Pleite Private Pensionsvorsorge: Wer wollte, hätte wissen müssen …

 

Sie liegt in Trümmern. Ausser Spesen nichts gewesen? die private Pensionsvorsorge.

In Trümmern – die zweite und dritte Säule des Pensionssystems.

„Die Pensionslüge“  titelt die  Wochenzeitschrift „Profil“ vom 8. Juli 2013. Nicht weniger deutlich der Beitrag im Heftinneren. Von „Pensionsschocks“ ist da die Rede, davon, dass Millionen ÖsterreicherInnen nur  „Ärger und Verlust“ bleibt. Wirklich überraschend ist das allerdings nicht. Wer wissen wollte hätte schon vor zehn Jahren wissen können. Ja, wissen müssen.
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Nun auch in den  meisten Medien angekommen: spätestens mit der Finanzmarktkrise entpuppt sich die private Pensionsvorsorge als das, was sie eigentlich immer war – als Riesenpleite, als finanzielles Desaster und großer Schwindel. Und für die SteuerzahlerInnen auch als ausgesprochen teuer: hunderte Millionen Euro an steuerlicher Förderung flossen Jahr für Jahr in private Vorsorgeprodukte – zwischen 600 Mio. Euro, wie eine parlamentarische Anfrage des Grün-Abgeordneten Rossmann aus dem Jahr 2007 ergab – bis 1,36 Mrd., wie das WIFO etwa für 2008 errechnete.
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Leere Versprechungen und spekulative Luftschlösser

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Was wurde nicht alles versprochen vor zehn Jahren, von der damaligen schwarz-blauen Regierung: Private Pensionsvorsorge sollte die öffentlichen Pensionen, die – leider, leider – so nicht länger zu finanzieren und zu halten wären auffetten, an den boomenden Kapitalmärkten würden gewaltige Rendite zu holen sein, gleichzeitig sollten private Pensionsfonds den österreichischen Kapitalmarkt beleben und auch für Privatisierungserlöse in der Staatskasse sorgen. „Zukunftsvorsorge“ hieß das großzügig steuerlich geförderte Produkt, die „dritte“ Säule der Vorsorge.
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Die „zweite“ Säule, die betriebliche Pensionsvorsorge, sollte durch die „Abfertigung neu“ gestärkt und ausgebaut werden. Nun war die  Abfertigung zwar nie eine Pensionsvorsorge sondern stellte im ursprünglichen Sinne vielmehr eine Art „Treubonus“ für lange Zugehörigkeit, eine Kündigungserschwernis aus Kostengründen bzw. ein Finanzpolster im Falle von unfreiwilliger Arbeitslosigkeit dar – das hinderte schwarz-blau allerdings keinen Moment daran, die Abfertigung neu tatsächlich als „Vorsorgeprodukt“ für den Lebensabend zu verkaufen. Alle sollten künftig eine Abfertigung bekommen, angespart in ausgelagerten, von Banken und Versicherungen verwalteten Mitarbeitervorsorgekassen. Dass alle künftig eine Abfertigung erhalten sollten war ja schön, gut und richtig, profitierten angesichts immer flexibler werdender Arbeitsverhältnisse mit immer kürzeren Verweildauern in den Betrieben ja immer weniger von der „Abfertigung alt“. Einer der Schönheitsfehler bei der Reform der Abfertigung allerdings: die Beiträge wurden von 2,5 % der Lohnsumme auf 1,53 % der Lohnsumme gekürzt. Womit sich das Problem ergab, dass unter diesen Bedingungen niemals eine – wie in der „Abfertigung alt“  – Höhe von einem Jahresgehalt nach 25 Jahren im selben Betrieb erreicht werden würde.
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Was also tun, um das Produkt „Abfertigung Neu“ dennoch als besonders gelungen zu verkaufen? Es wurde ein durchschnittlicher Zinssatz von 6 % jährlich versprochen. Mit dem würde es sich nämlich – wie wunderbar –  tatsächlich ein Jahresgehalt nach knapp einem Vierteljahrhundert ausgehen. Interessanterweise feierte dabei selbst der ÖGB die Abfertigung neu als geradezu bahnbrechenden, sozialpolitischen Erfolg. Kritik an vollkommen überzogenen Erwartungen  wurden in den Gewerkschaften kaum geäußert. Außer von uns.

