AK Dividenden-Report 2011: Ausschüttungen auf Rekordniveau

Die Arbeiterkammer Wien hat wieder einmal die (Dividenden-)Ausschüttungspolitik der österreichischen Unternehmen analysiert (Untersuchung vom September 2011). Und: als ob es keine Krise gegeben hätte, als ob sich das Wachstum nicht deutlich abschwächen würde und eine nächste Krise mit einer längeren Stagnationsphase droht, erreichen Ausschüttungen der österreichischen Aktiengesellschaften schon wieder Rekordniveau.

85 % der Gewinne werden ausgeschüttet

„Spare in der Zeit, dann hast du in der Not“ wird uns ja tagaus tagein gepredigt. Vor allem von VertreterInnen der Industrie, von konservativen PolitikerInnen und ihre Adlaten in der Wirtschaftswissenschaft, die heute schon wieder den gleichen Sermon verbreiten wie in Vorkrisenzeiten (der Sermon, der das ideologische Unterfutter für neoliberale Reformen der Vorkrisenära war und uns direkt in die schwerste Krise der Nachkriegszeit beförderte). Während wir alle „über unserer Verhältnisse gelebt hätten“ und darum „der Gürtel enger zu schnallen“ sei, gilt selbiges allerdings nicht für Unternehmen und deren AktionärInnen bzw. EigentümerInnen.

Von „Sparen in der Zeit“ damit man „in der Not hätte“ ist bei denen nämlich wenig bis gar nicht die Rede. Untersucht wurden dabei 664 große un mittelgroße Unternehmen (AG und GmbH). Von diesen 664 Kapitalgesellschaften wiesen 555 Unternehmen verlässliche Daten zu Dividendenpolitik und zu Bilanzgewinnen auf. Diese 555 Gesellschaften beschäftigten dabei mehr als 320.000 ArbeitnehmerInnen und eriwrtschafteten 2010 eine Betriebsleistung von rund 113 Mrd. Euro. Die Ergebnisse:

  • Insgesamt schütteten mehr als zwei Drittel (68,8 %) der untersuchten Unternehmen Dividenden an ihre AktionärInnen bzw. EigentümerInnen aus. Die Anzahl ausschüttender Unternehmen blieb damit im Vergleich zu den Vorjahren auf hohem Niveau konstant.
  • 85 % der von den Unternehmen erwirtschafteten Jahresüberschüsse werden 2011 ausgeschüttet, nur 15 % der Gewinne verbleiben entsprechend im Unternehmen. Damit hat die Ausschüttungsquote schon fast das Niveau des Jahre 2009 erreicht (88,3 %).

Mehr als die Hälfte der Lohn- und Gehaltssumme als Gewinn ausgeschüttet

Im Verhältnis zu den Löhnen- und Gehältern der untersuchten Unternehmen erreichen die ausgeschütteten Gewinne ein neues Rekordniveau:

„Mehr als die Hälfte der Jahreslohn- und Gehaltssumme von 320.000 Beschäftigten (d.i. die Anzahl der Beschäftigten 555 Unternehmen über die genauere Daten vorliegen, Anm.) fließt direkt an die Aktionäre bzw. Muttergesellschaften. Den Spitzenwert weist der Energiesektor auf: 77,6 % gefolgt von der Industrie (55,0 %) und dem Handel (53,7 %).“

Im Jahresvergleich haben sich die Gewinnausschüttungen in Prozent der Löhne- und Gehälter über alle Branchen hinweg von 50,1 % im Jahr 2009 über 41,7 % im Jahr 2010 auf 50,8 % im Jahr 2011 entwickelt und einen neuen Spitzenwert erreicht.

Investitionsvolumen schrumpft zugunsten der AktionärInnen

Im Zeitraum 2001 bis 2008 haben sich die österreichischen Investitionswachstumsraten im Vergleich zu den 1990er Jahren halbiert. Österreich liegt damit im untersten Drittel der OECD-Länder. Mit der Krise ging die Investitionstätigkeit noch zurück um sich – trotz guter Ertragslage 2010 – nicht wieder zu erholen. Im Gegenteil: 2010 gingen die Investitionen noch einmal zurück!

Betrugen 2009 die Gewinnausschüttungen 120 % der Sachinvestitionen und 2010 immer noch 111,1 %, verschlechtert sich das Verhältnis im 2011 einmal mehr auf 140,3 %:

„Besonders signifikant ist diese Tendenz im Handel und in der Sachgüterindustrie, hier liegen die Ausschüttungen für 2011 fast beim dreifachen des Investitionsvolumens des Vorjahres (251,1 % bzw. 243,0 %). Die Entwicklung dieser Kennzahl zeigt einmal mehr, dass bei der kurzfristigen Jagd nach hohen Dividenden die Investitionsbereitschaft sinkt, und damit oftmals zukunftsorientierte und nachhaltige Unternehmenspolitik auf der Strecke bleiben muss.“

Folgen sinkender Investitionen und Investitionsbereitschaft sind nicht zuletzt der Rückgang von Beschäftigung, der Verlust von Arbeitsplätzen und damit steigende Arbeitslosigkeit.

ATX Unternehmen: steigende Gewinne, weniger Beschäftigte

Die Unternehmen im ATX (die im Leitindex der Wiener Börse vertreten Aktiengesellschaften) haben im Jahr 2010 einen Gesamtumsatz von Euro 97,7 Mrd. und einen Gewinn von 6,3 Mrd. Euro (gegenüber 2009 eine Verdoppelung und damit wieder auf Vorkrisenniveau) erwirtschaftet. Lediglich drei der zwanzig ATX-Unternehmen mussten für 2010 einen Gewinnrückgang verzeichnen, davon am prominentesten der Verbundkonzern mit einem Rückgang von 484 Mio. Euro.

