ÖGB/AK Positionspapier zur Budgetkonsolidierung (I): Ja, aber …
25. Januar 2012 von adminalternative
Am 20. Jänner 2012 versammelten sich an die 400 GewerkschafterInnen und AK-FunktionärInnen (unter ihnen etliche Unabhängige GewerkschafterInnen) im Bildungszentrum der AK Wien um über eine gewerkschaftliche Positionierung zur Budgetkonsolidierung zu beratschlagen. Auf inhaltliche Inputs von Klaus Busch (Vertrauensdozent an der Universität Osnabrück, Fachbereich Sozialwissenschaften) zu Ursachen der Krise in Europa und alternativen Wegen aus derselben und Markus Marterbauer (Leiter der Abteilung Wirtschaftswissenschaft und Statistik der AK Wien) zur ökonomischen Lage in Österreich folgte die Präsentation gewerkschaftlicher Positionen zur Budgetkonsolidierung.
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Ja, zum Schuldenabbau, aber …
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Ein ÖGB/AK-Gipfel zur Budgetkonsolidierung war aus Sicht des ÖGB-Vorstands dahingehend dringend bzw. notwednig geworden, um einerseits dem „Sparen, Sparen, Sparen“-Trommelfeuer der Konservativen, der Wirtschaftskammer, der IV und der Rechten etwas entgegenzusetzen, andererseits um „No Gos“ für die Gewerkschaftsbewegung zu definieren. So gibt es zwar das das grundsätzliche Bekenntnis zum Schuldenabbau, dieser dürfe allerdings nicht zulasten von Beschäftigung und einem „sozial und ökologisch verträglichem Wachstum“ gehen, denn „ … Nur wenn sich Wirtschaft und Arbeitsmarkt stabil entwickeln und Spielräume für die Zukunft erweitert werden, kann die Budgetsanierung gelingen.“ In seiner Positionierung gegenüber einer Schuldenbremse bleiben ÖGB und AK „skeptisch bis ablehnend“ (während die FSG-Abgeordneten im Parlament derselben in einfachem Gesetzesrang schon zugestimmt haben). Bestärkt in dieser Position sehen sich die InteressensvertreterInnen der ArbeitnehmerInnen dabei interessanterweise ausgerechnet durch die Rating Agentur Standard & Poor’s, die ihr „Downgrading“ Österreichs vor allem mit drohenden rezessiven Entwicklungen in Europa und Österreich durch europaweit gleichzeitig forcierte Sparmaßnahmen sowie dem hohen Risiko österreichischer Banken im Osten in Zusammenhang brachte – und weniger mit unambitionierten Sparmaßnahmen, geschweige denn mit der fehlenden Schuldenbremse im Verfassungsrang.
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Faktum sei, so ÖGB und AK, dass der Anstieg der Schulden in Österreich nicht auf einen „unfinanzierbaren“ Sozialstaat oder eine „überbordernde“ Verwaltung zurückzuführen sei, sondern direkte Folge der Finanz- und Wirtschaftskrise: zusätzliche 25 Mrd. Euro habe die Krise unmittelbar an Schulden gebracht. Während vor der Finanzkrise der öffentliche Schuldenstand bereits auf die maastrichtrelevanten 60 % gedrückt worden sei, hat die Finanzkrise
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„… zu einem sprunghaften Anstieg der Staatsverschuldung um 12 % des BIP in Österreich und 22 % des BIP im Euroraum geführt, weil die Kosten der Bankenrettung und vor allem der krisenbedingten Ausfälle an Steuer- und Beitragseinnahmen sowie des Anstiegs der Arbeitslosigkeit außerordentlich hoch waren.“
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Grundsätze der Budgetkonsolidierung aus ÖGB/AK-Sicht
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Es sei daher nun an der Zeit, so ÖGB und AK,
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„… die Hauptprofiteure der riesigen Finanz- und Unternehmensgewinne vor der Krise, aber auch der Konjunktur- und Bankenpakete in der Krise substanziell an der Sanierung des Staatshaushaltes zu beteiligen.“
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Die Budgetkonsolidierung müsse daher
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- Wirkung auf Wachstum, Beschäftigung und Verteilung berücksichtigen
- Spielräume für Beschäftigung und Offensivmaßnahmen (Zukunftsinvestitionen) und für Verbesserungen des Sozialstaats eröffnen
- konjunkturdämpfendes Sparen bei Staatsausgaben und öffentlichem wie privatem Konsum verhindernden – ohne deswegen sinnvolle Verwaltungsreformprojekte in Frage zu stellen
- schwerpunktmäßig auf die Besteuerung von Vermögen setzen, da die Besteuerung von Vermögen „die geringsten Auswirkungen auf Nachfrage und damit auf Beschäftigung und Wachstum“ hätten,
- ohne Erhöhung von Massensteuern (auch ohne „undifferenzierte Erhöhung“ der Mineralölsteuererhöhung zu Konsolidierungszwecken) erfolgen
- und ohne Einmaleffekte durch Privatisierungen
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Als weitere Grundsätze einer „sozial gerechten“ Budgetkonsolidierung fordern AK und ÖGB,
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- dass die Kosten der Konsolidierung nicht den ArbeitnehmerInnen, „die keine Schuld an der Finanzkrise tragen“ aufgebürdet bekommen dürften.
