Atypische Beschäftigung und Niedriglöhne: neuere Zahlen, Daten, Fakten

Im Rahmen eines vor nicht allzu langer Zeit erschienenen Artikels in den „Statistischen Nachrichten 6/2010“ analysieren die AutorInnen Käthe Knittler und Tamara Geisberger den Zusammenhang zwischen atypischer Beschäftigung und Niedriglöhnen, bzw. ob es so einen gibt (Titel: „Niedriglöhne und atypische Beschäftigung in Österreich“). Dabei wurden als „atypische“ Beschäftigungsformen Teilzeitarbeit, befristete Beschäftigungsverhältnisse, Leih- und Zeitarbeit, sowie geringfügige Beschäftigungsverhältnisse genauer betrachtet.

Aufgrund des verwendeten Datenmaterials bzw. der Erhebungsmethode (Mikrozensus, geringfügig Beschäftigte sind hier keine gesondert erfasste Kategorie, daher wird eine regelmäßig geleistete Wochenstundenanzahl von bis zu zwölf Stunden als Abgrenzung zum Teilzeitbeschäftigungsverhältnis – dieses besteht jedenfalls bei einer Wochenstundenzahl kleiner als 30 Wochenstunden – herangezogen) muss allerdings berücksichtigt werden, dass sich bei den geringfügigen Beschäftigungsverhältnissen eine Unterschätzung bzw. Untererfassung ergibt.

Atypische Beschäftigung in Österreich

Kommen wir zu den Zahlen. Insgesamt waren 2009 rund 1 Mio. Personen (29,6 % aller unselbständig Erwerbstätigen) atypisch beschäftigt:

  • 886.000 unselbständig Erwerbstätige arbeiteten Teilzeit (ca. 134.000 Männern, 732.000 Frauen).
  • Davon 156.800 Personen bis 12 Stunden beschäftigt (Mikrozensus, 37.700 Männer, 119.100 Frauen). Der Hauptverband der Sozialversicherungsträger hat dagegen für 2009 287. 977 geringfügig Beschäftigte erhoben, davon 189.578 Frauen und 98.399 Männer (siehe oben erwähnten Datenerhebungsproblem).
  • 188.000 ArbeitnehmerInnen hatten ein befristetes Beschäftigungsverhältnis (88.300 Männer, 99.700 Frauen).
  • 65.000 Unselbständige arbeiteten als Leih- bzw. ZeiarbeitnehmerInnen (43.800 Männer, 21.100 Frauen).
  • Als Freie DienstnehmerInnen waren 53.600 Menschen (23.800 Männer, 29.800 Frauen) beschäftigt.
Hoher Frauenanteil

Auffallend ist der hohe Frauenanteil in allen atypischen Beschäftigungsverhältnissen (Ausnahme Leih- und Zeitarbeit). Betrachtet frau/mann den Zeitraum von 2004 bis 2009, so weisen alle atypischen Beschäftigungsverhältnisse ein stärkeres Wachstum auf als die unselbständige Beschäftigung insgesamt. Bis 2008 weisen Leih- und Zeitarbeit (+ 46 %) sowie die freien Dienstverträge (+ 31 %) das stärkste Wachstum auf, die unselbständige Arbeit bis 12 Stunden und Teilzeit nahmen um 29 bzw. 21 % ebenfalls deutlich stärker zu als die unselbständige Beschäftigung insgesamt (+ 8 %). Nach Geschlecht waren mit rund 48 % fast jede zweite unselbständig beschäftigte Frau in einem atypischen Erwerbsverhältnis, während 18 % der Männer atypisch beschäftigt waren.

Entwicklung atypische Beschäftigung und Normalarbeitsverhältnis

Von 2004 bis 2009 nahm der Anteil der unselbständig atypisch Erwerbstätigen von 26,1 auf 29,6 % zu (Männer: von 10,9 auf 13,1 %, Frauen: von 43,8 auf 47,6 %). Während der Zuwachs bei den Frauen über die Jahre hinweg kontinuierlich verlief, konzentrierte er sich bei den Männern auf die „Krisenjahre“ 2008 und 2009.

