Protesttag am 14. Jänner 2010 – Die Beschäftigten des Sozial- und Gesundheitsbereichs demonstrieren!

Ein Kommentar von Stefan Taibl, BR-Vorsitzender PSZ GmbH und AUGE/UG Arbeiterkammerrat in Niederösterreich.

Der private Sozial- und Gesundheitsbereich, geschaffen einerseits aus privaten Initiativen, andererseits um im Auftrag der öffentlichen Hand kostengünstiger – sprich billiger – soziale Dienstleistungen erbringen zu können – befindet sich schon seit längerer Zeit in der Krise – hinsichtlich der finanziellen wie auch der personellen Ausstattung. Jetzt probt er den Aufstand! Die Gewerkschaft hat mit dem Arbeitgeberverband BAGS in langjähriger Arbeit einen Kollektivvertrag ausverhandelt, der den Dschungel von Unterbezahlung und schlechten Arbeitsbedingungen lichten sollte. Dieser wurde 2005 gerichtlich gesatzt, und somit für fast alle Anbieter aus dem Sozial- und Gesundheitsbereich verpflichtend eingeführt.

Manche wenige, aber durchaus große Bereiche, haben von Seiten der ArbeitnehmerInnen davon profitiert, aber im Großen und Ganzen wurden Gelder umverteilt. Viele Bereiche, wie z.B. die Sozialarbeit, haben gegenüber den bisher hinsichtlich der Entlohnung gültigen Landesschemata massiv verloren. Und damit verlor auch die Gewerkschaft viel Rückhalt bei den Beschäftigten und musste einiges an Kritik einstecken. Ein Problem.

Öffentliche Hand will sich aus der Finanzierung sozialer Leistungen verabschieden

Jetzt zeichnet sich ein weiteres Problem ab, auf das seitens kritischer und alternativer GewerkschafterInnen seit jeher hingewiesen wurde. Die öffentliche Hand, die sich gegenüber den BürgerInnen zur Erbringung von sozialen Leistungen verpflichtet hat – schließlich zahlen diese ja auch Steuern und Abgaben dafür – will sich ganz offensichtlich aus der entsprechenden Finanzierung dieser Leistungen zurückziehen. Die seitens der öffentlichen Hand geleisteten bzw. geplanten Förderungen bzw. Zahlungen lassen keinen anderen Schluss zu, als jenen, dass die öffentliche Hand anscheinend keinen Willen mehr zeigt, sich an gesetzlichen Regelungen halten – und Kollektivverträge entfalten schließlich gesetzliche Wirkung!

Konkret bedeutet das: die seitens der öffentlichen Hand geleisteten Förderungen lassen keine Lohnzahlungen entlang der Kollektivvertragsschemata mehr zu. Wie die privaten Träger ihre ohnehin bereits meist knappen Mittel zur Erbringung sozialer Dienstleistungen im öffentlichen Auftrag aufbringen, geht die öffentliche Hand scheinbar nichts mehr an. Dazu beispielhaft die Aussage eines niederösterreichischen Landesbeamten, zuständig für die Höhe der Kostenrefundierung an die Träger:

„Es sei nicht von Interesse, wie der Kollektivvertrag abschließe. Wir bestimmen selbst die Höhe der Fördersumme. Wenn der KV mehr vorgibt, so sei das nicht relevant.“

Oder ein Vertreter des Bundesministeriums für Soziales, in einer Besprechung mit betroffenen Betriebsräten:

Dr. XX (Name bekannt) hebt zum wiederholten Male hervor, dass eine Deckung aller anfallenden Kosten von geförderten Projekten nicht Auftrag des Fördergebers sein kann.“

Aha, wessen Auftrag denn sonst? Der Auftrag wird erteilt, soll also auch erbracht werden, nur gezahlt wird für die Auftragserbringung eben nicht.