- dass im Sinne des verfassungsmäßig verankerten ‚Gender Budgetings‘ jede Konsolidierungsmaßnahme insbesondere hinsichtlich ihres Gender Impacts zu analysieren seien und auch im in Zeiten der Konsolidierung öffentliche Haushalte Maßnahmen setzen müssten, welche die soziale und ökonomische Gleichstellung von Frauen stärken.
- dass „das zu erwartende Konsolidierungsvolumen von etwa 9 Mrd. Euro“ abgebaut werden müsse, ohne die Mittelschicht zu belasten
- dass Steuerbetrug, -hinterziehung, -flucht und Lohndumping konsequent und wirkungsvoll bekämpft werden müssten.
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Entsprechend verwehren sich ÖGB und AK gegen „… Einschnitte in die Sozialbudgets“, vielmehr sein „strukturelle Weiterentwicklungen notwendig, die – trotz aller Konsolidierungs- bemühungen der öffentlichen Budgets – den sozialen Zusammenhalt keineswegs gefährden dürfen.“ Der Sozialstaat bedarf nicht nur „ … keiner ökonomischen Rechtfertigung“, da sich seine Erfolge an Kriterien „… wie der Herstellung von Gerechtigkeit, Chancengleichheit oder sozialer Zusammenhalt messen würden,“ sondern könne „durch gezielte Investitionen“ zusätzlich „strukturelle Probleme“ lösen, Arbeitsplätze schaffen und „letztendlich durch höheres Wirtschaftswachstum und steigende Einkommenschancen“ einen „nachhaltigen Beitrag zur Budgetkonsolidierung und Sozialstaatsfinanzierung“ leisten.
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ÖGB/AK Vorschläge
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Das seitens der Bundesregierung im Zuge der Schuldenbremse vorgegebene Sparvolumen stellen ÖGB und AK nicht infrage, allerdings die Art uns Weise, wie dieses aufgebracht werden soll: hier setzen die ArbeitnehmerInnenorganisationen vor allem auf „mehr Steuergerechtigkeit“, auf höhere Unternehmenssteuern und vermögensbezogene Steuern ebenso wie auf eine Anhebung des Spitzensteuersatzes von 50 auf 55 % ab einem Einkommen das jenes „des Bundeskanzlers“ übersteigt. Eingeschränkt soll auch die staatliche Prämie für die Pensionsvorsorge, die Pauschalierung für die Landwirtschaft sowie die steuerliche Absetzbarkeit von Managergehältern ab 500.000 Euro werden. Der „Österreichanteil“ einer Finanztransaktionssteuer nach dem „Schulmeister-Modell“ soll – je nach Ausgestaltung – zwischen 0,5 und 1,5 Mrd. Euro ins Budget spülen. In Summe erhoffen sich Gewerkschaften rund 4,5 Mrd. Euro an zusätzlichen Steuereinnahmen zu Konsolidierungszwecken.
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Ausgabeseitig (bzw. Streichung von Steuerprivilegien und Subventionen) erwarten sich ÖGB und AK Einsparungseffekte aus der Abschaffung der Mineralölsteuerrückvergütung für landwirtschaftliche Fahrzeuge (100 Mio. Euro), aus Maßnahmen zur Verwaltungsreform („Kompetenzreform“, 150 Mio. Euro), aus der Reduktion der Wirtschaftsförderung (100 Mio. Euro), aus einer „Evaluierung“ von ÖBB-Infrastrukturprojekten und – als größter Brocken – aus einer Fortführung des Konsolidierungskurses der Krankenversicherungsträger und ähnlicher Kostendämpfungsprogramme in Spitälern“. Hier werden bis 2017 Einsparungen von 900 Mio. Euro veranschlagt. Hohes Einsparungspotential – nämlich von 1 Mrd. Euro bis 2017 – erhoffen sich ÖGB und AK aus den Sozialpartnerbeschlüssen im Rahmen des „Bad Ischler Dialogs“ zu einer Anhebung des faktischen Pensionsalters um zwei Jahre im Rahmen der nächsten 10 Jahre.
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So weit einmal zu den AK/ÖGB-Vorschlägen, die jedenfalls einmal eines erreicht haben – eine organisatorisch wie auch inhaltlich gelungene Veranstaltung, die einiges an öffenlichem Aufsehen erregt hat, eine – teilweise sehr emotional geführte – innergewerkschaftliche Diskussion des Entwurfs. Alleine das Vorliegen eines Diskussionsentwurfs ist schon erfreulich – in Zeiten, wo andere Interessensvertreter bestenfalls davon sprechen einfach überall 5 % zu kürzen und damit alle budgetären Probleme aus der Welt zu schaffen. In diesem Sinne kann der ÖGB/AK-Gipfel als Erfolg und durchaus gelungen bezeichnet werden. Und wie sieht es mit dem „Positionspapier“ selbst aus?
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Links:
ÖGB/AK Positionspapier zu Budgetkonsolidierung (Kurz- und Langfassung) auf der Homepage des ÖGB
Presseaussendung Referat Klaus Busch
Presseaussendung Referat Markus Marterbauer
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