Volksbefragung in Wien, City Maut: Ja, Nein, oder? Ein paar Entscheidungshilfen
11. Februar 2010 von adminalternative
Gut, es ist kein unmittelbar gewerkschaftliches Thema. Aber es bewegt. Auch viele GewerkschafterInnen, vor allem auch ökologisch gesinnte. Darum auch hier in einem Gewerkschafts-Blog: die Wiener Volksbefragung. Befragt wird die Wiener Bevölkerung u.a. zur Ganztagsschule, zum 24-Stunden-U-Bahn Betrieb, zum Hundeführerschein, zu Hausmeistern – und zur City Maut. Die Einführung einer City-Maut wird ja von vielen ökologisch orientieren Menschen ja durchaus begrüßt. Das Häupl-Modell – eine Begrenzung der City-Maut auf den ersten Bezirk – wird allerdings abgelehnt, weil weder aus ökologischer, noch aus verkehrspolitischer Sicht sinnvoll und zielführend. So stellt sich nun für man/frau – soweit überhaupt eine Teilnahme an der Volksbefragung erwogen wird und soweit überhaupt die Einführung einer City-Maut prinzipiell begrüßt wird – die Frage:
- Soll mit „Ja“ gestimmt werden, damit zumindest einmal sich irgendwas in dieser Frage bewegt?
- Oder mit „Nein“, weil frau/mann ja nicht einmal weiß, worüber da abgestimmt werden soll, bzw. weil dann nur eine Schmalspurvariante rauskommt, die wenig bringt?
Wir haben einige Positionierungen zur City Maut in dieser BLOG-Eintragung gesammelt, die pro City-Maut sind, wenn auch anders, als vom Volk erfragt und eine Entscheidung vielleicht erleichtern kann.
Ein Beitrag soll den werten BLOG-LeserInnen ebenfalls nicht vorenthalten werden. Nämlich die prinzipielle Fragestellung, ob eine City-Maut geeignet ist, vorgebliche Ziele zu erreichen.
Positionierung der Wiener Grünen zur Volksbefragung City-Maut:
„Die Begründung zur Frage ist suggestiv und versucht den Eindruck zu erwecken, dass in Wien eigentlich keine weiteren Maßnahmen zur Verkehrsreduktion notwendig sind. Dass Häupl und Co es offen lassen, wie eine Stadtmaut aussehen soll, wo die Grenzen dafür verlaufen sollen, wie hoch sie sein soll, für wen sie gelten soll etc., stellt den Sinn dieser Volksbefragung massiv in Frage. Denn so müssen die WienerInnen die Katze im Sack kaufen und abstimmen, ohne zu wissen worüber eigentlich.
Die von Häupl ins Feld geführte City-Maut für den 1. Bezirk ist aus verkehrspolitischer und umweltpolitischer Sicht sinn- und wirkungslos. Denn wer mit seinem Auto die Grenze des 1. Bezirks überfährt, hat bereits weite Strecken im Stadtgebiet zurückgelegt, Lärm und Emissionen erzeugt, gestaut. Die verkehrsreduzierende Wirkung dieser Maßnahme liegt nahe Null (0,25 %). Wir schlagen daher ein anderes Modell einer Stadtmaut vor, das beispielsweise in Stockholm umgesetzt wurde.
Voraussetzung für die Einführung der City-Maut in Wien ist die massive Verbesserung des öffentlichen Verkehrs in Wien. Dann macht es Sinn, die Stadtmaut für das gesamte Stadtgebiet umzusetzen. Das heißt, die Maut wird an der Stadtgrenze fällig. Dadurch lassen viele PendlerInnen ihr Auto an der Stadtgrenze stehen und steigen bei entsprechendem Angebot auf die Öffis um. Derzeit verbringen die AutofahrerInnen rund 30 Arbeitstage im Stau, das ist ein mittlerer Urlaub. Die Feinstaub- und Ozonbelastung in Wien liegt weit über den Grenzwerten. Und der Autoverkehr ist schuld, dass Wien seine Klimaschutzziele weit verfehlt. Eine Stadtmaut würde den Wiener Verkehr massiv entlasten und das Verkehrsaufkommen um 20 Prozent verringern.“
Die Grünen im 15. Bezirk dazu:
„Die von der SPÖ vorgeschlagene Mini-Maut um die Wiener Innenstadt steht daher im krassen Gegensatz zur Grünen City-Maut.“
Grünes Modell einer City-Maut
„Wien braucht dringend eine echte Stadt-Maut. Mit den Einnahmen kann der öffentliche Verkehr massiv verbessert werden, die Lebensqualität wird höher und das Klima geschützt. Hier ist unser auf Wien zugeschnittenes Modell.
- Gilt ab der Stadtgrenze
- In beiden Richtungen Von 5-20 Uhr (werktags)
- Einnahmen fließen in die Öffis und lokale Nahversorgungsprojekte
- Automatische, elektronische Abbuchung
- Soziale und ökologische Tarifstaffelung
Keines der bestehenden Stadt-Maut-Modelle kann unverändert auf Wien umgelegt werden, da der Ursachenmix für die Verkehrsprobleme in jeder Stadt anders gelagert ist. Deshalb verlangen wir von der Wiener Stadtregierung bereits seit Jahren, eine Machbarkeitsstudie für eine Wiener Stadt-Maut in Auftrag zu geben. Es gibt in Wien jedoch kaum ein anderes Thema, bei dem die Wiener SPÖ derart konsequent ihre ideologischen Scheuklappen aufsetzt und beharrlich eine Diskussion verweigert. Deshalb haben wir uns entschlossen, selbst ein Maut-Modell für Wien bei einem international erfahrenen Experten in Auftrag zu geben.“
Alle Infos zur Grünen Stadt-Maut gibts hier: wien.gruene.at/stadtmaut
VCÖ für City-Maut
Der ökologisch orientierte Verkehrsclub Österreich spricht sich ebenfalls für eine City-Maut aus – allerdings ebenfalls nicht unbedingt auf den 1. Bezirk beschränkt. Folgende Argumente führt er dabei an:
Die City-Maut ist ein Anreiz, Alternativen zum Auto zu nutzen: Dort, wo die City-Maut eingeführt wurde, sind mehr Menschen statt mit dem Auto mit öffentlichen Verkehrsmitteln oder dem Fahrrad unterwegs.
