Steuerpolitik: Fektereien für die Reichen

„Fekter bereitet Steuerentlastung für Spitzenverdiener vor“ übertitelte die Presse einen Beitrag vom 14. September 2011. Die Presse wusste auch schon von genaueren Plänen zu berichten. Fekter wolle nicht nur den ominösen „Mittelstand“ entlasten, sondern bereite auch eine „steuerliche Entlastung für eine Viertelmillion Österreicher (vor), die unter den Spitzensteuersatz von 50 Prozent fällt.“ Die „Entlastung“ solle dabei über ein Schieben jener Bemessungsgrundlage erfolgen, ab welcher der Spitzensteuersatz von 50 % zu entrichten sei – nämlich ab einer Bemessungsgrundlage von Euro 60.000.

Ganz recht war der Finanzministerin die Veröffentlichung ihrer Pläne allerdings nicht. „Die Entlastung der Spitzenverdiener ist keine Vorgabe,“ ließ Fekter daraufhin verlauten . Die ExpertInnen im Finanzministerium würden an Modellen zur „nachhaltigen Entlastung des Mittelstands“ arbeiten, so Fekter weiter. Und der ÖVP-Generalsekretär Rauch (O-Ton SP-Schieder: „Wenn das der Mittelstand ist, dann ist der Himalaja eine Tiefebene“): „Während sich die ÖVP Gedanken macht, wie man den Mittelstand und die Leistungsträger entlasten kann, sattelt die SPÖ das Retropferd und setzt auf Klassenkampf.“ Unterstützung für Fekter kam – wie zu erwarten – von der FPÖ, deren Spitzenmann Strache in einer nur ihm eigenen, ganz besonderen Wirtschaftskompetenz davon spricht, dass der Spitzensteuersatz den Mittelstand „ins Herz“ treffe und Fekter mit ihrer Forderung „genau in die Kerbe“ der Kleine-Mann-Partei FPÖ schlage.

Steuerreform für den „Mittelstand“?

Ein „leistungsgerechtes Steuersystem“ wolle die ÖVP schaffen. Das sie natürlich genau so ein Steuersystem nicht schaffen will, wissen wir alle spätestens seit der massiven Ablehnung von bspw. Erbschafts- und Schenkungssteuern, also die Besteuerung von Vermögensübergängen hinter denen keinerlei eigene Leistung des Beerbten bzw. Beschenkten steht. Natürlich geht es der ÖVP wie der FPÖ regelmäßig um den Ausbau von Steuerprivilegien der ökonomischen Eliten, bäuerlicher Betriebe und der Wirtschaft. Das die ÖVP ständig von „Enteignung“ und „Klassenkampf“ spricht, wenn nichts anderes als das „Leistungsfähgikeitsprinzip“ im Steuersystem eingefordert wird – wonach jene, welche die ökonomisch stärksten sind, auch den größten Beitrag zu Steueraufkommen leisten sollten – belegt das Begehr der ÖVP nur eindrucksvoll.

Wenn die ÖVP daher von einer Steuerreform spricht, welche den „Mittelstand“ entlasten soll, kann Gift darauf genommen werden, dass in erster Linie die Reichen davon profitieren werden. Entgegen der – auch innerhalb der Linken weit verbreiteten – irrigen Annahme, eine Tarifreform – also die Senkung des Einstiegssteuersatzes und der Steuertarifstufen auf mittlere Einkommen – kämen vor allem BezieherInnen niedriger und mittlerer Einkommen zugute, profitieren von Tarifreformen regelmäßig die einkommensstarken Gruppen überproportional.

Steuerreform 2009: And the winner is … oder die Reichen waren erfreut

Beleg gefällig? 2009 beschlossen SPÖ und ÖVP eine Steuerreform, welche insbesondere in einer Reform der Tarifstufen sowie aus einem „Familienpaket“ – also z.B. der steuerlichen Absetzbarkeit von Kinderbetreuung – bestand.

Das gesamte Entlastungsvolumen der Tarifreform sollte sich auf knapp 2 Mrd. Euro belaufen. Was wurde beschlossen?

