Budgetkonsolidierung: And the winner is … (Teil 2 – Die Ausgabenseite)

Was die Einsparungen im Ausgabenbereich betrifft, sollen hier vor allem jene Bereich herausgehoben werden, die bislang – noch – nicht im Zentrum medialer Berichterstattung gestanden sind, aber hinsichtlich ihrer Auswirkungen auf ArbeitnehmerInnen/Arbeitslose, auf die kritische Wissenschaft, auf NGO/NPO bzw. auf die verteilungspolitische Situation, bildungspolitische oder soziale Lage relevant sind. Dass die Streichung der Familienbeihilfe für Über-24-Jährige StudentInnen oder arbeitssuchende Jugendliche nicht hinnehmbare soziale Härten darstellen, muss wohl nicht extra erwähnt werden (Presseaussendung der UG dazu). Es hat allerdings bislang bei allen geschnürten Sparpaketen System gehabt, dass es insbesondere bei StudentInnen und Jugendlichen tiefe Einschnitte gegeben hat. Das ist nicht nur hinsichtlich der sozialen Auswirkungen auf Jugendliche und ihre Familien schlichtweg unzumutbar, sondern auch hinsichtlich ihrer Symbolik: Problem- und Lebenslagen von Jugendlichen und StudentInnen – in Sonntagsreden stets als „Zukunft“ des Landes bezeichnet – für werden in der real existierenden Politik schlichtweg ignoriert oder zynisch abgehandelt. Wer mit Zukunft so umgeht, setzt diese entscheidend aufs Spiel. Darüber können auch die Ausgaben für Offensivmaßnahmen in den Bereichen Schulen und Universitäten hinwegtäuschen.

Doch kommen wir zu ein paar Highlights:

  • Im Bereich des Unterrichts- und Kulturressorts sollen bis 2014 in Summe 415 Millionen Euro eingespart werden. Und zwar trotz bereits gegengerechneter „Offensivmaßnahmen“ – laut Bundesregierung gedacht für ganztägige Betreuung bzw. Bildung – von 80 Millionen Euro jährlich! Alleine 2011 müssen 31,9 Millionen Euro eingespart werden, 2014 bereits 154 Mio. Euro. Besonders bedenklich erscheinen dabei die Einsparungen im Bereich „Nachholen von Bildungsabschlüssen“ – also etwa für ArbeitnehmerInnen die keinen Hauptschulabschluss bzw. keine Berufsreifeprüfung haben: hier sollen etwa allein 2011 14,4 Mio. Euro, bis 2014 rund 30 Millionen Euro! eingespart werden! Angesichts des hohen Armutsgefährdungspotentials sowie hoher Arbeitslosenraten bei niedrigqualifizierten ArbeitnehmerInnen ist gerade diese Maßnahme sozial- wie beschäftigungspolitisch besonders problematisch. Wie wichtig den Regierenden barrierefreie Zugänge zu Schulen etc. sind, kommt bei den Einsparungen von notwendigen Bauinvestitionen entsprechend dem Behindertengleichstellungsgesetz zum Ausdruck: hier werden bis 2014 85,7 Mio. Euro eingespart. Unter dem Titel „Redimensionierung Schulentwicklungsprogramm“ – was ebenfalls Einsparungen bei Bauvorhaben bedeutet – sind bis 2014 Einsparungen von 130 Mio. Euro geplant. Ethikunterricht wird es auch künftig keinen geben. Auch da wird gespart. Nämlich 57 Mio. Euro bis 2014.
  • Ein Ausbau der Fachhochschulen wurde mangels Budget ja bereits im Vorfeld der Konsolidierungsmaßnahmen abgesagt. Im Bereich der Universitäten ist an die Offensivmaßnahme von 80 Mio. Euro/Jahr an zusätzlichem Geld für die Unis – ohnehin viel zu wenig – die Einführung von Studieneingangsphasen in einzelnen Studienrichtungen geknüpft. Diese Form der „Wissensselektion“ bedeutet allerdings in Wirklichkeit „soziale Selektion“: abgesehen davon, dass gerade (angehende) StudentInnen aus ärmeren Bevölkerungsschichten in der Regel einem Sommerjob nachgehen müssen und nur wenig Zeit haben, sich auf Einführungsprüfungen vorzubereiten, ist in Ländern mit ähnlichen Selektionsmechanismen – etwa Brasilien – ein regelrechter Markt zur Vorbereitung auf Studieneingangsprüfungen bzw. -phasen entstanden. Der vermeintlichen „Wissensselektion“ kann somit am besten aus dem Weg gegangen werden, wenn entsprechendes Wissen zugekauft werden kann – was eine soziale Frage ist, eine Frage, wer über entsprechendes Einkommen und Zeit verfügt. Damit wird die Bewältigung einer Studieneingangsphase zur sozialen Hürde, was bislang in der Diskussion noch zu wenig beleuchtet worden ist. Übrigens: Aufgrund vorgegebener Sparmaßnahmen im Wissenschaftsressort (u.a. Kündigung der Sozialversicherung für Studierende – Wegfall des begünstigten Tarifs im Umfang von 32 Mio. Euro bis 2014) reduziert sich das Budgetplus im Wissenschaftsbudget auf 30,6 Millionen Euro.