Wie bereits erwähnt, nahm die unselbständige Beschäftigung insgesamt um 8 % zu. Während Normalarbeitsverhältnisse allerdings um lediglich 3 % wuchsen, stieg atypische Beschäftigung gleich um 22 %! Von 2008 bis 2009 gingen die Normalarbeitsverhältnisse sogar um 1,6 % bzw. um 41.000 Beschäftigungsverhältnisse zurück, während atypische Beschäftigung um 4,5 % bzw. 45.000 – überwiegend Teilzeit – Jobs wuchs.

Atypische Beschäftigung wächst unverhältnismäßig schneller als Normalarbeitsverhältnisse. Beschäftigungszuwächse sind überwiegend auf Atypisierung zurückzuführen. Atypische Beschäftigungsverhältnisse sind arbeits- wie sozialrechtlich nicht so gut abgesichert wie Normalarbeitsverhältnisse und tendenziell armutsgefährdend. Weil Atypisierung auch in einem Zusammenhang mit der Ausbreitung des Niedriglohnbereichs zusammenhängt.

Niedriglohnbeschäftigung/branchen in Österreich

Generell kann nämlich festgehalten werden, dass atypisch Beschäftigte häufiger von Niedriglohnbeschäftigung betroffen sind als jene mit einem Normalarbeitsverhältnis. Doch definieren wir zuerst einmal, was überhaupt ein Niedriglohnverhältnis ist.

Die Niedriglohnschwelle wird sowohl in internationalen als auch einschlägigen Studien häufig bei zwei Drittel des Medianeinkommens – also jener Wert, unter bzw. über dem die Einkommen von je der Hälfte der Beschäftigten liegen – angesetzt. Gemessen an den Jahreseinkommen von Vollzeitbeschäftigten liegt die Niedriglohngrenze bei

  • Euro 20.564 brutto/Jahr bzw.
  • Euro 1.325 brutto/Monat, 14 x
  • oder bei einem Stundenlohn von Euro 7,65.

In Österreich waren 14,7 % der unselbständig Beschäftigten in Unternehmen mit zehn und mehr Beschäftigten im Produktions- und Dienstleistungssektor zu Niedriglöhnen beschäftigt, in der gesamten EU 17,2 %. Der Anteil an Niedriglohnbeschäftigten ist dabei im Beherbergungs- und Gaststättenwesen (54,8 %!), im Handel (21,5 %), im Realitätenwesen (21.0 %) sowie im Bereich der Erbringung öffentlicher und persönlicher Dienstleistungen (20,8 %) besonders hoch.

Niedrigelohnbeschäftigung hat ein Geschlecht

Nach Geschlecht differenziert, zählt fast ein Viertel der Frauen zu den Niedrigverdienerinnen. Der Frauenanteil ist mit 24,2 % dabei mehr als dreimal so hoch wie jener der Männer mit 7,4 %. Insgesamt lag der Frauenanteil unter den Niedriglohnbeschäftigten bei 68,3 %, jener der Männer bei 31,7 %.

Alter, Bildungsgrad und Einkommenshöhe

Neben Frauen bezogen vor allem jüngere Beschäftigte, Personen mit höchstens Pflichtschulabschluss sowie Beschäftigte im Dienstleistungsbranchen überdurchschnittlich oft Niedriglöhne.

In der Altersgruppe der 15- bis 19-Jährigen betrug der Anteil der Niedriglohnbeschäftigten (ohne Lehrlinge) 54,6 % (20- bis 29- Jährige: 20 %, Über-30-Jährige: 11 %). Interessant ist hier die Differenzierung nach Geschlecht: während 36,5 % der Männer zwischen 15 und 19 Niedriglöhne bezogen, waren es bei den Frauen 68,8 % (20-29 Jahre: Männer 12,6 %, Frauen 30,7 %, 30-59: Männer 5 %, Frauen 30 %, 60 und darüber: Männer 12,4 %, Frauen 31,2 %).
Unter den Beschäftigten mit höchstens Pflichtschulabschluss verdienten 29,4 % Niedriglöhne. Bei Beschäftigten mit Lehrabschluss lag der Anteil der NiedriglohnbezieherInnen bei 11,9 %, bei AbsolventInnen einer Uni oder Fachhochschule bei lediglich 2,9 %. Mit höherem Bildungsniveau sinkt der Anteil an Beschäftigten im Niedriglohnsektor.

