Factsheet Wertschöpfungsabgabe: Fragen und Antworten

20060802154606__stapel_1euros_1Wie kann die Finanzierung des Sozialstaates angesichts hoher Arbeitslosigkeit, steigender Atypisierung der Beschäftigung und sinkender Lohnquote auch in Zukunft gesichert werden? Eine Antwort auf diese Frage ist die Verbreiterung der Finanzierungsbasis für Sozialversicherungsbeiträge auf Wertschöpfungsbasis – die Einführung einer Wertschöpfungsabgabe. Mit der Diskussion rund um die Digitalisierung und Roboterisierung der Arbeitswelt – Stichwort „Industrie 4.0“ hat die Diskussion um neue Finanzierungsquellen für den soziale Leistugnen wieder an Aktualität gewonnen. Mit dem Antritt des neuen SPÖ-Bundeskanzlers Kern und Ansagen pro Arbeitszeitverkürzung und Wertschöpfungsabgabe hat die Debatte zusätzlichen Schwung bekommen. Dass die ÖVP wieder einmal ablehnt ist nichts Neues, soll aber nicht daran hindern sich mit dem Thema intensiver auseinanderzusetzen. Mit unserem „Factsheet Wertschöpfungsabgabe“ wollen wir Antworten auf typische Fragen zum Thema geben. Wir begrüßen die Debatte und sehen eine Wertschöpfungsabgabe als wichtigen und notwendigen Schritt hin zu mehr Steuergerechtigkeit und als passende und sinnvolle Ergänzung zu einer Ökologisierung des Steuersystems und einer gerechteren Verteilung der Steuerlast von Arbeit hin zu Kapital und Vermögen.

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Was ist eine Wertschöpfungsabgabe?

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Eine Wertschöpfungsabgabe ist eine Steuer bzw. eine Abgabe, die an der gesamten Wertschöpfung eines Unternehmen an Stelle der Lohn- und Gehaltssumme als Steuerbasis ansetzt.

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Was heißt Wertschöpfung?

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Die Wertschöpfung eines Unternehmens definiert sich als Erträge abzüglich der von anderen Unternehmen erbrachten Vorleistungen (z.B. Material, Waren, Energie etc.).
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Die gesamte Wertschöpfung eines Unternehmens setzt sich zusammen aus:
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der Lohn- und Gehaltssumme
+ den Dienstgeberbeiträgen von der Lohn- und Gehaltssumme
+ den Gewinnen (- Verlusten)
+ den Abschreibungen von Maschinen, Gebäuden und Anlagen
+ den Fremdkapitalzinsen, Mieten und Pachten
+ den indirekten Steuern
= Wertschöpfung („additive Methode“)

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Unter „Nettowertschöpfung“ bzw. „Nettoproduktionswert“ wird die Wertschöpfung abzüglich der Abschreibungen verstanden. Die „Bruttowertschöpfung“ ist entsprechend die Wertschöpfung inklusive Abschreibungen.
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Warum Wertschöpfungsabgabe?

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Das österreichische Steuer- und Abgabensystem zeichnet sich durch eine im europäischen wie internationalen Vergleich hohe Besteuerung des Faktors Arbeit aus. Die neoliberalen Steuerreformen der letzten Jahrzehnte, die unter dem Argument des „Standortwettbewerbs“ insbesondere auf günstige Investitionsbedingungen und eine entsprechende steuerliche Entlastung von Kapital und Vermögen gegenüber Arbeit abgezielt haben, führten etwa von 1995 bis 2008 zu einen Anstieg der steuerlichen Belastung von Arbeit um  2,5 Prozentpunkte. Im gleichen Zeitraum ist die Belastung von Kapital um 2,5 Prozentpunkte gesunken. (Quelle: WISO 31/2008)
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Überwiegende Finanzierungsbasis für sozialstaatliche, familienpolitische aber auch kommunale Leistungen ist in Österreich die Lohn- und Gehaltssumme.
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Der Anteil lohnsummenbezogener Abgaben (z.B. Beiträge zum FLAF, Wohnbauförderungsbeitrag, Kommunalabgabe) beläuft sich in Österreich auf 2,97 Prozent des BIP (in absoluten Zahlen 2015: 9 Mrd. Euro). Im OECD-Durchschnitt liegen lohnsummenbezogene Steuern und Abgaben bei 0,424 Prozent und sind in den meisten Staaten vollkommen unbekannt. In der EU wird Österreich nur von Schweden mit einem BIP-Anteil von 4,6 Prozent an Lohnsummensteuern/-abgaben übertroffen.
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Auch die Sozialversicherungsbeiträge (Beiträge zur PV, KV, ALV, UV) sind allesamt lohn-/einkommensbezogen. Hier liegt Österreich in der EU mit einem Aufkommen von 14,8  Prozent des BIP auf Platz 2 und wird nur vorn Frankreich mit knapp über 17 Prozent überholt. In absoluten Zahlen ausgedrückt umfassen die SV-Beiträge insgesamt 52,4 Mrd. Euro.
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Der Anteil lohnbezogener Abgaben (Lohsummensteuern/abgaben und SV-Beiträge) beläuft sich damit auf knapp über 41 Prozent aller Steuern und Abgaben. (Quelle: Statistik Austria, OECD: Revenue Statistics 2014)
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Die hohe Belastung von Arbeit durch lohnbezogene Abgaben und SV-Beiträge verteuert Arbeit im Verhältnis zu Kapital und begünstigt den Einsatz von Maschinen gegenüber Menschen. Mit einer Wertschöpfungsabgabe – einer Verbreiterung der Finanzierungsgrundlage mit gleichzeitiger Senkung der Beitragssätze – soll dieses Unverhältnis, also die steuerliche Bevorzugung von Kapital gegenüber Arbeit ausgeglichen werden.
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Welche Argumente sprechen für die Einführung einer Wertschöpfungsabgabe?