  • Ebenfalls bislang zu wenig Beachtung finden die veranschlagten Subventionsstreichungen für außeruniversitäre Forschung wie etwa FORBA oder ZSI, zwei sozialwissenschaftliche Forschungsinstitute die wertvolle wissenschaftliche Forschung zu Entwicklungen in der Arbeitswelt gerade auch für ArbeitnehmerInnen und Interessensvertretungen der ArbeitnehmerInnen leisten. Für das Jahr 2011 sind Kürzungen der Basissubventionen im Umfang von 4 Mio. Euro geplant, dann jährlich von 8 Mio. Bis 2014 sollen so rund 28 Mio. Euro an Förderungen für außeruniversitäre Forschung gestrichen werden! Betroffen sind 70 Institute mit rund 500 Beschäftigten. Es findet schlichtweg ein Kahlschlag im Bereich sozial-, kultur- und geisteswissenschaftlicher, außeruniversitärer Forschung mit insgesamt über 2.300 Beschäftigten statt – in Forschungsbereichen, die für ArbeitnehmerInnen wichtige Erkenntnisse erbringt! Gestrichen werden nicht nur Basissubventionen. Gespart wird auch bei Förderungen – 12,2 Mio. Euro von 2011 bis 2014 und Forschungsprojekten – gleich noch einmal 10,7 Mio. Während da bei Forschung gespart wird – vor allem, wenn sie sozialwissenschaftlicher Natur ist – wird da die Forschungsförderung um 100 Millionen Euro jährlich erhöht – aus Steuermitteln geförderte private Forschung die vor allem großen Unternehmen und Konzernen zugute kommt! (Siehe Kommentar in BLOG Belvederegasse, Presseaussendung der AUGE/UG)

  • Besonders skandalös ist die massive Kürzung bei der Entwicklungszusammenarbeit: bis 2014 ist eine Kürzung von gesamt 83 Mio. Euro vorgesehen, was insbesondere auch im Bereich der EZA tätige NGO und NPO massiv unter finanziellen Druck bringt. Alleine 2011 sind Kürzungen um 9,4 Mio. geplant, 2014 drohen Kürzungen von 33,4 Mio. Die Kürzungen im Bereich der EZA brachten Österreich auch heftige Kritik seitens der OECD ein, kürzt doch kein vergleichbarer Industriestaat so heftig wie Österreich. Wie alle anderen EU-Länder hat sich Österreich verpflichtet, ab 2010 0,51 % des BIP für Entwicklungshilfe auszugeben. Während das ungleich „ärmere“ und krisengeschüttelte Spanien an diese Marke herankommt, schafft das ungleich „reichere“ und stabilere Österreich nur 0,3 %. Eine Schande.
  • Härter drohen auch die Zeiten für sozialwirtschaftliche Einrichtungen im Bereich der Arbeitsmarktpolitik und der Behindertenarbeit zu werden. Im Bereich der aktiven Arbeitsmarktpolitik – aus diesem Bereich werden u.a. sozial-ökonomische Betriebe, arbeitsmarktnahe Frauen- bzw. Mädchenberatungs- und -bildungseinrichtungen etc. finanziert – sind 2011 Budgetkürzungen von 36,4 Mio. Euro geplant, bis 2014 insgesamt 319,4 Mio Euro! Dabei wurden vielen dieser wichtigen Einrichtungen bereits in den letzen Jahren die Budgetmittel derart gekürzt bzw. die arbeitsmarktpolitischen Vorgaben derart gestaltet, dass begleitende, kontinuierliche soziale Arbeit mit den Betroffenengruppen kaum mehr möglich war bzw. ist. Zwar scheint es, dass durch die „Integration“ sozial-ökonomische Projekte in die passive Arbeitsmarktpolitik diese drohenden Leistungskürzungen ausgeglichen werden – die Entwicklungen der letzten Jahre und die notorische Unterfinanzierung von zahlreichen u.a. auch Frauenprojekten wird dadurch allerdings nicht behoben. (überhaupt ist der Arbeitsmarktbereich hinsichtlich Einsparungsvorhaben und -maßnahmen etc. schwer zu bewerten). Unter dem Titel „Effizienzsteigerungen bei Behindertenprojekten“ sind für 2012 Sparmaßnahmen – sprich Mittelkürzungen für in diesem Bereich tätige Vereine – von 20 Mio. Euro veranschlagt. Im Bereich des Pflegegeldes wird der Zugang zu den Pflegegeldstufen 1 und 2 erschwert (Stufe 1: monatlicher Pflegebedarf künftig monatlich 60 statt 50 Stunden, Stufe 2: monatlicher Pflegebedarf von mehr als 85 – bisher 75 – Stunden). Die Ersparnis aus diesen Maßnahmen soll von bis 2014 in Summe 142 Mio. Euro betragen. Im Gegensatz dazu peilt die Bundesregierung allerdings die Einrichtung eines Pflegefonds an und ist dzt. dahingehend mit den Bundesländern in Verhandlungen. So sollen anteilige Steuereinnahmen der Länder zumindest teilweise für Pflege gewidmet werden (die Bundesländer wollen davon allerdings nichts wissen) und für die Landespflegegelder künftig der Bund zuständig zeichnen. An sich erscheint die Umlenkung von Pflegeleistungen von Geld- zu Sachleistungen sinnvoll, wenn diese nicht „von oben diktiert“ gestaltet sind. Allerdings handelt es sich um Sparmaßnahmen beim Pflegegeld und nicht um Umwidmungen, und es ist keineswegs gesichert, dass sich der Bund gegenüber den Ländern durchsetzen wird! Es gehen der Pflege also insgesamt bis 2014 142 Mio. Euro verloren. Und das ist viel. Von einer Sozialmilliarde – von einem Investitionspaket in soziale Dienste – ist im Budget nichts zu finden. Vielmehr vom Gegenteil.
  • Neben den Einsparungen bei den Familienleistungen im Umfang von 1.334 Mio. Euro von 2011 bis 2014 kommt der höchste Konsolidierungsbeitrag von den Pensionen – mit 1.483 Mio. Euro über die nächsten vier Jahre. Sparmaßnahmen die hier gesetzt werden sind etwa die Aliquotierung von Sonderzahlungen, das Aussetzen von Pensionsanpassungen im Jahr des Pensionsantritts, eine geringere Pensionserhöhung im Jahr 2011 mit Auswirkungen bis ins Jahr 2014, sowie die Erhöhungen der Antrittsalter im Rahmen der Langzeitversicherten- vulgo „Hackler-“ – Regelung am 2014. Teurer wird künftig auch das Nachkaufen von Versicherungszeiten: kostet ein Schulmonat bislang Euro 312,34, ein Studienmonat Euro 624,72, so wird der Preis für Schul- und Studiumzeiten auf je 937,08 Euro vereinheitlicht. Nicht angegangen wurde im Pensionsbereich dagegen die steuerliche Förderung der privaten Pensionsvorsorge. Hier gäbe es tatsächlich gewaltiges Einsparungspotential: mit bis zu 650 Millionen Euro jährlich wird die 2. und 3. Säule – die kapitalgedeckte, in Finanzprodukten angelegte private und betriebliche Pensionsvorsorge – steuerlich gefördert. Und das soll anscheinend auch so bleiben. Damit milliardenschwere Pensionsfonds auch weiterhin auf der Jagd nach den höchsten Krediten, Finanzmärkte und Wirtschaftssysteme destabilisieren und in Krisen stürzen können. Aus der Krise gelernt? Aber woher!