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AUGE/UG warnt schon 2002 vor unrealistischen Hoffnungen und hohen Risken …

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„Abfertigung Neu birgt große Risken“ lauteten dagegen bereits am 14. Mai 2002 die Überschrift einer Aussendung der AUGE/UG, die auch von einzelnen Medien übernommen wurden. Die AUGE/UG war eine der ganz wenigen Gruppierungen, die angesichts der Abfertigung neu nicht in Enthusiasmus ausbrach, sondern vor den Risken warnte. In der Aussendung heißt es etwa:

„Mit der Abfertigung neu wird ein weiterer Schritt in den Ausbau der privaten Pensionsvorsorge getätigt. Die steuerlich geförderte Auszahlung der Abfertigung im Falle des Ansparens bis zur Pension wird die Finanzmarktakteure – in diesem Fall die Abfertigungskassen – deutlich stärken. Finanzmärkte weisen jedoch hohe Instabilitäten aus.“

 

Und weiter:

„Die erhoffte Verzinsung von 6 % über 20 bis 30 Jahre sei vollkommen unrealistisch und nur durch risikoreiche Veranlagungen möglich. Das Entstehen von milliardenschweren Abfertigungskassen die renditeträchtige Veranlagungen suchen werden den Druck auf ArbeitnehmerInnen verstärken: hohe Rendite sind in erster Linie über Rationalisierungsmaßnahmen – also Reallohnkürzungen oder Kündigungen – zu erzielen. Damit wird jedoch die Finanzierungsbasis der öffentlichen Pensionssysteme untergraben, nämlich hohe Beschäftigung und stiegende Löhne. „Private Pensionsvorsorge über Kapitaldeckung und solidarisches Umlagesystem stehen in einem unmittelbaren Widerspruch zueinander und sind keine Ergänzung. Der ÖGB sollte das eigentlich wissen.“

Abschließend:

Auch wenn seitens des ÖGB erwartet wird, das ArbeitnehmerInnen im Falle der Kündigung die Abfertigung sofort in Anspruch nehmen würden, feiert die Regierung die Abfertigung neu bereits als Eintritt in die „dritte“ Säule der Pensionsvorsorge. „Der Druck, die Abfertigung als Pension anzusparen wird steigen und angesichts der allgemeinen Verunsicherung rund um die Zukunft des öffentlichen Pensionssystems auch auf fruchtbaren Boden fallen. Die Umwandlung der Abfertigung in eine Betriebspension ist dann nur noch eine Frage der Zeit. Mit der Abfertigung neu ist dieser Entwicklung Tür und Tor geöffnet. Damit wird die Altersvorsorge den Launen der Finanzmärkte unterworfen. Angesichts der regelmäßig stattfindenden Zusammenbrüche privater Pensionskassen und der damit einhergehenden Vernichtung von angespartem Kapital ist dieser Aspekt der Abfertigung neu als äußerst problematisch zu bewerten,“ schließt Markus Koza.

… und wird von Realität 2013 voll bestätigt

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Praktisch jeder unserer Kritikpunkte hat sich bewahrheitet, wie das Profil schreibt:

„In der Tat haben die Abfertigungskassen zwischen 2004 und 2012 nicht sechs, sondern durchschnittlich 2,8 Prozent erwirtschaftet. Selbst Andreas Csurda, Vorsitzender der Plattform der Vorsorgekassen, gibt heute offen zu: ‚Viel mehr als drei Prozent ist nicht realistisch.‘ Das eigentlich in Aussicht gestellte Jahresgehalt ist damit Schimäre.“