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  • Verteilungspolitische Gründe: Abgaben auf Löhne und Gehälter werden zur Finanzierung öffentlicher Leistungen herangezogen, die allen Bevölkerungsgruppen zugute kommen. Abgaben, die auf die Einkommen Unselbständiger, also auf Löhne und Gehälter eingehoben werden – z.B. die Beiträge zum FLAF – finanzieren so auch Leistungen für Selbständige und Landwirte obwohl diese keinen Finanzierungsbeitrag leisten. Mit einer Verbreiterung der Beitragsgrundlage auf die gesamte Wertschöpfung wären auch Unternehmens- und Zinsgewinne in die Finanzierung einbezogen und ein nach verteilungspolitischen Gesichtspunkten gerechteres Beitrags-Aufkommen gewährleistet.

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  • Stabilisierung der Einnahmen: Krisenbedingt steigende Arbeitslosigkeit, Atypisierung und Prekarisierung der Beschäftigung (z.B. wachsende Teilzeit, geringfügige Beschäftigung, Zunahme befristeter Arbeitsverhältnisse, instabiler werdende Arbeitsverhältnisse mit häufigeren Phasen von Arbeitslosigkeit) führen seit Jahrzehnten zu einer Erosion der lohnbasierten Einnahmen im Sozialbereich, weil die Lohn- und Gehaltsentwicklung hinter der wirtschaftlichen Entwicklung zurückbleibt. Mit einer Verbreiterung der Finanzierungsgrundlage wäre die Einnahmesituation bzw. -entwicklung weniger konjunktur- und beschäftigungsabhängig und entsprechend stabiler.

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  • Steuergerechtigkeit: Österreich ist EU-weit eines der Schlusslichter bei der Besteuerung von Vermögen, Kapital und Kapitalerträgen. Diese sind im Vergleich zu Einkommen aus Arbeit steuerlich begünstigt (ermäßigter Steuersatz bzw. fehlende Besteuerung von Vermögenszuwächsen wie Erbschaften und Schenkungen, großzügige steuerliche Gestaltungsmöglichkeiten bei Unternehmenssteuern). Die Anteile des Aufkommens von Steuern auf Kapital und Vermögen am Gesamtsteueraufkommen gehören in Österreich mit zu den niedrigsten im EU- und OECD-Vergleich. Neben der Einführung einer Vermögens- und Umweltverbrauchsbesteuerung würde die Umsetzung einer Wertschöpfungsabgabe Kapital stärker zur Finanzierung öffentlicher Haushalte heranziehen und die Steuerbelastung gerechter verteilen.

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  • Aufkommen aus Lohnsummenabgaben spiegelt  nicht die  Leistungsfähigkeit der Unternehmen wider: Mag in der Vergangenheit noch gegolten haben, dass die Lohnsumme die Leistungsfähigkeit und die wirtschaftliche Stärke eines Unternehmens widerspiegelt, so ist diese Annahme heute unzutreffend. Die Leistungsfähigkeit eines Unternehmens – und damit auch die Fähigkeit zur Erbringung entsprechender Steuer- und Abgabenleistungen („Leistungsfähigkeitsprinzip“) – findet ungleich stärker in anderen betrieblichen Kennzahlen als der Lohnsumme ihren Ausdruck (z.B. Umsatzrentabilität, Cash flow …). Eine Verbreiterung der Bemessungsgrundlage würde also die ökonomische Leistungsfähigkeit und die daraus resultierende Besteuerung besser abbilden.