Ein weiteres Beispiel: Der „Fond Soziales Wien“, der zentrale Fördergeber für Sozial- und Gesundheitsvereine in Wien, sieht für 2010 keine Valorisierung der Gehälter vor, egal was im Rahmen des BAGS-Kollektivvertrags schon gültig ist oder ausverhandelt wird.

Für die aufgrund der Finanz- und Wirtschaftskrise entstandenen Löcher in den Budgets der Länder und des Bundes sollen einmal mehr jene zahlen die nichts dafür können. Nun sind es die Beschäftigten des Sozial- und Gesundheitsbereichs, die zur Kasse gebeten werden, die für die Zeche geradestehen dürfen.

Gescheiterte KV-Verhandlungen

Diese Haltung spiegelte sich in den bisherigen, gescheiterten Kollektivvertragsverhandlungen wieder, die zu Jahresende zwischen Gewerkschaft und Arbeitgeberverband geführt wurden. Sie wurden auch von der Arbeitgeberseite mit dem Hinweis unterbrochen, man müsse die Länder, den Bund und das BMASK kontaktieren, um weiter verhandeln zu können.

Die Beschäftigten wollen sich diese Willkür nicht mehr gefallen lassen! Sie haben den Arbeitgebern über 20 000 Unterschriften auf den Tisch gelegt, gesammelt binnen 14 Tagen! Und rufen zur GPA/DJP und Vida – Demo am 14. Jänner 2010 auf – und das bundesweit.

Die Beschäftigten des Sozial- und Gesundheitsbereich wiesen auch auf die große volkswirtschaftliche Bedeutung hin, die dem Sozial- und Gesundheitsbereich zukommt. Viele ArbeitnehmerInnen können ihrer Arbeit nur nachgehen, weil seitens der sozialen Einrichtungen professionelle Hilfe für die Versorgung und Betreuung ihrer Angehörigen zur Verfügung gestellt wird. Viele Hilfsbedürftige schaffen mit Unterstützung der Beschäftigten aus den Sozial- und Gesundheitsbetrieben, auch einen Teil ihres Lebensunterhaltes selbst zu verdienen und werden damit selbst zu Steuer- und AbgabezahlerInnen. Zu manchen Projekten, wie etwa zum Bereich der Arbeitsintegration, gibt es sogar entsprechende Rechnungshofberichte, die nachweisen, dass diese Projekte der Gesellschaft im Endeffekt nicht nur nichts kosten, sondern zusätzlich viele Arbeitsplätze schaffen.

Und – wir sprechen nach wie vor von einem unterbezahlten Bereich, personell unterbesetzt mit hoher Fluktuation, hoher psychischer und physischer Belastung und hohen Burn-Out-Raten!

Die Mehrzahl der DienstnehmerInnen – viele von ihnen weiblich – ist Teilzeit beschäftigt, und kommt mit dem erzielten Einkommen nicht selten unter die offizielle Armutsgrenze! Es besteht dringender Handlungsbedarf!

Und endlich wird nun auch mit Unterstützung der Gewerkschaften der entsprechend notwendige Widerstand organisiert. Darum hinkommen und mitdemonstrieren!

Stefan Taibl ist Betriebsratsvorsitzender der Psychosoziale Zentren GmbH in Niederösterreich und  AUGE/UG Arbeiterkammerrat in der NÖ Arbeiterkammer

Er ist ein Vertreter der AUGE/UG im Wirtschaftsbereich 17, jener Wirtschaftsbereich in der GPA-DJP, der die Beschäftigten und BetriebsrätInnen aus den privaten Sozial- und Gesundheitsbereichen organisiert und die Kollektivvertragsverhandlungen vorbereitet.

Weiters ist Stefan Taibl Mitbegründer und Sprecher einer Plattform von BetriebsrätInnen aus dem Gesundheits-und Sozialbereich, auch mit dem Ziel, auf die geänderten bzw. besonderen Bedingungen zu reagieren, die aus der Trennung von Fördergebern und Arbeitgebern entstehen.

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