Der Pflegefonds kommt – die Finanzierungslücke bleibt

Seit gestern ist es fix. Bund, Länder und Gemeinden haben sich auf die Einrichtung und Dotierung eines Pflegefonds geeinigt. Bis 2014 soll dieser mit 685 Mio. Euro dotiert sein, zu zwei Drittel vom Bund, zu einem Drittel von Länder und Gemeinden finanziert.

Gleichzeitig wurde vereinbart, dass bis 2012 Gesetzgebung und Vollziehung des Landespflegegeldes Bundessache sein wird. Derzeit ist das Pflegegeldsystem ja bekannterweise sehr zersplittert, so splittert sich etwa das Landespflegegeld auf 280 Träger (!) auf, das Bundesspflegegeld immerhin „nur“ auf 23 Träger – die jeweiligen Pensionsversicherungen. (siehe STANDARD-Artikel)

Grundsätzlich ist die Einrichtung eines Pflegefonds ebenso begrüßenswert, wie die Reform bei der Verwaltung bzw. der Auszahlung des Pflegegeldes. Ein Pflegefonds wird seit Jahren von Gewerkschaften und auch der AUGE/UG gefordert. Dass nun der Pflegefonds kommt wird entsprechend sowohl von sozialen Trägervereinen, seitens der Landes- und Gemeindepolitik, als auch von Gewerkschaften und AK prinzipiell begrüßt. Bislang bekannt Gewordenes ruft allerdings auch einiges an Kritik auf den Plan. Eine Ersteinschätzung:

  • Tatsächlich handelt es sich bei der Dotierung des Pflegefonds nicht um ‚fresh money‘, sondern vielmehr um umgeschichtetes Geld, Geld das bereits einmal dem Pflegebereich entzogen wurde. So sind im Bereich Soziales und KonsumentInnenschutz auf Bundesebene bis zum Jahr 2014 in Summe Einsparungen von 578 Mio. Euro veranschlagt, vor allem im Bereich des Pflegegeldes. Der Bundesanteil am Pflegefonds beläuft sich auf rund 460 Mio. Euro. So sinnvoll es grundsätzlich erscheint, von Geld- auf Sachleistungen umzusteigen, also vom Pflegegeld in Richtung Pflegefonds zur Finanzierung von Pflegeleistungen umzuschichten, muss doch festgehalten werden, dass der Bund im Pflegebereich rund 130 Mio. Euro einspart – trotz zu erwartenden höheren Pflegebedarfs. Wenn GPA-djp und vida davon sprechen, dass ein „erster wichtiger Schritt zur langfristigen Sicherung von Pflegeleistungen“ gesetzt worden ist, mag das zwar „insitutionell“ richtig sein – immerhin ist einmal ein Pflegefonds eigerichtet worden – hinsichtlich der nachahltigen Finanzierung allerdings nicht. Wenn gar davon die Rede ist, dass mit dem Pflegefonds erste Schritte in Richtung Sozialmilliarde gesetzt würden, kann diese Betrachtungsweise aus altenativgewerkschaftlicher Sicht keineswegs geteilt werden: Es gibt in Summe nicht mehr, sondern weniger Geld für Pflege. Und das, obwohl das WIFO bis zum Jahr 2030 angesichts der demographischen Entwicklung der Bevölkerung einen deutlich höheren Bedarf an Pflegeleistungen und entsprechend höhere Kosten für Pflege – nämlich im Vergleich zu 2006 um 160 % höhere Ausgaben für Pflege (2016: ca. 47 % höhere Ausgaben)– prognostiziert!

  • Von Gewerkschaftsseite wurde auch seit jeher gefordert, dass die Pflegegeld aus Mitteln vermögensbezogener Steuern – etwa aus einer reformierten Erb- und Schenkungssteuern – finanziert werden soll. Auch das ist definitiv nicht der Fall, wie auch der Grüne Sozialsprecher Öllinger kritisiert. Vielmehr finanzierten die zu Pflegenden den Pflegefonds selbst – wie bereits oben erwähnt über Kürzungen im Bereich des Pflegegeldes.

  • Ein ausreichend dotierter Pflegefonds soll vor allem auch sicherstellen, dass endlich entsprechend entlohnte, hochqualifizierte, sozial- und arbeitsrechtlich abgesicherte Beschäftigungsverhältnisse im Pflegebereich finanziert und sichergestellt werden. Tatsächlich ist der Pflegebereich ein Niedriglohnbranche und sind Beschäftigungsverhältnisse, deren Einkommen noch über dem niedrigen BAGS-KV-Niveau liegen, seitens der Geschäftsführungen und der öffentlichen Fördergerben einem extremen Nivellierungsdruck nach unten ausgesetzt, wie nicht zuletzt der Fall Sozial-Global gezeigt hat. Es braucht endlich ein klares Bekenntnis der öffentlichen Hand zu einer deutlichen finanziellen und qualitativen Aufwertung von – stark weiblich dominierten – Pflegeberufen und die entsprechende ausreichende Finanzierung um Pflegeberufe auch zu attraktivieren. Der Pflegenotstand – insbesondere der Mangel an PflegerInnen – wird jedenfalls so lange nicht behoben werden können, solange Arbeits- und Einkommensbedingungen so unattraktiv sind, wie sie eben sind und solange eine Nivellierung nach unten betrieben wird. Der Pflegefonds ist jedenfalls mit 100 Mio. 2011, 150 Mio. 2012, 200 Mio. 2013 und 235 Mio. 2014 jedenfalls nicht entsprechend dotiert, um Pflegeberufe finanziell deutlich aufzuwerten und zu attrkativieren. GPA-djp und vida fordern daher auch „weitere Schritte“ damit konkrete Verbesserungen auch „bei den Beschäftigten“ ankommen.

Zusammengefasst kann daher aus alternativgewerkschaftlicher Sicht festgehalten werden: Ja, gut dass es den Pflegefonds nun endlich gibt. Ein klares Nein zu dem „Täuschungsmanöver“ wonach plötzlich mehr Geld für Pflege da wäre. Das stimmt schlichtweg nicht. Um den künftigen gesellschaftlichen Herausfoderungen im Pflegebereich entsprechend begegnen zu können, braucht es deutlich mehr Geld – und entsprechend neue Einnahmequellen. Die Forderung nach einer Sozialmilliarde zm Bedarfslücken zu schliessen und um Arbeits- und Einkommensbedingungen der Beschäftigten in sozialen Berufen zu verbessern bleibt daher ganz oben auf der politischen Agenda – denn soziale Arbeit ist nicht nur mehr wert, sie bringt auch gesellschaftlichen Mehrwert.

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