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  • Privatisierung von Rationalisierungsgewinnen, Sozialisierung von Rationalisierungsverlusten: Zu einer Aushöhlung der Finanzierungsbasis der sozialen Sicherungssysteme führt auch das Faktum, dass Rationalisierungsgewinne – also etwa der Abbau von Beschäftigung im Zuge technologischen Fortschritts – privatisiert werden, während die Verluste – Kosten für steigende Arbeitslosigkeit, rückläufige Einnahmen zu den Sozialversicherungen – sozialisiert werden. Beschäftigungsintensive Branchen werden gegenüber kapitalintensiven Branchen hinsichtlich der Finanzierung sozialer Sicherungssysteme „bestraft“. Mit der fortschreitenden Digitalisierung und Roboterisierung der Arbeitswelt (Stichwort Industrie 4.0) droht sich dieser Rationalisierungsprozess noch zu beschleunigen, auch wenn Studien hinsichtlich beschäftigungspolitischer Auswirkungen zu keine eindeutigen Schlussfolgerungen zulassen. Mit einer Wertschöpfungsabgabe würde die steuerliche bzw. bezüglich Abgaben Bevorzugung kapital- gegenüber beschäftigungsintensiver Betriebe und Branchen beendet und die Privatisierung von Rationalisierungsgewinnen begrenzt. Ein Teil der „Digitalisierungsdividende“ würde zumindest durch die öffentliche Hand abgeschöpft und könnte für Beschäftigungs- und Sozialmaßnahmen verwendet werden.

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Welche lohnfinanzierten Sozialleistungen eignen sich zur Umstellung auf eine Wertschöpfungsabgabe (WSA)?

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Klassischerweise werden dabei zuallererst die Dienstgeber-Beiträge zum FLAF – diese belaufen sich auf rund 5,6 Mrd. Euro (2015) – und zur Krankenversicherung (2015: 4,3 Mrd. Euro) genannt. Würden z.B. die KV-Beiträge auf Wertschöpfungsbasis finanziert, könnte der Beitragssatz je nach Ausgestaltung der WSA auf 1,6 bis 2,6 Prozent gesenkt werden. Der Beitragssatz für den FLAF könnte von derzeit 4,5 Prozent der Lohn- und Gehaltssumme auf ca. 2,5 Prozent der gesamten  Wertschöpfung abgesenkt werden. (Quellen: Kurswechsel 2/2007, WISO 31/2008). Grundsätzlich geeignet erscheint auch eine Finanzierungsumstellung bei der Unfallversicherung (1,389 Mrd. Euro) und den Beiträgen zum Insolvenzentgeltfonds (500 Mio. Euro).
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Als wenig tauglich für eine Umstellung erscheinen – zumindest fürs Erste – Beiträge zur Pensionsversicherung, da eine Alterspension ja ein unmittelbar aus dem individuellen Einkommen und entsprechend geleisteter Beiträge entstandener Leistungsanspruch ist (abweichende Meinung siehe folgender Absatz). Die Umstellung der Finanzierung der Arbeitslosenversicherung insbesondere auch um beschäftigungspolitische Maßnahmen aus einer Wertschöpfungsabgabe als „Digitalisierungsdividende“ erscheint dagegen wieder als attraktiv.
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Es gibt hinsichtlich Einsatzbereiche einer WSA auch andere Zugänge: Harald Schmadbauer (allerdings in einem Beitrag aus 2005)  etwa sieht die Pensionsversicherung ebenso wie die Krankenversicherung und die Beiträge zum FLAF als umstellungsfähig auf Wertschöpfungsbasis. Dafür weniger die Arbeitslosenversicherung und die Unfallversicherung. Argumentiert wird das damit, dass – im Unterschied zu Arbeitslosigkeit und Unfällen – Krankheit und Alter bzw. Gebrechlichkeit „weit allgemeinere Risken“ darstellen, was eine Verbreiterung der Finanzierungsbasis rechtfertigt. Im Beitrag verweist Schmadbauer allerdings auch darauf hin, dass in der BRD zur Finanzierung der Arbeitslosenversicherung – insbesondere unter dem Solidaritätsaspekt – sehr wohl eine Diskussion über eine Verbreiterung auf Wertschöpfungsbasis diskutiert wurde. Eine Diskussion die angesichts krisen- und technologiebedingt steigender Arbeitslosigkeit an Aktualität jedenfalls wieder gewonnen hat (Quelle: Dokumente 4, 2005).
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Wohnbauförderungsbeitrag und Kommunalabgabe – diese machen zusammen immerhin fast 4 Mrd. Euro aus (Kommunalabgabe 2015: 2,9 Mrd. Euro, Wohnbauförderungsbeitrag (AN und AG-Beitrag zusammen: 960 Mio. Euro) wären grundsätzlich ebenfalls auf Wertschöpfungsbasis finanzierbar, hier sehen wir allerdings v.a. auch Potential für eine Ökologisierung des Steuersystems – also die kostenneutrale Finanzierung aus Umweltsteuern im Rahmen einer Sozial-Ökologischen Steuerreform.

