Drei Männer und ein „Pensionsmodell“ …

Cartoon: Much

… oder wie Generationen von Menschen zu SozialhilfeempfängerInnen degradiert werden sollen. Von Lukas Wurz

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Da haben sich wohl ein paar Leute ordentlich die Augen gerieben: Nachdem sie einen eher allgemeinen Aufruf für ein zukunftstaugliches Pensionsrecht unterschrieben haben, finden sie sich in den Medien als Protagonisten eines „Pensionsmodells“ wieder, das ganze Generationen von Menschen zu SozialhilfeempfängerInnen degradieren würde.

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Für das „Missverständnis“ verantwortlich sind die Herrn Holzmann, Marin und Schuh. In einer Pressekonferenz erzählen diese wie sie ein zukunftstaugliches Pensionssystem gestalten würden. Was dann durch die Medien geisterte, ist weder zusammenhängend noch klar oder widerspruchsfrei. Klar ist nur: Der Staat soll in die Pensionsvision der drei Herren keine Budgetmittel mehr einbringen. Ein leistungsbezogenes Pensionskonto soll ausschließlich tatsächlich bezahlte Beiträge auflisten, die in der Folge „verzinst“ und bei Pensionsantritt durch die Lebenserwartung dividiert die Pensionshöhe wiedergeben. Jeder Mensch soll nur das an Pension erhalten, was er oder sie auch wirklich eingezahlt hat.

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All das ist angeblich dem schwedischen Pensionsmodell nachempfunden.

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Ob dem auch wirklich so ist, lässt sich nicht nachvollziehen: Keine Budgetmittel und „Verzinsung“ lassen sich sinnstiftend nur mit einem kapitalgedeckten Verfahren (wie etwa in der unglaublich „erfolgreichen“ privaten Pensions“vorsorge“ mit ihren alljährlichen Verlusten) realisieren. Beiträge werden verbucht und dann etwa über Kredite an den Bund „verzinst“. Schwer vorstellbar, dass auf diese Weise – mensch vergleiche etwa die derzeitige Zinsentwicklung mit der aktuellen Inflationsrate – eine Wertsicherung der Beiträge erreicht werden kann. Weit gewichtiger ist aber, dass dies zwangsläufig ein Ende des Umlageverfahrens zur Folge hätte, da ja aktuelle Beiträge eben „veranlagt“ werden müssten und nicht mehr für die Bedienung der aktuellen Pensionen zur Verfügung stünden. Ein derartiges Vorgehen würde in den nächsten Jahren gut € 27. Mia an jährlichen Mehrkosten für das Budget bedeuten (weil die Pensionen der aktuellen PensionistInnen ja noch bezahlt werden müssen).

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Unklarheiten, Denk- und sonstige Fehler …

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Vielleicht meinen die drei Herren aber auch nur eine fiktive Verzinsung, also ein Fortbestehen des derzeitigen Umlageverfahrens und eine Ergänzung (vulgo „Verzinsung“) der Mittel aus Steuern. In diesem Fall hätten sie aber nichts anderes als eine grobe Täuschung vorgenommen: Eine fiktive Verzinsung der Beiträge gibt es nämlich auch im jetzigen System. Ziel der drei Herren ist also ausschließlich die Verkürzung der „fiktiven Verzinsung“. Eine starke Verkürzung: Wer in den 2030ern mit 65 Jahren und einer durchschnittlichen Beitragshöhe von € 1000,- in Pension geht, wird dann (mit der bereits beschlossenen, aber erst ab 2029 voll geltenden Rechtslage) eine Pension von ca. € 712,- erwarten können (nach derzeit geltendem Recht wären es noch im Bereich zwischen € 780,- und € 810,-). Der Vorschlag von Holzmann, Marin und Schuh würde die Pensionserwartung auf € 436,- verringern. Der oder die Versicherte müssten mindestens sechs Jahre – also bis zum 71. Lebensjahr – bei gleichem Lohn weiterarbeiten, um wieder auf die € 712,- zu kommen. Wenn, … ja wenn … es nicht eine ganze Reihe weiterer Unklarheiten, Fehler und Probleme in der Denkwelt dieser Herrn gäbe.

