme den reichsten 8 % mit hoher Sparneigung zugute – die Wirkung der Steuerreform verpufft also. Teuer mit wenig Effekt. Kritik von mir: aus der Resolution sei die Forderung nach einer deutlichen Erhöhung der Negativsteuer vollkommen verschwunden – obwohl ÖGB-Position. Die käme verhältnismäßig billig sei aber unmittelbar nachfrage- und damit konjunkturwirksam, brächte vor allem teilzeitbeschäftigten Frauen eine deutliche Einkommenserhöhung. Und: die Verantwortlichen für die Krise und die bisherigen Profiteure der neoliberalen Politik der letzten Jahre müssen jetzt zur Kasse gebeten werden: mit einer höheren Besteuerung von Vermögen und Spitzeneinkommen dürfe nicht gewartet werden – die muss jetzt auf die politische Agenda, da braucht es jetzt Druck. Sofort.
… und eine FCG die nicht so recht will …
Darauf Schnedl, ÖGB-Vizepräsident und von der schwarzen FCG: nein, das sei Lohnsubventionierung (kompletter Nonsens) und einer Vermögensbesteuerung stünde er grundlegend skeptisch gegenüber (na ja, schwarz bleibt eben schwarz).
Für eine höhere Besteuerung der Vermögen hat nämlich auch GPA-Chef Wolfgang Katzian ein leidenschaftliche Rede gehalten: Für die Bewältigung der in Krisenzeiten angehäuften Schulden gäbe es zwei Möglichkeiten – Sparpakete oder mehr Einnahmen. Da Sparpakete für uns nicht in Frage kommen – weil ArbeitnehmerInnen nicht die Zeche für eine verfehlte Wirtschaftspolitik und für eine Krise für die sie nichts können zahlen dürfen, müssen Vermögenssteuern, Vermögenszuwachssteuern etc. kommen. Es gäbe in Wirklichkeit sonst nur die Alternative weiterer sozialer Kahlschläge. Und jetzt müsse man in die Offensive gehen, das gleich unmissverständlich klar stellen.
… und nochmals Arbeitszeitverkürzung
Lisa Langbein, unsere, also die UG-Vertreterin im ÖGB-Vorstand, dem alten Präsidium meldet sich zu Wort: Arbeitszeitfrage offensiv angehen, Arbeitslosengeld erhöhen. Und Lisa macht einen Aufruf zur 28. März Demo („Wir zahlen nicht für eure Krise!“). Der ÖGB hat nämlich bislang nicht dazu aufgerufen. Die hatscherte Argumentation von Foglar: der Europäische Gewerkschaftsbund ruft für 16. Mai für eine europäische Demo in Prag auf, der ÖGB unterstützt diesen Aufruf und könne nicht für zwei Sachen aufrufen. Allerdings kann ja jeder am 28. März trotzdem demonstrieren … wir danken für die Erlaubnis. Warum nur für eine Demo aufgerufen werden kann bleibt schleierhaft. Nochmals der Aufruf – der übrigens auch von der GPA-DJP unterzeichnet worden ist: 28. März, Demonstration „Wir zahlen nicht für eure Krise“ ab 13.00 Uhr Westbahnhof.
Elisabeth Rolzhauser vom ÖGB: auch wenn derzeit vor allem in der Industrie arbeitende Männer von der Krise betroffen wären – es werde auch, wie schon erwähnt (von uns) wohl auch den Dienstleistungssektor stärker treffen, wenn Einkommen weiter wegbrechen. Darum brauche es vom ÖGB ein klares Bekenntnis, dass tatsächlich 50 % der Mittel für aktive Arbeitsmarktpolitik für die Qulifizierung von Frauen bzw. frauenspezifische Maßnahmen aufgewendet werden.
Änderungsvorschläge werden aufgenommen
Nach zahlreichen Wortmeldungen geht dieser Tagesordnungspunkt zu Ende. Die Resolution wird geringfügig – aber erfreulich geändert:
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der ÖGB fordert nicht mehr die Erhöhung des Arbeitslosengeldes auf 60 % Nettoersatzrate, sondern ein Anheben auf EU-Durchschnitt (das wären dann rund 70 %)
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der ÖGB fordert eine Arbeitszeitverkürzung – und will sich damit auch intensiver auseinandersetzen
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der ÖGB fordert noch stärker eine Beschäftigungsoffensive im Bereich der öffentlichen Dienste
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der ÖGB fordert eine breite Diskussion rund um eine Vermögensbesteuerung
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der ÖGB fordert eine umfassende Bildungsreform imklusive vorschulischer Bildung
Viele unserer langjährigen Forderungen und Positionen finden sich im Aufruf. Leider nicht, die Erhöhung der Negativsteuer (was bei etlichen für Kopfschütteln sorgt, allerdings will man auch die ChristgewerkschafterInnen an Bord haben). Die Resolution wird einstimmig angenommen.
ÖGB-Bundeskongress wieder im Zeichen der Krise … diesesmal der Weltwirtschaftskrise
Das war auch schon der spannende Teil des ÖGB-Bundesvorstands. Zur Erinnerung: von 30. bis 2. Juli findet der ÖGB-Bundeskongress statt. Diese Resolution sei nur der Auftakt für eine breite Diskussion rund um ein zukünftiges Wirtschafts- und Gesellschaftssystem, wie es Gewerkschaften haben wollen, verspricht Foglar. Nun werde Druck gemacht. Auch beim Bundeskongress. Wir sind dabei und werden live davon berichten!
Die Resolution des ÖGB Bundesvorstands im Wortlaut (noch ohne Korrekturen) hier
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