SPÖ/ÖVP Steuerreform (II), die Gegenfinanzierung: Prinzip Hoffnung
26. März 2015 von adminalternative
Ein Entlastungsvolumen von 5,2 Mrd. Euro muss erst einmal gegenfinanziert werden. Der Umfang der Steuerreform war auch schon im Zusammenhang mit dem ÖGB/AK-Steuermodell im Fokus der Kritik der Unabhängigen GewerkschafterInnen. Die UG sah im großen Volumen sowohl die Finanzierung sozialstaatlicher Leistungen massiv gefährdet, als auch budgetäre Spielräume für notwendige Investitionen eingeschränkt. Würde eine Entlastung nicht ausreichend – einnahmeseitig, verteilungsgerecht und ökologisch sinnvoll – gegenfinanziert, würden weitere Sparpakete drohen, so die Befürchtung. Und diese Befürchtung scheint sich mit dem vorliegenden SPÖ-ÖVP Steuerpaket zu bestätigen. Denn: wie stellt sich die Bundesregierung die Gegenfinanzierung dar?
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Mit rund 850 Mio. Euro soll sich die Reform über höhere Steuereinnahmen und geringere Ausgaben als Folge erhöhter Nachfrage selbst finanzieren.
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- 1,9 Mrd. Euro sollen Maßnahmen gegen Steuerbetrug bringen.
- 900 Mio. Euro sollen aus steuerrechtlichen Maßnahmen und Mehrwertsteuererhöhungen kommen.
- 1,1 Mrd. Euro sollen Kürzungen von Förderungen und bei der Verwaltung erbringen.
- 400 Mio. Euro erwarten sich die Koalitionsparteien aus einem „Solidaritätspaket“.
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Wie sind diese Gegenfinanzierungspositionen nun zu bewerten?
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- Eine Eigenfinanzierung im Umfang von 850 Mio. Euro ist eine ausgesprochen optimistische Schätzung. Die Eigenfinanzierungsquote hängt in hohem Maße davon ab, ob eine Steuerreform von einer expansiven Fiskalpolitik – also von entsprechend hohen öffentlichen Investitionsausgaben – begleitet wird. Das ist bei dieser Reform definitiv nicht der Fall. Nicht nur dass sich die Bundesregierung bei Präsentation der Steuerreform zum strukturellen Nulldefizit und zu den Einsparungszielen im Rahmen des von SPÖ und ÖVP beschlossenen Budgetpfads bekennt, sehen die Gegenfinanzierungsmaßnahmen selbst noch ein zusätzliches Sparpaket von 1,1 Mrd. Euro vor. Auch wird die Steuerentlastung aus der Tarifreform den Konsum nicht so stark beleben, wie erhofft, profitieren doch insbesondere BezieherInnen mittlerer und höherer Einkommen von der Tarifreform. Einkommensgruppen mit einer deutlich höherern Sparquote als „untere“ Einkommensschichten. Eine Eigenfinanzierung im erhofften Umfang erscheint vor diesen Hintergründen unrealistisch.
- Kommen wir gleich zum Sparpaket im Umfang von 1,1 Mrd. Euro. Wo noch weiter gespart werden soll, darüber lässt sich die Regierung – noch – nicht wirklich aus. Was man allerdings bereits jetzt weiß: die Sparpolitik trifft bereits in aller Härte die Arbeitsmarktpolitik, den Gesundheitsbereich und die sozialen Dienste. Hier drohen weitere Einschnitte bei Beschäftigung und Einkommen, damit tatsächlich sinkende Löhne und steigende Arbeitslosigkeit. Im öffentlichen Dienst soll über die Dämpfung der Ausgaben das Einsparungsziel erreicht werden. Diese Ankündigung lässt eine Verlängerung des Aufnahmestopps aber auch weitere Nulllohnrunden befürchten. Allesamt Einsprungsmaßnahmen, die mit Sicherheit keinen Beitrag zur Krisenbewältigung und zur Belebung der Konjunktur darstellen. Allesamt Maßnahmen, welche über Umwege dazu führen, dass sich die ArbeitnehmerInnen „ihre“ Lohnsteuersenkung doch selber zahlen müssen. Über steigende Arbeitslosigkeit, niedrigere Einkommen und über den Abbau öffentlicher Leistungen und sozialer Dienste.