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Holzmann, Schuh und Marin unterläuft nämlich selbst in ihrer Gedankenwelt ein erheblicher Fehler: Der Anstieg der Kosten für Pensionen der letzten Jahre ist Ergebnis längst nicht mehr geltender Rechtslagen. Zukünftige Generationen können nicht annähernd jene Pensionen erreichen, die ein Mensch mit Pensionsantritt im Jahr 2002 oder 2008 oder auch 2012 bei gleichem Erwerbsverlauf erreichen konnte. Mit der vollständigen Umstellung des ASVG auf die neue Rechtslage ab 2029 werden etwa 35 bis 40% aller Pensionen unterhalb des Ausgleichszulagen-Richtsatzes (heute 815,- brutto oder € 773,- netto im Monat) zu liegen kommen. Die Kostensteigerungen der Zukunft sind also nicht Folge eines angeblich überreichlich verteilenden Pensionssystems, sondern des Anstiegs der Zahl älterer Menschen. Eine weitere Reduktion im Pensionssystem kann also quasi nur auf eine „biologische Lösung“ hinauslaufen: Problemlösung durch systematische Unterversorgung.

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… und Fragen über Fragen

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Der Verweis der drei Herrn auf Schweden ist absurd, da das schwedische Modell ganz und gar nicht darauf abstellt, dass nur das herauskommt, was einbezahlt wurde. Es kennt zahlreiche Stützen, Subventionsflüsse und garantiert eine Systementwicklung. Dennoch gehen ExpertInnen davon aus, dass nach der Vollumstellung des Pensionssystems (die erst 2003 wirklich begann) ca. 45% aller PensionistInnen von der staatlichen Garantiepension – einer Art Sozialhilfe für PensionistInnen – abhängig sein werden. Und auch die kostet selbstverständlich Steuergelder… Auf Österreich umgelegt bedeutete dies, dass die Republik in Zukunft mindestens das sechsfache für Ausgleichszulagen aufzubringen hätte (derzeit ca. eine Milliarde pro Jahr für etwa 10% der PensionistInnen).

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Wer den Fehler macht, die Ergüsse von Holzmann, Schuh und Marin wirklich ernst zu nehmen, muss sich auch schnell die Frage stellen, was eigentlich passiert, wenn das individuelle Pensionskonto „leer“ ist. Wir wollen es uns lieber nicht vorstellen …

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…oder die Frage, wie sie es rechtfertigen, dass Frauen in einem echten beitragsorientierten System mit demografischen Faktor zwangsläufig bei identem Erwerbsverlauf eine niedrigere Pension erhalten müssen?

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…oder wer Aufgaben wie etwa die Rehabilitation oder den Aufwand für den Ausfall der Beiträge in der Krankenversicherung übernimmt. Und wer eigentlich die Verwaltung des Systems bezahlt?

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Es läuft vieles schief im Pensionssystem: Es verteilt die Mittel ungerecht und sichert nicht ausreichend vor Altersarmut. Das sind Probleme, die zu lösen sind. Und dafür gibt es auch gute Vorschläge: Gegen Versicherungsmathematik oder eine demografischen Faktor etwa wäre gar nichts einzuwenden, wenn ausgleichende Elemente vorhanden sind: Die da etwa ein einheitlicher demographischer Faktor für alle (und nicht nach Geschlechtern getrennt) oder Elemente des Ausgleichs der Einkommens- und Erwerbsunterschiede in Beziehungen, vor allem aber eine existenzsichernde Grundpension, die wirklich vor Armut schützt…

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Alles Dinge, die älteren Herren, die ihr Leben ausgezeichnet  im Schoß etwa der Weltbank oder industrienaher Institute und über Spitzenpensionen sichern, nicht einfällt…

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Lukas Wurz ist Arbeiterkammerrat der AUGE/UG in der AK Wien und parlamentarischer Mitarbeiter und Sozialexperte der Grünen im Parlament. Der ehemalige, langjährige Betriebsrat referiert regelmäßig in Gewerkschaftsschulungen und der BetriebsrätInnenakademie der AK und des ÖGB im Wien zum Sozialversicherungswesen in Österreich

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