Vermögenssteuern: Warum es an die Substanz gehen muss

tax_the_richDie SPÖ hat nun also ihre Forderung nach einer allgemeinen Vermögenssteuer aufgegeben. Sie sei mit der ÖVP nicht durchsetzbar heißt es. Und eine Steuer auf die Vermögenssubstanz nun plötzlich  nicht mehr sinnvoll. Noch nicht verabschiedet hat sich dies SPÖ von der Wiedereinführung einer Erbschafts- und Schenkungssteuer, droht allerdings auch damit bei der ÖVP auf Granit zu beißen. Da hilft auch die Umdefinition der Erbschaftssteuer von einer „Substanz-“ in eine „Vermögenszuwachssteuer“ nicht wirklich was. Dass eine Erbschaftssteuer natürlich auf den Vermögensbestand des Ererbten bzw. Geschenkten geht, also eine „Substanzsteuer“ darstellt ist schon so. Und ist auch gut so. Und ist auch richtig und wichtig so. Denn „Vermögenszuwachssteuern“ a la Kapitalertragssteuer, Spekulationssteuer u.ä. mögen zwar ein Beitrag zu mehr Steuergerechtigkeit sein. Allerdings vollkommen unzureichend, das demokratie- und stabilitätsgefährdende Potential der massiven Ungleichverteilung bei den Vermögen einzudämmen bzw. überhaupt zu neutralisieren.

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Zwei Problemfelder, die sich aus der Vermögenskonzentration ergeben, die allerdings in der laufenden Debatte rund um Vermögenssteuern nur wenig Beachtung finden. Obwohl sie entscheiden die weitere soziale und demokratische Entwicklung unserer Gesellschaft beeinflussen. Und demokratie- und wirtschaftspolitische Argumente für Vermögenssteuern liefern. Für Steuern, die tatsächlich an die Substanz gehen.

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Vermögenskonzentration als Gefahr für die Demokratie

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Thomas Piketty, Superstar unter den Jung-ÖkonomInnen warnt in seinem Bestseller „Das Kapital im 21. Jahrhundert“ vor den demokratiegefährdenden Potentialen ungleicher Vermögensverteilung. Mit Vermögenskonzentration ginge eine Machtkonzentration einher, Demokratien drohten Oligarchien zu werden, demokratische und soziale Teilhabe der Bevölkerungsmehrheit würde mit wachsender sozialer Ungleichheit geringer.
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Ähnlich der US-Starökonom Stieglitz, zitiert vom WU-Professor und Verteilungsexperten Willi Altzinger in einem Beitrag im WISO 4/2013: „High levels of economic inequality lead to imbalances in political power as those at the top use their economic weight to shape our politics in ways that give them more economic power.“
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Altzinger unterscheidet in seinem Beitrag die Auswirkungen von Vermögenskonzentration auf die demokratische Grundstruktur in zweierlei Hinsicht:

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  • Eine hohe Vermögenskonzentration ermöglicht einen unmittelbaren Einfluss auf Marktbedingungen und damit auf die Verteilung der Primäreinkommen – also wie sich Löhne und Gewinne verteilen.
  • Gleichzeitig ist auch die Gestaltung der Sekundärverteilung – in Form von Steuern, Sozialtransfers, Subventionen –  von der Vermögensverteilung bestimmt, da Interessensverbände  natürlich Einfluss auf den Gesetzwerdungsprozess nehmen.