- Die geplanten Maßnahmen gegen Steuerbetrug (Registrierkassenpflicht, Belegerteilungspflicht, Bankkonteneinsicht im Rahmen von Betriebsprüfungen) sind zu begrüßen und beruhen auf Schätzungen des Finanzministeriums selbst. Besonders hervorgehoben sei hier, der partielle Fall des Bankgeheimnisses, ein wesentlicher Schritt in Richtung des vollständigen Falls dieses Anachronismus, der insbesondere Steuerhinterziehern und Geldwäschern nutzt und einer wirkungsvollen Vermögensbesteuerung im Wege steht. Das langsame, schrittweise Aus für das Bankgeheimnis, könnte im Rahmen des parlamentarischen Prozesses noch deutlich beschleunigt werden könnten – braucht es doch eine Zwei-Drittel-Mehrheit, die, so wie es derzeit aussieht, nur von den Grünen kommen könnte. Und die sind ja durchaus für die bollständige Abschaffung des Bankgeheimnisses gegenüber den Finanzbehörden zu haben.Fraglich ist allerdings, wie lange es dauern wird, bis Erträge aus der Betrugsbekämpfung in vollem Umfang schlagend werden. Und auch, ob die erhofften Erträge in voller Höhe in die Staatskassen fließen. Auch hier droht – zumindest vorübergehend – eine Finanzierungslücke.Hellhörig muss man als GewerkschafterIn inbesondere werden, wenn es an die Bekämpfung sogenannten „Sozialbetrugs“ gehen soll, woraus sich die Regierung 200 Mio. Euro erhofft. Hier gehen nämlich die Meinungen, was denn darunter zu verstehen ist, bei ÖVP und SPÖ deutlich auseinander. Während die ÖVP weiter Arbeitslose und MindestsicherungsbezieherInnen „piesacken“ will, schweben der SPÖ eher Maßnahmen gegen Scheinfirmen und „Scheinrechnungen“ (Barauszahlungsverbot am Bau, um ausgestellte Rechnungen ohne tatsächlich erfolgte finanzielle Gegenleistung zu verhindern) vor.
- Was die Gegenfinanzierung aus der Position steuerliche Maßnahmen betrifft, fällt die Bewertung durchwachsen aus. Dass die Möglichkeit, bestimmte Sonderausgaben – wie etwa für private Pensionsvorsorge oder diverse Versicherungsleistungen – steuerlich absetzen zu können auslaufen soll, ist durchaus begrüßenswert. Vorhaben wie die Absenkung der Abschreibungsquote von gewerblich genutzten Gebäuden von 3 auf 2,5 %, oder die höhere Besteuerung privat genutzter, „unökologischer“ Dienstautos, gehen auch in Ordnung, auch wenn letztgenannte Maßnahme aus ökologischer Sicht bestenfalls als halbherzig zu bezeichnen ist.Deutlich umstrittener ist dagegen die Umsatzsteuererhöhung von 10 auf 13 % etwa für Tiergarten-, Museums-, Kino- und Theaterbesuche sowie für Tierfutter. Auch wenn sich die zusätzliche finanzielle Belastung betroffener Gruppen deutlich in Grenzen hält, durch die Lohnsteuerentlastung mehr als wettgemacht wird und beinahe vernachlässigbar ist handelt es sich doch um entstehende Betroffenheiten (insb. bei Tierfutter, Kino oder Tiergärten) die leicht Emotionen und politische Wogen hochgehen lassen. Der Löwenanteil aus der Mehrwertsteuererhöhung – nämlich rund 175 von 250 Mio. Euro kommt übrigens aus den Bereichen Hotellerie, da Nächtigungen teurer werden.
- Kommen wir zuletzt zum „Solidaritätspaket“, wie es genannt wird. In diesem befindet sich jenes traurige Etwas, das von der sozialdemokratischen Forderung nach Vermögenssteuern noch übriggeblieben ist. 2 Mrd. sollten Vermögenssteuern ursprünglich ausmachen, forderte der ÖGB, forderte auch die SPÖ. Vergleichsweise mikrige 400 Mio. sind es geworden und das wenigste davon hat mit Vermögenssteuern zu tun. Das Solidaritätspaket setzt sich dabei wie folgt zusammen:- Die Immobilienertragssteuer – die Steuer auf Gewinne aus dem Verkauf von Immobilien – soll von 25 auf 30 % erhöht werden und 115 Mio. Euro bringen.- Die Kapitalertragssteuer auf Dividenden – und nur diese – soll, gibt es dafür eine Verfassungsmehrheit, von 25 auf 27,5 % erhöht werden. Was 150 Mio. Euro erbringen soll.- Ja, nicht zu vergessen der bereits erwähnte neue Spitzensteuersatz von 55 % für EinkommensmillionärInnen, der mit 50 Mio. Euro an Erträgen veranschlagt ist.