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Welche Branchen/Bereiche wären von einer Wertschöpfungsabgabe besonders belastet, welche würden profitieren?

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Die aufkommensneutrale Umstellung auf eine Wertschöpfungsabgabe würde kapitalintensive Branchen mit hoher Wertschöpfung pro Beschäftigtem/Beschäftigter sowie Wirtschaftsbereiche mit hohem Selbstständigenanteil („freie Berufe“) stärker belasten. Branchen mit niedriger Wertschöpfung /Kopf würden dagegen entlastet. Grundsätzlich gilt, dass mit Größe des Betriebs das Verhältnis der alten Bemessungsgrundlage „Personal“ (PK) zur neuen Bemessungsgrundlage „Wertschöpfung“ (WS)  sinkt (Bsp: Betrieb mit 1 – 10 Beschäftigten Verhältnis PK:WS = 1:1,9 – 2,4, Betrieb mit über 250 Beschäftigten PK:WS = 1:1,17-1,5, siehe Beitrag auf A & W-Blog).

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  • Von einer Umstellung auf Wertschöpfungsbasis wäre insbesondere die Landwirtschaft und Kleinbetriebe betroffen, während sich für die Sachgüterproduktion relativ wenig ändern würde.
  • Belastet würden kapitalintensive Branchen  wie etwa die Mineralölindustrie, die Papierindustrie und Tabakverarbeitung aber auch die Kredit- und Versicherungswirtschaft.
  • Geringe Änderungen ergäben sich für die Bauwirtschaft, der Metallindustrie und den Reiseverkehr.
    Entlastet wäre der Handel, der Verkehr, Nachrichtentechnik und andere Dienstleistungsbereiche.
  • Im Dienstleistungsbereich wären Bereiche mit hohem Kapitalanteil bzw. hohen Gewinnen, wie z.B. das Realitätenwesen, „freie Berufe“ wie Ärzte/Zahnärzte, Steuerberatung, Rechtsberatung, unternehmensnahe Dienstleister aber auch der Großhandel stark betroffen.

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Die starke Betroffenheit der Landwirtschaft sowie der Klein(st)betriebe ergibt sich aus der geringen Beschäftigtenzahl. Bei Einzelunternehmen macht vor allem der Gewinn 50 Prozent der Bemessungsgrundlage für die WSA aus – mit Einführung der Wertschöpfungsabgabe könnte sich hier aufgrund des hohen Beitrags des/der Selbständigen zur Wertschöpfung eine unerwünschte Doppelbelastung ergeben (Gewinn als SV-pflichtiges Einkommen des/der Selbständigen und als Bemessungsgrundlage für die Wertschöpfungsabgabe). Im landwirtschaftlichen Bereich würde – laut WIFO – die Verbreiterung der Bemessungsgrundlage die Beiträge zu Sozialsystem um fast 400 Prozent erhöhen! Allerdings muss im Zusammenhang mit der Landwirtschaft darauf hingewiesen werden, dass das Steueraufkommen des Landwirtschaftlichen Sektors aufgrund zahlreicher Ausnahmen ausgesprochen gering ist.

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Durch eine unterschiedliche Gestaltung der Beitragssätze nach Sektoren bzw. Betriebsgrößen und eine Einbeziehung der Finanzierung der Selbständigen-SV auf  Wertschöpfungsbasis könnten unerwünschte Auswirkungen und unverhältnismäßige Belastungen ausgeglichen werden (Quellen: Kurswechsel 2/2007, WISO 31/2008)

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Ist eine Wertschöpfungsabgabe nicht eine „Modernisierungs-“ und „Investitionsbremse“?

