Familienbonus: Steuerentlastung für die „wirklichen“ SteuerzahlerInnen?
9. Januar 2018 von adminalternative
Im nächsten Ministerrat will die Bundesregierung den Familienbonus beschließen. Bis zu 1.500 Euro je Kind sollen künftig von der Lohnsteuer abgesetzt werden können, die Lohnsteuerleistung also um diesen Betrag reduzieren. Wer keine Lohn- bzw. Einkommenssteuer zahlt, hat allerdings nichts davon. Weil der Familienbonus nicht als Negativsteuer ausgestaltet ist. Das trifft vor allem Teilzeitbeschäftigte und NiedrigverdienerInnen, in der Masse Frauen.
Argumentiert wird das immer wieder damit, dass es sich um eine Maßnahme zur Entlastung jener Menschen handeln soll, die Einkommensteuer zahlen. Wer keine Einkommensteuer zahlt kann entsprechend nicht entlastet werden. Der/die hat es auch nicht notwendig, sie zahlt ja nicht. Eigentlich logisch, oder?
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Mythos Steuerbelastung
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Nein. Weil diese Argumentation ist nur dann haltbar, wenn nicht die gesamte Steuer- und Abgabenbelastung betrachtet wird. Geht der Fokus weg von der Einkommensteuer, ergibt sich nämlich ein vollkommen anderes Bild, als uns FPÖ und ÖVP so gerne vermitteln wollen. Die relative Steuer- und Abgabenbelastung – also Steuern und Abgaben im Verhältnis zum jeweiligen Haushaltseinkommen – fällt bei den „unteren“, einkommensschwachen Haushalten nicht wesentlich niedriger auch, als bei den „oberen“, einkommensstarken.
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Das unterer Einkommensdrittel (Erwerbstätigenhaushalte) zahlt rund 43 Prozent Steuern- und Abgaben, das mittlere und obere Haushaltsdrittel nur knapp darüber, nämlich 46 Prozent! Warum?
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- Untere Einkommensgruppen sind verhältnismäßig stärker von indirekten (Verbrauchs-)Steuern belastet als obere, weil sie mehr ihres Einkommens für Lebensmittel, Wohnen, Konsum etc. ausgeben müssen und eine niedrigere Sparquote haben. Daher zahlen sie zum Einkommen verhältnismäßig höhere Verbrauchssteuern. Gleichzeitig zahlen sie verhältnismäßig höhere Sozialabgaben.
- Obere Einkommensgruppen geben verhältnismäßig zu ihrem Einkommen weniger für Miete, Lebensmittel etc. aus, sie zahlen daher verhältnismäßig weniger indirekte Verbrauchssteuern. Die Höchstbeitragsgrundlage in der Sozialversicherung lässt gleichzeitig ab einem Einkommen von aktuell 5.130 Euro die Sozialversicherungsbeiträge relativ sinken. Diese Effekte machen die höhere Einkommensteuerbelastung tatsächlich weitgehend wett.
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Das WIFO stellt in seinen Studien zur Umverteilungswirkung staatlicher Tätigkeiten regelmäßig fest, dass in Österreich das Steuer- und Abgabensystem kaum eine umverteilende Wirkung hat und beinahe ausschließlich über die Ausgabenseite – über sozialstaatliche Leistungen – umverteilt wird, wie auch die dem Beitrag angehängte Grafik schön veranschaulicht (Aus dem Beitrag von Silvia Rochis-Akis „Umverteilung durch den Staat in Österreich“, eine Zusammenfassung der WIFO-Verteilungsstudie auf dem A & W Blog).
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Wenn schon ein Familienbonus eingeführt wird – viel sinnvoller wäre ohnehin, das Geld für den Ausbau ganztägiger, bedarfsgerechter und flächendeckender Kinder-Betreuungs- und Bildungseinrichtungen einzusetzen – dann müsste dieser vor diesem Hintergrund jedenfalls mit Negativsteuerwirkung ausgestattet sein, damit auch untere Einkommensgruppen, die eine ähnlich hohe Steuer- und Abgabenbelastung wie obere Einkommensgruppen haben, ebenfalls eine entsprechende Entlastung bekommen.
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Wenn schon, dann mit Negativsteuerwirkung …
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Das wäre nicht nur fair, eine derartige Steuergutschrift käme vor allem auch Bevölkerungsgruppen zugute – insbesondere auch Frauen – die tatsächlich jeden Euro brauchen können und deren Lebensverhältnisse oft genug von Prekarität und Armutsgefährdung geprägt sind. Diese Entlastung wäre nicht nur ein Steuergeschenk, sondern würde einen starken Einkommenszuwachs für untere Einkommensgruppen darstellen, der unmittelbar nachfragewirksam würde. und wirtschaftspolitisch jedenfalls sinnvoller, als die Entlastung oberer Einkommensgruppen. Die Entlastung in diesen Gruppen würde vermutlich vor allem die Sparquote erhöhen.
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… aber besser angelegt in Bildungs- und Betreuungseinrichtungen
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Noch sinnvoller wäre allerdings – wie bereits erwähnt – die 1,5 Mrd. Euro, die der Familienbonus kostet, in Betreuungs- und Bildungsinfrastruktur zu investieren, um insbesondere Frauen zu ermöglichen, höhere Teilzeit oder Vollzeit arbeiten zu können. Das wäre tatsächlich ein Beitrag zu mehr Verteilungs- und Einkommensgerechtigkeit, zu mehr finanzieller Eigenständigkeit und Unabhängigkeit und vor allem auch zu einer besseren sozialen Absicherung im Fall von Arbeitslosigkeit und im Alter. Und würde zusätzlich den gesellschaftlichen Wohlstand erhöhen.