Wobei die Realität noch trauriger ist. PROFIL berichtet von der Journalistin Sabine S., die nach zwei Jahren ganze 2.043,70 Euro in ihrer Mitarbeitervorsorgekasse „angespart“ hatte – 40,44 Euro weniger, als die Einzahlungen ihres Arbeitgebers.
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Dagegen „sprießen“ die Verwaltungskosten, laut David Mum von der GPA-djp würden „mehr als die Hälfte de Veranlagungserträge für die Verwaltung“ aufgewendet.
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Und wie bei der Abfertigung „neu“ verhält es sich bei der privaten Pensionsvorsorge und den betrieblichen Pensionskassen. Hier eine im PROFIL zitierte Sabine Zhang, deren Rendite in der Privaten Pensionsvorsorge nach zehn Jahren „gegen Null“ tendiert, hier ein Herbert Dworak, dessen „Firmenpension“ um ein Drittel niedriger ausfällt, als  versprochen und, und, und …
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5,8 Millionen ÖsterreicherInnen sind – so Profil – von der privaten Pensionspleite betroffen, so das PROFIL. 1,6 Millionen ÖsterreicherInnen sind in der staatliche geförderten „Zukunftsvorsorge“, 2,8 Millionen im System der „Abfertigung neu“, über 800.000 in einer betrieblichen Pensionskassa.

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Die Pleite kann allerdings tatsächlich nicht überraschen. Wer die Altersvorsorge den Finanzmärkten ausliefert geht ein enormes, unkalkulierbares Risiko ein. In der Krise bleiben massive Verluste für die Betroffenen und Milliarden an pulverisierten Steuergeldern, die dem öffentlichen, umlagefinanzierten System fehlen, dort allerdings bei weitem besser angelegt gewesen wären.
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Was tun? Privatpensionen ins öffentliche System überführen

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Zu tun wäre angesichts des Desasters das eigentliche Naheliegend:  Die Überführungen der privaten Pensionsvorsorge in das öffentliche Pensionssystem. Wie das gehen könnte? Ein paar Beispiele:
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  • Die öffentliche Hand könnte eine gesetzliche „Öffentliche Mitarbeitervorsorgekasse“ einrichten, die ihr Geld ausschließlich in festverzinsliche Bundesschätze mit unterschiedlich langen Laufzeiten anlegt. Der Gesetzgeber schafft eine zeitlich befristete Möglichkeit, die angesparte Abfertigung NEU in eine derartige gesetzliche Mitarbeitervorsorgekasse ohne weitere Verluste zu überführen. Der Staat garantiert für die Werthaltung der Einlage.

 

  • Die Beiträge zur Mitarbeitervorsorge sind von 1,53 % auf 2,5 % der Lohnsumme wieder zu erhöhen.

 

  • Eine ähnliche Modell soll auch für PensionssparerInnen der „dritten“ Säule geschaffen werden. Auch ihnen soll per Gesetz die Möglichkeit eingeräumt zeitlich befristet ihre angesparte Pensionsvorsorge in eine „Bundesschatzpension“ zu überführen. Gleichzeitig wird die steuerliche Förderung für private Pensionsvorsorge ersatzlos gestrichen und die Veranlagungsmöglichkeiten deutlich verschärft. Ja, Ziel muss es sein, diese Anlageform so unattraktiv wie möglich zu gestalten, das nicht zuletzt milliardenschwere Pensionsfonds und ihre Veranlagungsstrategien  für massive ökonomische Verwerfungen verantwortlich zeichnen.

 

  • Zusätzlich soll gesetzlich die Möglichkeit geschaffen werden, angesparte Mittel aus der privaten Pensionsvorsorge über den Umweg der „freiwilligen Höherversicherung“ (der/die Versicherte zahlt höhere Pensionsversicherungsbeiträge und erwirbt dadurch einen höheren Pensionsanspruch) in das öffentliche Umlagesystem zu transferieren. Dadurch wäre die „Werthaltung“ über einen höheren Pensionsanspruch im Alter im öffentlichen Pensionssystem sichergestellt.

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Möglichkeiten aus der privaten Pensionsfalle zu entkommen gäbe es. Es ist schlichtweg nur die Frage, ob der Gesetzgeber will und ob sich die Gesetzgeber gegenüber den Interessen der Finanzlobby durchsetzen will.

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