Beschäftige zwischen 20 und 29 Jahren waren mit 33 % die größte Gruppe unter den NiedriglohnbezieherInnen jene der 15- bis 19-Jährigen bei 8,3 %). Der Anteil der Unter-30-Jährigen im Niedriglohnbereich lag damit bei insgesamt 41,3 %!

Überproportional mit 40,4 % waren Beschäftigte mit maximal Pflichtschulabschluss im Niedriglohnbereich vertreten, 36,5 % mit Lehrabschluss, rund 10 % mit BMS-Abschluss und 5 % mit AHS- bzw. BHS-Abschluss (Universitäts- bzw. FH-Abschluss: 3 %).

Entwicklung der Niedriglohnbeschäftigung und „working poor“

Lag der Anteil der Beschäftigten im Niedriglohnbereich im Jahr 2002 noch bei 13,3 %, ist dieser bis 2006 geringfügig um ein Prozent gestiegen. Der Anstieg betraf – mit Ausnahme der Sachgütererzeugung – alle beobachteten Wirtschaftsbereich, die höchste Steigerung erfolgte mit 2,5 % im Beherbergungs- und Gaststättenwesen. Die Zunahme der Niedriglohnbeschäftigten betraf dabei vor allem befristet und geringfügig Beschäftigte.

Dass „Armut trotz Arbeit“ steigt ergeben auch veröffentlichte Zahlen der AK Oberösterreich im Rahmen des Arbeitsklimaindex:

  • die Zahl der „working poor“, also die Zahl der ArbeitnehmerInnen, deren Einkommen nicht mehr zur finanziellen Bewältigung des Alltags reicht, ist seit dem Jahr 2000 von 256.000 aus 2008 350.000 Personen, bzw. von 8 % auf 10 % der Beschäftigten gestiegen.
  • Im gleichen Zeitraum ist der Anteil jener, die sagen, sie könnten von ihrem Einkommen gut leben, von 55 auf 50 % gefallen.
  • Für 12 % der Frauen, aber nur 7 % der Männer reicht das Einkommen nicht mehr zur Deckung der Lebensbedürfnisse aus. 42 % der Frauen sagen, sie kämen mit ihrem Lohn nur knapp aus.
  • Die größte Armutsgefahr besteht bei ArbeiterInnen (15 %), freien DienstnehmerInnen (12 %) und Beschäftigten mit Migrationshintergrund (15 %).

(Zusammenhang zwischen Teilzeitarbeit, Jahresarbeitszeit und Niedriglöhnen siehe BLOG-Arbeit fair teilen)

Fazit der AutorInnen:

Die vorliegenden Ergebnisse zeigen, dass bestimmte Gruppen wie atypisch Beschäftigte, Frauen, jüngere Beschäftigte, gering Qualifizierte oder Beschäftigte im Handel und anderen Dienstleistungsbereichen eine höhere Wahrscheinlichkeit haben von Niedriglohnbeschäftigung betroffen zu sein.

Unter den atypischen Beschäftigungsformen war der Anteil der Niedriglohnbeschäftigten
vor allem bei geringfügig Beschäftigten, aber auch befristet Beschäftigten und Teilzeitkräften überdurchschnittlich hoch. Bei Leih- und Zeitarbeitskräften waren demgegenüber
deutlich geringere Anteile zu verzeichnen.

Bei Frauen ist Niedriglohnbeschäftigung nicht nur ein häufiges, sondern auch ein vom Alter weitgehend unabhängiges Phänomen. Während bei Männern der Anteil der Niedriglohnbeschäftigung in den mittleren Altersgruppen stark zurückging, blieb der Anteil bei den Frauen in den Altersgruppen zwischen 30 und 59 Jahren mit rund 20% auf relativ hohem Niveau bestehen. Die Ursachen dafür sind zu einem Teil im höheren Anteil atypisch beschäftigter Frauen zu finden. Auf der anderen Seite sind Frauen aufgrund der insgesamt niedrigeren Verdienste in allen untersuchen Beschäftigungskategorien – also auch mit einem Normalarbeitsverhältnis – stärker von Niedriglohnbeschäftigung betroffen als Männer.

Der ganze Artikel kann hier nachgelesen werden.

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