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Die breite Palette politischer Aktivitäten ökonomischer und finanzieller Eliten zur Durchsetzung ihrer Interessen führt etwa der Ökonom Thomas Dürmeier von er Universität Hamburg in einem Beitrag im „Kurswechsel 1/2009“, der Zeitschrift des BEIGEWUM aus: Instrumente der Einflussnahme gingen dabei von Lobbying über Parteienfinanzierung (Wahlkampf- und Parteispenden) bis hin zur direkter Besetzung politischer und öffentlicher Ämter (z.B. Abgeordnete aus dem Bankensektor, MitarbeiterInnen in Kabinetten und Ministerien, Beschickung von ExpertInnengremien, Wechsel von der Politik in die Wirtschaft und umgekehrt …) bis hin zu Korruption, Bestechung, Privatisierungen von bisherigen Staatsfunktionen oder Sonderrechten im Rahmen von Freihandelsabkommen mit einer privilegierten Position als Kläger (z.B. „Investorenschutz“ in Form von Klagsrechten gegen Änderungen in der Sozial- und Umweltgesetzgebung als). Zusätzlich, so Dürmeier, habe sich das „Unternehmenslobbying“ in den letzten Jahren verändert und dahingehend „professionalisiert“, dass unternehmensfinanzierte Lobbyorganisationen verstärkt als kampagnefähige NGOs auftreten, wie etwa die „Initiative Neue Soziale Marktwirtschaft“ in der Bundesrepublik Deutschland. Eine Entwicklung, die auch in Österreich zu beobachten ist, man denke etwa an das neu gegründete, von der Industriellenvereinigung finanzierte Wirtschaftsinstitut „Eco“ oder an den von finanzkräftigen Privatpersonen gesponserte neoliberale Think Tank „Agenda Austria“.  Und nicht zu vergessen: die die von MillionärInnen, GroßgrundbesitzerInnen, Banken- und Unternehmensverbänden ins Leben gerufene „Initiative Mittelstand“, die sich vor allem dem Kampf gegen jede Art von Vermögenssteuern verschrieben hat.
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Wie effizient diese Interessensverbände agieren, lässt sich nicht zuletzt an der Verhinderung wirkungsvoller Finanzmarktregulierungen innerhalb der EU, aber auch an der europäischen Krisenpolitik insgesamt nachzeichnen. Merkels „marktkonforme Demokratie“, wonach sich politische Entscheidungen an Markterfordernissen zu orientieren hätten, die Politik der Troika in Krisenländern die bei der Durchsetzung ihrer neoliberalen Agenda demokratisch legitimierte Institutionen umgeht oder schlichtweg ausschaltet und der Druck auf die Verabschiedung von Wettbewerbspakten sind dabei nur Highlights einer erfolgreichen Interessenspolitik gegen die Interessen einer breiten Bevölkerungsmehrheit.
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Wilfried Altzinger über die Folgen für das politische System:

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„Aufgrund der steigenden privaten Vermögen bei gleichzeitig hoher Konzentration nimmt der Einfluss der ökonomischen Elite auf die nationalen wie internationalen politischen Entscheidungsträger zu. Dadurch gelingt es diesen Gruppen zunehmend, die gesellschaftlichen Rahmenbedingungen  in ihrem Interesse zu gestalten. Somit findet auch ein sukzessiver Umbau wohlfahrtsstaatlicher Grundinstitutionen statt. Mit diesen Entwicklungen verbunden ist … auch eine Verringerung der Chancengleichheit, da die Vererbung von Vermögen, Bildung und sozialen Kontakten wieder eine stärkere Bedeutung bekommt … Die damit einhergehende Perpetuierung der ökonomischen und sozialen Ungleichheiten erhöht die Gefahr von sozialen und politischen Spannungen.“

