Die Leistung, die Transparenz und die ÖVP

„Leistung muss sich wieder lohnen“, schmettert der Vizekanzler Pröll im Rahmen der ÖVP-Klubklausur von der Kanzel. Transparenz fordert er bei Sozialleistungen, ein Transferkonto das erstmals mit der Umsetzung der Mindestsicherung eingeführt werden soll. Schließlich soll die Mindestsicherung keine soziale Hängematte werden, sondern ein soziales Trampolin. Er und seine Partei sei es den Leistungsträgern in unserer Gesellschaft schuldig, dass Arbeit sich lohnen müsse. Das Plenum applaudiert, die Reaktion jubelt und ist hoch erfreut.

Leistungsgerechtigkeit a la ÖVP

Arbeit muss sich lohnen. Ja. Arbeit muss vor allem ordentlich entlohnt werden. Mit einer ordentlichen Entlohnung von Arbeit hat die ÖVP allerdings schon einmal die ersten Probleme. Ihr Wirtschaftsflügel – der Wirtschaftsbund, dominierende Kraft in der Wirtschaftskammer und damit Sozialpartner bei Kollektivvertragsverhandlungen – gehört ja, allgemein bekannt nicht zwingend zu den begeistertsten Verfechtern von Mindestlöhnen. Schon gar nicht von gesetzlichen Mindestlöhnen. Lohnzurückhaltung ist stets geboten unabhängig von der konjunkturellen Situation. Seit Jahrzehnten stetig sinkende Lohnquoten bei steigenden Beschäftigungszahlen zeigen, das Arbeit nicht vielfach nicht „lohnt“, weil eben schlecht entlohnt. ArbeitnehmerInnen am unteren Ende der Einkommenspyramide – unter ihnen viele Teilzeitbeschäftigte – können leisten, was sie wollen, es  „lohnt“ sich nicht, sie kämpfen Tag für Tag um die nackte Existenz. Mühsam das Ringen, der Wirtschaftsseite einen ohnehin lächerlichen kollektivvertraglichen Mindestlohn von Euro 1.000 brutto monatlich bei Vollzeit abzuringen. Wenn sich Arbeit lohnen soll, muss Arbeit ordentlich entlohnt werden. An der ÖVP und seinem Wirtschaftsflügel liegt’s unter anderem. Vizekanzler Pröll hat drüber kein Wort verloren.

Arbeit muss sich lohnen, Leistung muss sich lohnen. In der Steuerpolitik verfolgt die ÖVP genau das Gegenteil. Hier kämpft die ÖVP wie eine Löwin für all diejenigen, die Einkommen nicht aus Arbeit, also aus individueller Leistung, sondern ganz ohne eigenes Zutun verdienen. Als für diejenigen, die andere „leisten“ lassen, damit es ihnen gut geht. Steuerprivilegien für Einkommen ohne Leistung gibt es etwa bei Aktiengewinnen: Kursgewinne aus Wertpapierverkäufen sind nach dem ersten Jahr steuerfrei. „Nichtleister“ werden steuerlich belohnt. Gewinne aus Immobilienverkäufen sind nach 10 Jahren steuerfrei. Gut aufgehoben sind auch die Anliegen all derjenigen, deren geradezu astronomisch hohe Einkommen wohl nur schwerlich mit irgendeiner individuellen Arbeitsleistung begründet werden können, sondern eher mit privilegierten ökonomischen Machtpositionen. SpitzeneinkommensbezieherInnen werden von der ÖVP bestens bedient, verwehrt sich die Partei der Leistung doch gegen jede „Neiddebatte“ gegen Spitzenverdiener die sie gerne als „Leistungsträger“ (die bezogen auf die gesamte Beschäftigtenzahl im niedrigen einstelligen Prozent- um nicht zu sagen im Promillebereich zu finden sind) bezeichnet, weil „Spitzenverdiener“ , „Einkommensmillionäre“, „Topmanager“ ja nicht gar so toll und sympathisch klingt. Nun jede/r leistende Bauarbeiter, Industriehackler, kleine Angestellte, Krankenschwester, Reinigungskraft etc. muss sich da ziemlich vera…. fühlen, die tragen diese Beleidigung und Irreführung allerdings mit außerordentlicher Geduld und Fassung. Wie dem auch sei, jedenfalls stellt die ÖVP sicher, dass Einkommensmillonäre (hier wäre eine geschlechterneutrale Schreibweise irreführende) nach wie vor hinsichtlich ihrer gesamten Steuer- und Abgabenbelastung auf ihr Einkommen prozentuell keinen wesentlich höheren Beitrag leisten als einkommensschwache Gruppen (40 % statt 37,3 %, WIFO-Verteilungsbericht).

Arbeit muss sich lohnen. Hinsichtlich der Sozialversicherungsbeiträge lohnen insbesondere Einkommen aus Kapital und Vermögen. Während Einkommen aus Leistung, also aus Arbeit sozialversicherungspflichtig sind, sind individuelle Einkommen aus Vermögen, wie sollte es auch anders sein, nicht sozialversicherungspflichtig. Krankenversicherungsbeiträge auf Zinseinkommen? gibt’s nicht. Auf Dividenden? Gibt’s natürlich auch nicht. Gleiches gilt für Einkommen aus Vermietung und Verpachtung. Ja, und Zinseinkommen bzw. Dividenden unterliegen unabhängig von ihrer Höhe einem Steuersatz von 25 %. Der Einstiegssteuersatz für Einkommen aus Leistung liegt übrigens bei 36,5 %.

Das österreichische Steuersystem ist also wenig leistungsgerecht, weil Einkommen aus „Nicht-Leistung“ steuerlich privilegiert ist: von niedrigen Steuern bis Null-Steuern. Wichtigste Patronin über dieses leistungsfeindliche Steuersystem ist die Leistungsträgerpartei ÖVP.