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Dieser Vorwurf wird oft erhoben, die Wertschöpfungsabgabe gerne auch als „Maschinensteuer“ bezeichnet, um diesem Vorwurf zusätzlich Ausdruck zu verleihen. Die an sich nicht unbegründete Befürchtung lautet wie folgt: Die Einbeziehung von Abschreibungen in die Bemessungsgrundlage der WSA stellt eine nachträgliche Besteuerung von Investitionen dar. Das macht Investitionen im Vergleich zum ursprünglichen Zustand teurer. Unternehmen werden daher bei Investitionen zurückhaltender agieren, was einerseits zu einem Anstieg der Arbeitslosigkeit führen kann, andererseits auch zu einem Rückstand bei der Modernisierung des Kapitalstocks, was Konkurrenzfähigkeit kostet und den technologischen Fortschritt hemmt. (nachzulesen z.B. in WISO 31/2008)

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Faktum ist tatsächlich, dass mit der Einführung einer Wertschöpfungsabgabe die steuerliche bzw. abgabenmäßige Bevorzugung von Kapital gegenüber Arbeit beendet und die Abgabenlast von arbeitsintensiven auf kapitalintensive Branchen bzw. Unternehmen „umverteilt“ werden soll. Kapital wird daher gegenüber Arbeit verhältnismäßig teurer. Ein durchaus gewollter Effekt.

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Ob und inwieweit die Einbeziehung von Abschreibungen in die WSA investitionshemmend wirkt hängt zu einem großen Teil vom Modell ab, insbesondere von der Höhe des Abgabensatzes. Ist dieser verhältnismäßig gering, wird sich die Zurückhaltung bei Investitionen auch in Grenzen halten. Zusätzlich könnten durch Investionsbegünstigungen bzw. investitionsfördernde Maßnahmen im Gewinnsteuerrecht mögliche negative Auswirkungen ausgeglichen werden.

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Des weiteren sind grundsätzlich WSA -Modelle denkbar, die beispielsweise Abschreibungen nicht in die Wertschöpfung einrechnen („Nettowertschöpfung“). Damit würde allerdings das Ziel, insbesondere auch kapitalintensive Branchen stärker in die Finanzierung des Sozialstaates einzubeziehen, beeinträchtigt.

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Gibt es Länder, die bereits eine Wertschöpfungsabgabe eingeführt haben?

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Eine Wertschöpfungsabgabe gibt es bislang nur in Italien (IRAP, Imposta regionale sulle attività produttive).  Diese ist eine regionale Abgabe und dient der Finanzierung des Gesundheitswesen. Sie wurde 1998/99 als Ersatz für Gesundheitsabgaben und die lokalen Einkommensteuer eingeführt. Die Bemessungsgrundlage der IRAP umfasst Löhne/Gehälter, Gewinne (bzw. Verluste) und Fremdkapitalzinsen (= Nettoproduktionswert, Nettowertschöpfung). Abschreibungen sind in die Bemessungsgrundlage nicht einbezogen. Der Abgabensatz betrug ursprünglich 4,25 Prozent und liegt nun bei unter 3 Prozent. Für Branchen/Betriebe die besonders belastet sind gibt es Ausnahmen und Vergünstigungen. In Südtirol liegt der generelle IRAP-Satz etwa für das Jahr 2016 bei 2,68 Prozent des Nettoproduktionswerts, Landwirtschaft und Fischerei sind ausgenommen, der Abgabensatz für Banken  beträgt z.B. 4,65 Prozent. (Quelle: Website der Provinz Bozen)

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Literaturhinweise/Quellen:

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BLOG Arbeit und Wirtschaft: „Wertschöpfungsabgabe: Eine Alternative zur Finanzierung der sozialen Sicherungssysteme“, Beitrag von Georg Ortner

Dokumente 4, Linz 2005: „Wertschöpfungsabgabe: Sinnvolle Ergänzung oder Alternative zur Finanzierung der Sozialversicherung?“, Hausarbeit von Harald Schmadbauer

Kurswechsel 2/2007: „Finanzierung des öffentlichen Gesundheitswesens“, Guger/Marterbauer/Walterskirchen

WISO 31. Jg (2008), Nr. 2: „Warum aus steuerlicher Sicht eine Wertschöpfungsabgabe sinnvoll ist“, Franz Gall

Statistik Austria: Steuern und Sozialbeiträge in Österreich, Einnahmen des Staates und der EU

OECD: Revenue Statistics 2014, Payroll Taxes

Website der Provinz Bozen, IRAP

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