  • Die Einkommensgrenze, ab der die erste Tarifstufe gilt – also überhaupt erst Lohnsteuer gezahlt wird – wurde auf 11.000 Euro geschoben.
  • Der Einstiegssteuersatz (von 11.000 bis 25.000 Euro) wurde von 38,3 auf 36,5 % gesenkt.
  • Der mittlere Steuersatz (von 25.000 bis 60.000 Euro) wurde von 43,6 auf 43,2 % gesenkt.
  • Die Bemessungsgrundlage, ab welcher der Spitzensteuersatz von 50 % gilt, wurde von 51.000 Euro auf 60.000 Euro geschoben (Entspricht einem Bruttobezug von rund 70.000 Euro/Jahr)

Interessant ist nur, wer, bzw. welche Einkommensgruppen nun wie bzw. in welchem Ausmaß von dieser Tarifreform profitierten? Waren es die unteren? War es der heiß umworbene Mittelstand? Oder waren es die „Reichen“? Die Statistik Austria errechnete anno dazumal glücklicherweise das Entlastungsvolumen für die einzelnen Einkommensgruppen (Lohnsteuerpflichtige, also ArbeitnehmerInnen und PensionistInnen):

  • von den rund 6,1 Mio. Lohnsteuerpflichtigen erfuhren die einkommensschwächsten rund 2,5 Mio. – also gut 41,3 % – so gut wie keine steuerliche Entlastung. Sie waren ohnehin schon mangels Einkommenshöhe lohnsteuerbefreit, die „Negativsteuer“ – ein besonders wirkungsvolle Maßnahme zur Stärkung der Nachfrage einkommensschwacher Gruppen in Form einer (Teil-)Rückerstattung der Sozialversicherungsbeiträge im Ausmaß von bis zu 200 Euro/Jahr – wurde bedauerlicherweise nicht erhöht.
  • Schauen wir uns die nächste große Gruppe an, die nächsten rund 45 % aller Lohnsteuerpflichtigen, das sind ArbeitnehmerInnen und PensionistInnen, deren Einkommen jährlich zwischen 15.000 und 40.000 Euro liegt, rund 2,7 Mio Personen, an – also die „mittlere“ und „obere“ Mittelschicht. Auf diese Gruppe entfällt ein Entlastungsvolumen dank Tarifreform von 1,315 Mrd. Euro oder rund 65,4 % der gesamten Einkommenssteuerreform.
  • Bleiben die restlichen rund 14 % der EinkommensbezieherInnen, also die „oberen“ Einkommen, die Einkommensstärksten. All jene, die über 40.000 Euro/Jahr verdienen. Ja, die TOP-14 % fangen tatsächlich schon bei 40.000 Euro jährlich an – von wegen Mittelstand! Das sind immer noch rund 863.099 Personen. Auf die entfiel ein unverhältnismäßig hoher Anteil an Steuerentlastung in Folge der Steuerreform: nämlich 679 Mio. Euro oder 33,8 % der gesamten Entlastung!
  • Um das Ausmaß der Entlastung der SpitzenverdienerInnen noch etwas einzugrenzen: Die TOP-8 % der Lohnsteuerpflichtigen (über 50.000 Euro/Jahr) – rund 498.000 Personen – dürfen sich über ein Entlastungsvolumen von fast 440 Mio. Euro – d.s. 21,9 % des gesamten Volumens – freuen.
  • Und die TOP 1 % – das sind alle ArbeitnehmerInnen und PensionistInnen die über ein Jahresbrutto von über 70.000 Euro verfügen – rund 190.000 Personen, darunter Finanzministerinnen, (nicht nur) ÖVP-Nationalratsabgeordnete, Vorstandsvorsitzende, Banker, Industrielle usw. – wurden um rund 224 Mio. Euro entlastet, also um rund 11,1 % des Entlastungskuchens. Also nochmal: Das reichste 1 % der Bevölkerung bekam 11,1 % aller Steuersenkungen!
  • Und: Alleine das Schieben der Bemessungsgrundlage für den Spitzensteuersatz von 51.000 Euro auf 60.000 Euro brachte den Spitzenverdienern eine Steuerersparnis von rund 115 Mio. Euro also rund 5 % der Tarifreform! Ein Steuergeschenk mehr für die ökonomischen Eliten.

Also, das Ergebnis dieser Steuertarifreform kurz zusammengefasst:

  • Die „untersten“ 40 % der EinkommensbezieherInnen – darunter übrigens 1,7 Mio. Frauen – haben nix davon, finanzielle Entlastung geht gegen Null. Sie verdienen so wenig, dass sie nicht einmal Steuern zahlen. Sie profitierten „unterproportional“.
  • Die mittleren 45 % – darunter keineswegs TOP-VerdienerInnen profitierten „überproportional“, erhielten 65 % des Entlastungsvolumens. Wobei sich die Entlastung auf 260 Euro bis 628 Euro pro Jahr und Person belief.
  • Nun die Gewinner: die TOP 14 %, die Gutverdiener, die Reichen. Die werden mit 21,9 % überproportional entlastet und je reicher, desto mehr! Die Steuerersparnis geht von 655 bis 1.317 Euro pro Person und Jahr.