Trotz sehr guter Ertragslage der ATX-Unternehmen hat sich der Beschäftigtenstand einmal mehr verschlechtert. Waren 2008 über den Jahresschnitt noch mehr als 408.000 ArbeitnehmerInnen in ATX-Unternehmen beschäftigt, lag diese Zahl im Jahr 2010 bei 386.941 Personen.

ATX-Dividenden auf Vorkrisenniveau

Mit rund 2,108 Mrd. Euro haben die Dividenden im Jahr 2011 schon wieder (fast) die Höhe des Vorkrisenniveaus erreicht (2009: 2,119 Mrd. Euro). Im Vergleich zu 2010 sind die ausgeschütteten Gewinne also um + 15,8 % gestiegen. Interessanterweise haben dabei mit Ausnahme des ATX-Neulings CA Immo und des Verlustunternehmens Intercell alle ATX Gesellschaften Ausschüttungen vorgenommen.

Spitzenreiter sind dabei

  • die skandalgeschüttelte Telekom Austria mit einem Ausschüttungsvolumen von Euro 332 Mio. Euro
  • die OMV AG mit 299 Mio. Euro
  • die Erste Group Bank AG mit 265 Mio. Euro
  • die Raiffeisen International AG mit 208 Mio. Euro
  • und der Verbund mit 191 Mio. Euro – trotz Gewinnrückgangs

Drei Viertel aller ATX-Unternehmen – inklusive des Verlustunternehmens Wienerberger – haben dabei ihre Dividenden kräftig erhöht.

Fast ein Viertel des ATX-Ausschüttungsvolumens stammt dabei von zwei Top-Finanzunternehmen – der Erste Bank und der Raiffeisen International. Ihre Dividendenausschüttung bewegt sich in der Größenordnung der Bankenabgabe des gesamten Sektors – rund 500 Mio. Euro.

Telekom und Post AG – Ausschüttungen, die an die Substanz gehen

Eine Dividendenpolitik die regelrecht auf die Substanz des Unternehmens geht verfolgen dabei einmal mehr die Telekom und die Post AG, beides Unternehmen mit Staatsanteil! Die Telekom schüttete 2010 Dividenden aus, die dreieinhalb mal so hoch wie der Gewinn des Unternehmens waren! 2011 beläuft sich die Ausschüttung an die Aktionäre auf das fast 1,7fache des Gewinns! Der Eigenkapitalanteil der von Skandalen gezeichneten Telekom liegt inzwischen bei nur noch 20 %!

Eine ähnliche, an die Unternehmenssubstanz gehende Dividendenpolitik verfolgt auch die Post AG: 2008 betrug die Ausschüttung 142 % des tatsächlich erwirtschafteten Gewinns, 2010 immer noch 127,1 %, 2011 immer noch hohe 91 %. Um ein hohes Ausschüttungsniveau zu gewährleisten wurden in den Vorjahren „eiserne Reserven“ (Rücklagen) aufgelöst und 2011 beinahe der ganze erwirtschaftete Gewinn ausgeschüttet.

Ausschüttungsquoten – neue Höchststände

Insgesamt hat die Ausschüttungsquote der ATX-Unternehmen insgesamt neue Rekorde erreicht, im Jahr 2010 mit 52 % einen absoluten Höchststand. Und auch 2011 lag sie deutlich über dem Wert des Hochkonjunkturjahrs 2007. Die AK:

„Trotz Gewinnrückgängen wurden die Aktionäre äußerst großzügig belohnt. Durch die bessere Ertragslage ist die effektive Ausschüttungsquote zwar im Jahr 2011 deutlich abgesunken, dennoch liegt sie im Vergleich zu den letzten Jahren sehr hoch. Haben die ATX Unternehmen im Hochkonjunkturjahr 2007 gerade einmal in Viertel ihres Konzernergebnisses an die AnteilseignerInnen abgeführt, liegt die entsprechende Quote im Jahr 2011 mit fast 37 % knapp an der 40 % Marke.“

Schlussfolgerungen der AK aus den Untersuchungsergebnissen:

„Aus Sicht der AK sollten gerade die Leitunternehmen der heimischen Wirtschaft ihre Gewinnsteigerung investieren, Arbeitsplätze sichern und ausbauen, statt einzig mit hohen Dividendenzahlungen um die Gunst der Aktionäre zu buhlen …

Das Einbehalten von Gewinnen bietet den notwendigen Spielraum für Investitionen die wiederum Arbeitsplätze schaffen und nachhaltig den Unternehmenswert steigern …

Die gute Entwicklung der Ertragslage darf keineswegs nur der kleinen Gruppe der Aktionäre in Österreich (nicht einmal vier Prozent der Haushalte, wobei auf das oberste Einkommenszehntel rund 80 % des Aktienbesitzes entfällt, Anm.) zugute kommen, sondern muss gerecht verteilt werden …

Die Arbeiterkammer fordert maßvolle Ausschüttungen und einen fairen, nachhaltigen Anteil an den Produktivitätszuwächsen für die Beschäftigten.“

Linktipp:

Arbeiterkammer Wien: Dividenden-Report 2011: Ausschüttungen auf Rekordniveau, Markus Oberrauter/Christina Wieser

 

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