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Die – aus einer fortschrittlichen Perspektive –  logische Konsequenz aus diesem Befund wäre: Soll die demokratiepolitisch bedenkliche Vermögenskonzentration bzw. -anhäufung und damit verbundene Einflussnahme auf ein demokratiepolitisch verträgliches Maß reduziert werden, müssen (neben anderen, notwendigen regulatorischen Maßnahmen) Vermögensbestände reduziert werden. Da wird eine Vermögenszuwachssteuer, die lediglich das Vermögenswachstum verlangsamt, nicht reichen und das grundsätzliche Problem der Vermögenskonzentration nicht lösen. Dazu braucht es tatsächlich Steuern die den Vermögensbestand, die Vermögenssubstanz insgesamt laufend und/oder in regelmäßigen Abständen kürzt und Mittel für demokratiestärkende Maßnahmen (z.B. Bildung, Armutsbekämpfung, öffentliche Investitionen) frei macht. Piketty fordert etwa eine stark progressiv steigende Vermögenssteuer von 0,1 % bis 200.000 Euro und 0,5 % von 200.000 bis zu 5 bis 10 % ab 1 Mrd. Euro vor. Steuersätze, die in konservativen Kreisen wohl zu Ohnmachtsanfällen führen würden.
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Vermögenskonzentration als Risiko für die wirtschaftliche Stabilität

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Vermögenskonzentration destabilisiert nicht nur die Demokratie sondern auch die wirtschaftliche Entwicklung. Warum? Je stärker Vermögen konzentriert sind, desto mehr Geld fließt in spekulative und riskante Veranlagungen, die regelmäßig zu krisenverursachenden bzw. -verstärkenden „Spekulationsblasen“ führen. Die wachsende Ungleichverteilung der Einkommen seit den 70er Jahren führte zu „Überschussliquidität“. Oberen Einkommensgruppen blieb nach den Konsumausgaben noch ausreichen Geld zum „Sparen“ bzw. für Veranlagungen über. Das führte einerseits zu einer verstärkten Nachfrage nach bereits vorhandenen Finanzprodukten, andererseits zur Entwicklung neuer Produkte, die noch mehr Rendite versprachen, allerdings entsprechend risikobehaftet waren. Dass Reiche riskanter Veranlagen zeigt sich etwa anhand des Anlageportfolios des reichsten Prozents der US-Amerikaner: diese halten 62,4 % aller Anleihen, 51,9 % der Aktien und 46,7 % der (Hedge-)Fonds.
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Aber auch  für Österreich ergibt sich ein tendenziell ähnliches Bild: hier halten zwar lediglich 5,3 % Prozent aller Haushalte Aktien allerdings immerhin 12,3 % der reichsten 5 Prozent Haushalte . Bei den „unteren“ 50 % der Haushalte sind es gerade einmal 1,6 %. Insgesamt nur 3,5 % aller Haushalte (unterste Hälfte: 0,5 %) halten Anleihen, aber 13,3 % der TOP-5 %. Fonds werden von 10 % der Haushalte, aber von 30,1 % des reichsten Haushaltszwanzigstels gehalten. „Andere“ Finanzprodukte besitzen 2,3 % der Haushalte insgesamt, aber 14,3 % der vermögendsten 5 Prozent.
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Eine unmittelbare Verbindung zwischen Vermögenskonzentration, Spekulation und der aktuellen Krise stellt der Ökonom Photis Lysandrou her: Der Ursprung des Ausbruchs der Krise liegt ja im US-amerikanischen „subprime“ Markt. Sogenannte „subprime“-Kredite – Hypothekarkredite für besonders einkommensschwache Haushalte – wurden zu Wertpapieren gebündelt und marktmäßig gehandelt. Hochriskante Papiere, die hohe Renditen versprachen und von den Ratingagenturen mit Bestnoten versehen waren. Interessanterweise entstanden diese Finanzmarktprodukte vor allem aufgrund der Nachfrage für derartige Wertpapiere seitens  der Hedgefonds. Hedgefonds sind allerdings im wesentlichen Institutionen für Superreichen und institutionelle Anleger, die überhaupt erst in der Lage sind, die hohen Mindesteinlagen aufzubringen. Hedgefonds hielten insgesamt rund die Hälfte dieser hochriskanten „subprime“-Kreditpapiere. Deren Wertverfall und daraus in Gang gesetzte Kettenreaktion schließlich wesentlich für den Ausbruch der Krise war. Analysators zentrale wirtschaftspolitische Folgerung aus der Finanzkrise daher: „A major policy implication that follows from the above analysis ist that the world’s wealth has to be more equitably distributed if global financial crises are to be avoided.“ (zitiert in der AK-Studie „Von der Verteilungs- zur Wirtschaftskrise“ von Prof. Engelbert Stockhammer)
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Sinngemäß übersetzt: um künftige Finanzkrisen verhindern zu können, braucht es eine egalitärere, gerechtere Vermögensverteilung. Auch hier gilt daher: Hohe Vermögen müssen abgeschöpft, reduziert werden. Das geht nicht über Vermögenszuwachssteuern. Das geht nur über laufendes und/oder regelmäßiges Besteuern. Über eine Vermögenssteuer und/oder Erbschaftssteuer.
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Vermögenssubstanzsteuern als Notwendigkeit