Leistungsträger Erben und Beschenkte?

Besonders leistungsfeindlich ist ja das System der Vermögensbesteuerung in Österreich ausgestaltet. Wer bereits hat, dem wird weiter gegeben. Wer nix hat, darf weiter zahlen und hoffen, einmal zu haben, wenn er/sie nur brav leistet. Ein Hoffnung die sich meist als Illussion entpuppt. Vermögen konzentrieren sich dort, wo sich auch die Einkommen konzentrieren. Vermögen konzentriert sich beim reichsten Prozent noch stärker als Einkommen: die reichsten 10 % der Haushalte halten 54 % des Geldvermögens, das reichste 1 % rund 27 % des Geldvermögens, das reichste Promille 8 % des Geldvermögens (Armutskonferenz zitiert Studie der Österreichische Nationalbank). Gleichzeitig erhalten die reichsten 10 % der unselbständig Beschäftigten über 25 % des gesamten Lohn- und Gehaltskuchens (Verteilungsbericht WIFO).

Wenn es das exemplarische Beispiel für Vermögensanhäufung ohne individuelle Leistung schlechthin gibt, dann ist es das Erben bzw. das Schenken. Der/die Erbe/Erbin oder der/die Beschenkte hat ja in der Regel keinen Finger für das Ererbte bzw. Geschenkte gerührt. Das Ererbte wurde entweder bereits an den/die VererberIn vererbt oder im besten Falle von diesem/dieser geschaffen. Der/die Erbe darf sich nun steuerfrei eines Vermögenszuwachses, der im besten Falle auch noch eines regelmäßigen Einkommenszuwachs bringt, (Zinsen aus dem Erbe, Miet- und Pachteinkommen etc.) erfreuen. Das ist Leistungsfeindlichkeit pur, von Leistungsgerechtigkeit überhaupt zu schweigen. Die ÖVP feiert diese Leistungsfeindlichkeit geradezu als grandiosen Erfolg und gewaltige Errungenschaft. Wäre die ÖVP tatsächliche eine „Leistung muss sich wieder lohnen“ Partei müsste sie radikalste Verfechterin einer ordentlichen Erb- und Schenkungssteuer sein, müßte, wenn schon nicht für eine allgemeine Vermögenssteuer, zumindest für eine Vermögenszuwachssteuer (Vermögenssteigerung ohne eigene Leistung!) kämpfen. Tut sie aber nicht. Ganz im Gegenteil. Die Leistungspartei ÖVP.

Transparenzpartei ÖVP

Die neu entdeckte Liebe zu Transparenz und Offenheit endet bei der ÖVP abrupt dort, wo es ums eigene Eingemachte gibt. Bis heute gibt es seitens des ÖVP-Klubs keine Offenlegung der Einkommenssitutation der eigenen Abgeordneten. Die Schwarzen werden schon wissen warum, wollen sich doch keine „Neiddebatte“. Zumindest nicht gegenüber ihren Abgeordneten. Der Plebs da unten, ja der wird zum kollektiven öffentlichkeitswirksamen Abschuss freigegeben. Gilt es doch das Feld für kommende Maßnahmen des Sozialabbaus aufzubereiten. Die letzte Klassenpartei Österreichs weiß, welcher Klasse sie verpflichtet ist. Wir erinnern uns weiters nur allzugut an den heftigen Widerstand der ÖVP gegenüber einer betrieblichen Einkommenstransparenz, um Einkommensunterschiede zwischen Männern und Frauen öffentlich festzumachen. Einkommenstransparenz a la skandinavische Länder, wo jedes Einkommen offen gelegt wird – ja, das ist mit der Transparenzpartei ÖVP sicher nicht zu machen, niemals! Sonst könnte ja der dumme arbeitenden Plebs ja auch die Idee kommen kritisch zu hinterfragen, ob das Einkommen all derjenigen, die stets nach „Lohnzurückhaltung“, „Gürtel enger schnallen“ schreien, oder tagaus tagein behaupten „wir“ – gemeint ist natürlich der  Plebs, nicht die Eliten – „hätten über die Verhältnisse gelebt“ und müsse halt „die Zeche zahlen“ denn wirklich ihren Leistungen entspricht. Nun dann wäre so mancher, er entweder in fester Entschlossenheit oder voller Traurigkeit die dringend notwendigen, betriebs- und wirtschaftslagenbedingten Kündigungen ausspricht, weil die Lohnkosten einfach das Unternehmen in den tiefsten aller Abgründe reißen, denn auch ein unternehmensschonendes Einkommen bezieht. Da gäbe es wohl so manches „Aha“-Erlebnis. Das wäre dann allerdings einmal eine spannende Leistungsdebatte.

Solange jedenfalls weder Einkommenstransparenz, noch Vermögenstransparenz, noch Leistungsgerechtigkeit im österreichischen Steuersystem hergestellt ist, muss über Transferkonten nicht einmal diskutiert werden. Die Verlogenheit der ÖVP ist wieder einmal nur mehr schwerlich zu überbieten. Aber von der ÖVP als letzten Klassenpartei Österreichs ist man/frau es ja ohnehin nichts anderes gewöhnt.

Kommentar zu „Die Leistung, die Transparenz und die ÖVP“

  1. kleiner Husten sagt:

    Offenlegung und Einkommens-Transparenz kann natürlich nur funktionieren, wenn es für alle Abgeordneten gilt

    ich bin für so ein Gesetz, bloss wer soll das beschließen? die Abgeordneten? Jedensfalls nicht die von SPÖ, ÖVP, Grüne, BZÖ oder FPÖ – die haben alle viel Dreck am Stecken.

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