– Die Grunderwerbssteuer auf die unentgeltliche (Vererbung, Schenkung) Übertragung von Grund und Boden, auf Basis der Verkehrswerte und progressiv gestaltet – mit einem erhofften Aufkommen von 35 Mio. Euro.
– Und zuletzt: die außerordentliche Erhöhung der Höchstbeitragsgrundlage für die Sozialversicherung um einmalig 100 Euro – mit erwarteten Mehreinnahmen von 90 Mio. Euro
Was ist von alledem zu halten? Nun, sie sind zuallererst keinerlei adäquater Ersatz für Vermögenssteuern. Weder hinsichtlich des Aufkommens, noch hinsichtlich des Charakters, geht es bei Vermögenssubstanzsteuern doch vor allem auch darum, hohe Vermögensbestände aus demokratie- und machtpolitischen Gründen zu beschneiden und zu reduzieren.
Zusätzlich scheint auch bei diesen Steuern das Prinzip Hoffnung zu gelten: so gingen etwa von den bei Einführung erhofften 700 Mio. aus einer Immobilienbesteuerung erst 400 Mio. Euro ein. Auch die Einnahmen aus der Besteuerung von Kursgewinnen bei Aktien sind hinter den Erwartungen zurückgeblieben. Und die veranschlagte Grunderwerbssteuer ist schon gar kein Ersatz für eine Erbschafts- und Schenkungssteuer. Vollständig durchgesetzt haben sich einmal mehr die Besitzer großer Vermögen, die Millionenerben und die Stifter, die in der ÖVP und ihrem Finanzminister eine starke Lobby haben.
Eine so starke Lobby, dass die ÖVP sich lieber mit einer ihrer Kernschichten, den Gewerbetreiben anlegt (siehe Registrierkassenpflicht), als auch nur einen Millimeter von der Verteidigungsfront für Großgrundbesitzer und Euromilliardäre abzuweichen. Das ist dann doch bemerkenswert und sagt einiges über die Kräfteverhältnisse in dieser Partei aus…
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Zusammenfassend kann festgehalten werden:
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- Die Maßnahmen zur Gegenfinanzierung der Tarifreform sind nicht nur hinsichtlich ihres Aufkommens fragwürdig, sie stehen auch im Widerspruch zueinander.
- Wenn die Sparpolitik fortgeführt wird und nicht nur das, sondern sogar noch verstärkt, steht das einem hohen Selbstfinanzierungsgrad entgegen.
- Die Gegenfinanzierung schafft keinerlei Spielraum für zusätzliche Investitionen, vielmehr drohen, um Nulldefizit und Budgetpfad nicht zu gefährden weitere, zusätzliche Sparmaßnahmen.
- Ist die Einhaltung des bereits beschlossenen Budgetpfads in Richtung Nulldefizit schon fragwürdig – sind in diesen doch etwa jährlich 500 Mio. Euro Aufkommen aus der nach wie vor nicht umgesetzten Finanztransaktionssteuer eingepreist und deutlich optimistischere Erwartungen an die konjunkturelle Entwicklungen – droht dieser mit den zu erwartenden Einnahmeausfällen zusätzlich gefährdet.
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Das weiß die ÖVP und das kommt ihr auch durchaus entgegen – kann sie doch dadurch den Druck auf weitere Einschnitte im Sozialsystem, bei Pensionen, bei arbeitsmarktpolitischen Maßnahmen und im Gesundheitssystem noch weiter erhöhen. Dann ist es allerdings endgültig aus mit der Mär, dass „wir ArbeitnehmerInnen“ uns die Steuerreform nicht selber zahlen würden.
Die Verteilungskämpfe haben dahingehend schon begonnen. Jedenfalls gilt: Diese Steuerreform ist nicht unsere Steuerreform. Mit dieser Steuerreform wurde eine wichtige Chance auf mehr Steuergerechtigkeit vertan. Der Kampf um Vermögenssteuern und um eine grundsätzliche sozial-ökologische Steuerreform muss umso intensiver geführt werden. Ab jetzt.