- Unnötige Autofahrten werden vermieden, wenn pro Autofahrt zu bezahlen ist.
- Die Zahl der Fahrgemeinschaften steigt.
- Weniger Autoverkehr bedeutet weniger Abgase und weniger Verkehrslärm.
- Die Luftqualität in Wien wird besser, die Lebensqualität steigt.
- Weniger Autoverkehr bedeutet vor allem auch weniger Staus. Das stärkt den Wirtschaftsstandort Wien.Der Wirtschaftsverkehr beschleunigt sich, Lieferanten können Termine leichter einhalten. Weniger Staus bedeutet auch, dass z.B. Handwerker schneller beim Kunden sind und damit kürzere Anreisezeiten verrechnen.
- Beschleunigung des Öffentlichen Verkehrs: Busse stehen weniger im Stau, der Fahrplan kann leichter eingehalten werden.
- Mehr Platz für alle, die mit dem Rad fahren oder zu Fuß gehen.
- Die Verkehrssicherheit steigt.
- Verringerung des Kaufkraftabflusses in die Einkaufszentren außerhalb Wiens, wenn die City Maut bereits bei den Stadteinfahrten bemautet wird.
- Taxis werden attraktiver, wenn diese von der City-Maut ausgenommen werden. Werden mehr Fahrten mit Taxis statt mit dem eigenen Auto durchgeführt, wird Car-Sharing attraktiver.
Positionen, Studien etc. für eine City-Maut finden sich auf der VCÖ-Homepage.
… und noch ein paar “ungrüne Gedanken” zum Thema City-Maut in Wien,
von einem langjährigen alternativen Gewerkschaftsaktivisten, der die erhoffte Lenkungswirkung einer Citymaut hinsichtlich einer Verringerung der Verkehrsaufkommen süberhaupt hinterfrägt:
„Ich erinnere mich, dass vor etwa sieben Jahren weniger als 9 % der Wienerinnen und Wiener für die Einführung einer City-Maut im dichtverbauten Stadtgebiet waren, weil sie sich davon eine Verbesserung der PKW-Parksituation erwarteten. Das heißt zwar nicht, dass 91 % dagegen waren, aber es heißt zumindest, dass eine überwältigend große Mehrheit so eine Erwartung nicht mit einer City-Maut verknüpften. Das war damals.
Damals waren die Befürworter und Befürworterinnen eher im Stadtzentrum und den unmittelbar angrenzenden Stadtteilen zu finden. Je weiter weg vom Zentrum, umso geringer der Wunsch nach einer City-Maut. Das scheint mir auch heute aus der Sicht der dort Wohnenden einfach nachvollziehbar: Die im Kerngebiet der Stadt wohnen, verknüpfen mit der City-Maut die Hoffnung, dass dadurch weniger Autos in ihr Wohngebiet fahren, ihnen weniger Parkplätze verstellen und überhaupt weniger Abgase etc etc. Von ihnen selbst, den Zentrumsbewohnerinnen und –bewohnern – so glauben diese – wird man ja doch nicht diese Maut abverlangen, das wäre ja eine Bestrafung dafür, dass man dort ganz legal wohnt.
Die in der Zone wohnenden betrachten die Maut also offenbar als ein Mittel, mit dem die anderen, nicht hier Wohnenden ferngehalten werden könnten, bzw. ihnen der Zugang erschwert wird. Wer Geld genug hat, kommt leichter herein und man bleibt ein bissl mehr „unter seines/ihresgleichen“ …..
Und wem, bitteschön, gehört die Stadt?
Heute (Volksbefragungstext 2010) wird die Frage, ob in Wien eine City-Maut eingeführt werden soll, eher allgemein damit verbunden, ob eine solche Maut über ein nicht näher definiertes Stadtgebiet einen Beitrag zur „Bewältigung des innerstädtischen Verkehrs“ liefern könnte. Ich bin gegen eine solche Maut; sie schafft nämlich geldabhängige (Zufahrts-)Erlaubnisse und bei den Mautzahlenden begünstigt sie auch noch die „moralische“ Berechtigung, dass sie, wenn sie schon extra dafür zahlen müssen, wenigstens „ordentlich“ fahren dürfen und sie werden sagen: „das PKW-Fahren muss in der – wie immer definierten – City möglichst staufrei, hindernisfrei, überall vorrangig möglich sein.
Schließlich zahlen wir (Autofahrer) ja auch (noch extra) dafür.“ Mit der Extra-Zahlung (Maut) wird m.E. also eher der Erhalt und sogar die Verbesserung der Möglichkeit, im Kernbereich der dichtbebauten Stadt mit dem Auto fahren zu können, begünstigt – und nicht ihr Gegenteil, nämlich der weitere Rückbau der Auto-gerechten Straßen. Ich sehe also in einer Maut keinen positiven Effekt zur MIV-Reduktion. Und DIE sollte doch das Ziel sein, oder? Zusatzfrage: Was hat die Autobahn-Vignette, die die Nutzung dieser Straße auch verteuerte, bewirkt – in Richtung Verkehrsaufkommen? Verkehrsverteilung? Mitteleinsatz für den Autobahnbau?“