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Wenn Vemögenskonzentration also demokratiegefährdend und einer gedeihlichen ökonomischen Entwicklung abträglich ist, dann ist – umgekehrt – eine gerechtere Vermögensverteilung ein wesentlicher Bestandteil, um nicht zu sagen Voraussetzung für eine stabile demokratische und wirtschaftliche Entwicklung. Eine Egalisierung der Vermögen wird ohne Abschöpfung großer Vermögen nicht gehen. Vermögenssteuern und insbesondere auch Erbschafts- und Schenkungssteuern sind steuerpolitische Maßnahmen, Vermögensbestände zu reduzieren und so eine gerechtere Vermögensverteilung herzustellen. Dass sich die Vermögenden gegen diese Form ökonomischer Schwächung wehren ist wenig überraschend, geht damit doch eine politische Schwächung und eine „Demokratisierung“ der Gesellschaft einher. Dieser Kampf muss allerdings geführt werden, soll eine soziale Demokratie Zukunft haben.

2 Kommentare

  1. Wolfgang Kainrath sagt:

    Was jemand erbt müßte einem Einkommen gleichgestellt werden. Unterschieden braucht eigentlich nur werden zwischen teilbaren und unteilbaren Vermögen im wesentlichen wäre bei allen Geld-, Wertpapier-, Edelmetall/Edelsteinbeständen u.a. eine sofortige Abfuhr eines ordentlichen Betrages fällig. Immobilien, Grundstücke deren Teilung kaum sinnvoll wäre haben allerdings einen Fruchtgenuß der zu besteuern wäre. Schließlich ist leicht auszurechnen dass Wohnen in der geerbten Eigentumsimmobilie wohl einiges an Miet- oder Finanzierungskosten erspart und es wohl zumutbar ist, davon wenigstens die lemprigen 25% wie die der KeSt abzuführen. Die von erwerbstätigen Arbeit leben müssen zahlen von ihren Mietkosten zusätzlich MwSt. die Bonzen nicht einmal diese. Bei dem Volumen an Speckgürtelimmobilien das in den nächsten 2-3 Jahrzehnten vererbt wird steuern wir auf Kurs der Griechen. Es ist sicher bitterer lange Zeit in Saus und Braus leben und keine Steuern zu zahlen und dann alles verlieren als gleich auf einem ökonomisch und sozial nachhaltigem Kurs zu segeln

  2. Peter Degischer sagt:

    Ich verstehe die Gefahren der Vermögenskonzentration, aber weder mit der angedachten Vermögenssteuer, noch mit einer Vermögenszuwachsteuer wird diese verändert. Das Vermögen (Finanzen, Immobilien) des reichsten Prozent der Österreich wächst mit 6-8% jährlich (https://www.attac.at/index.php?id=2224), erst höhere Steuersätze würden das Privatvermögen reduzieren. wir können uns keine Reduktion der Vermögenskonzentration und ihrer Folgen durch diese Steuer erwarten. Die angedachte Steuer ermöglicht aber dem Staat seine Leistungen bedarfsgerecht zu erhöhen.

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