Spitzenverdiener – die großen Profiteure von Tarifreformen

Warum dem so ist, warum gerade die SpitzeneinkommensbezieherInnen von Steuertarifreformen so stark profitieren, ist leicht erklärbar: jedes Schieben einer Bemessungsgrundlage, jede Tarifsenkung – sowohl jene des Einstiegs- als auch des mittleren Steuersatzes kommt Top-VerdienerInnen zugute, da sie schlichtweg in jede Steuerklasse fallen. Das Sahnehäubchen stellt dann schließlich das Schieben der Bemessungsgrundlage für den Spitzensteuersatz dar. Das ist der Zusatzbenefit für die Reichsten.

Im Gegensatz dazu profitiert die „untere Mitte“ nur vom Schieben der Bemessungsgrundlage für den Einstiegssteuersatz und dem niedrigeren Einstiegssteuertarif. Die „gehobenere Mitte“ gewinnt noch von der Senkung des mittleren Steuersatzes. Das Schieben der Bemessungsgrundlage für den Spitzensteuersatz bringt der Mitte allerdings rein gar nichts. Sie bringt nur den obersten paar Zehntausend was.

Dass Tarifreformen insbesondere einkommensstarke Gruppen unverhältnismäßig entlasten spricht zwar nicht grundsätzlich gegen Steuertarifreformen um untere und mittlere Einkommen zu entlasten, doch sollte jedenfalls eine „Gegenfinanzierung“ über höhere Spitzensteuersätze bzw. zusätzliche, progressiv gestaltete Tarifstufen für hohe Einkommen erfolgen. Prinzipiell sollte allerdings überhaupt überlegt werden, ob eine finanzielle Entlastung von BezieherInnen niedriger und mittlerer Einkommen nicht auch über andere, zielführendere, sozial treffsicherere Wege, als über Tarifsenkungen zu erreichen wäre – etwa über eine Ausweitung von bedarfsgerechten, kostenlosen Bildungs- und Betreuungsangeboten für Kinder, über leistbare, flächendeckende öffentliche Mobilität, die Förderung von sozialem Wohbau bzw. leistbarem Wohnraum etc.

Nun, wie dem auch sei: diese TOP 1 % die es nun laut ÖVP und FPÖ angeblich einmal mehr zu entlasten gilt, sind „Mittelstand“ für dieselben. Das wirft die Frage auf, ob bei diesen Parteien die entsprechenden FunktionärInnen – wie es im Volksmund so schön heißt – „noch alle Tassen im Schrank“ haben. Schließlich würde kein Wissender auf die Idee kommen, das TOP 1 % der EinkommensbezieherInnen zur Mittelschicht zu zählen – außer eben ÖVP, FPÖ und das BZÖ, soweit dieses noch existiert. Das weiß natürlich auch die ÖVP. Und nachdem es doch ziemlich doof und wenig mehrheitsfähig gilt, eine Steuerentlastung für die Reichen und Superreichen zu fordern, spricht man – oder halt Frau Fekter – von der Entlastung des „Mittelstandes“, der „Leistungsträger“ und meint natürlich dasselbe.

Einmal mehr wird die „Mittelschicht“, der „Mittelstand“ seitens der ÖVP für die Interessen der Reichen und Superreichen missbraucht. Es geht um Klientelismus. Jene die schon einmal überproportionale Steuergeschenke genossen haben, sollen einmal mehr beschenkt werden, mag es noch so im Budget knarren und krachen. Mit den ökonomischen Eliten will man sich gut stellen. Sie sichern Macht, Geld, Jobs. In den Parteizentralen von ÖVP und FPÖ hofft man weiterhin auf die Dummheit und Uninformiertheit der breiten Masse, der breiten Mitte der Bevölkerung. Hofft, dass die Rechnung, die schon so oft aufgegangen ist, einmal mehr aufgeht.

Gut, dass es Zahlen gibt, welche die Behauptungen der Rechten eindrucksvoll widerlegen und so einen Beitrag zur Aufklärung der „Mittelschicht“ leisten können. Gut, dass diese Zahlen nicht so leicht als „ideologische Propaganda“ abgetan werden können. Gut dass es Statistik Austria gibt.

Linktipps:

Statistik Austria: Geplante Steuerreform 2009 mit Daten der Lohnsteuerstatistik 2007 simuliert

Presseaussendung der AUGE/UG: „’Leistungswahn‘ a la ÖVP ist heilbar“

Die Alternative März/April 2009: Steuerreform: Jobpleite,  Beurteilung der Steuertarifreform 2009 aus Sicht alternativer GewerkschafterInnen

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