Zukunftsbudgets sehen anders aus!

Ach ja, übrigens: von 2011 bis 2014 werden Wirtschaftsförderungen um ganze 20,2 Millionen Euro gekürzt. Nur um gewisse Relationen herzustellen.

Freuen dürfen sich wie bereits erwähnt, die Reichen, die Vermögenden, die Verursacher der Krise. Sie gewinnen ein weiteres mal. Zuerst wurden ihre Vermögen durch Steuergelder der Anderen gerettet. Eine für die Gesellschaft teure Angelegenheit. Die geretteten Vermögen und ihre BesitzerInnen durften sich allerdings um weitere Vermögenszuwächse freuen. Die Rettung hat geklappt. Ihr Beitrag zur Sanierung der durch sie entstandenen Kosten? Marginalst. Von einer grundlegenden Reform des Steuersystems, das sich an den Prinzipien der Leistungsfähigkeit, der Verteilungsgerechtigkeit, der Verantwortlichkeit („Verursacherprinzip“) der ökologischen, sozialen und wirtschaftlichen Nachhaltigkeit orientiert, sind wir nach wie vor meilenweit entfernt.

Umverteilung findet in Österreich vor allem über die Ausgabenseite statt. Das Steuersystem in Österreich wirkt hinsichtlich seiner Verteilungswirkung bestenfalls proportional, wenn nicht sogar regressiv (z.B. Sozialversicherungsbeiträge). Umverteilt wird in Österreich über soziale Transfers, und öffentliche Leistungen (Z.B. Schulen, Gesundheitssystem). Diese Umverteilung kommt einkommensschwachen Gruppe ebenso zugute wie der viel beschworenen Mittelschicht. Selbst der Oberschicht macht sie das Leben angenehmer. Wenn bei öffentlichen Ausgaben – von sozialen Transfers bis zu Schulen, Pflege, sozialen Diensten etc. – gespart wird, trifft das vor allem untere und mittlere Einkommensschichten, die breite Masse der Bevölkerung.

Investitionen in Pflege und Gesundheit, in Soziale Dienste, in Kinderbetreuungs/-bildungseinrichtungen, in Schulen, in Universitäten und Fachhochschulen, Nachmittagsbetreuung, Schulsozialarbeit, in Jugendarbeit, in Klimaschutz, in den ökologischen Umbau unseres Industriesystems und, und, und … ? Zurück gestellt, ungewiss oder gar nicht geplant. Zukunft schaut anders aus. Budgets die gesellschaftlichen Herausforderungen der Gegenwart und Zukunft tatsächlich erfolgreich begegnen können, auch.

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