Wie geht’s Österreichs ArbeitnehmerInnen? (II)

wie_gehts_oe_sw„Wie geht’s Österreich?“ Diese Frage versucht die Statistik Austria in einer jüngst erschienenen, umfangreichen Publikation zu beantworten. Unter anderem wird beschrieben, wie es um den „materiellen Wohlstand“ der ÖsterreicherInnen bestellt ist. Als GewerkschafterInnen interessieren wir uns dabei natürlich insbesondere für die Situation der ArbeitnehmerInnen. In Teil I dieses Beitrags sind die Ergebnisse hinsichtlich der Produktions- und Produktivitätsentwicklung in Österreich zusammengefasst – und ob sich diese auch in der Einkommensentwicklung der unselbständig Beschäftigten wiederfindet.

In Teil II folgen nun Kennzahlen zur Entwicklung des privaten Konsums,  zur Verteilung von Einkommen und Vermögen  – und zuletzt zur Verteilung von Einkommen und unbezahlter Arbeit aus einer Geschlechterperspektive.

Konsum

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„Die Frage, ob und in welchem Ausmaß die privaten Haushalte ihre Bedürfnisse befriedigen können, ist eine wesentlicher Aspekt bei der Beurteilung von Wohlstand,“ führen die AutorInnen von „Wie geht’s Österreich?“ aus. Das Ausmaß der Bedürfnisbefriedigung findet im Indikator „Haushaltskonsum“ seinen Ausdruck. Den privaten Haushalten stehen dabei neben den verfügbaren Einkommen noch staatliche bzw. gemeinwirtschaftliche soziale Sachtransfers (z.B. Bildungs-, Betreuungs-, Gesundheitsdienstleistungen) zum Konsum zur Verfügung.
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Der reale Konsum pro Kopf wuchs seit 1995 um durchschnittlich 1,2 Prozent pro Jahr und blieb  damit – wie auch die verfügbaren Einkommen (siehe Teil I)  – hinter dem BIP-Wachstum zurück. Eine wichtige Funktion hatten die privaten Konsumausgaben im Krisenjahr 2009, als selbige um 0,5 Prozent zulegten, während das BIP-Wachstum  einbrach (- 0,4 Prozent). Ohne die stabilisierende Wirkung (u.a. durch stimulierende Maßnahmen wie den „Öko-Bonus“ bei Anschaffung neuer PKW und die hohen Lohnabschlüsse im Herbst 2008) wäre der konjunkturelle Einbruch wohl noch deutlicher ausgefallen. In den Folgejahren stagnierten allerdings Konsum wie auch Wachstumsraten. Seit 2011 ist der Konsum – wie auch die verfügbaren Einkommen – sogar leicht rückgängig.

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Enwicklung Konsum und BIP, aus "Wie geht's Österreich?", Statistik Austria, 2014

Entwicklung Haushaltskonsum und BIP seit 1995, aus „Wie geht’s Österreich?“, Statistik Austria, 2014

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Bemerkenswert ist die Entwicklung der einzelnen Konsumpositionen: Dass sich Wohnen empfindlich verteuert hat, lässt sich auch aus der Zusammensetzung der Konsumausgaben ablesen. Entfielen 1995 noch 15,5 Prozent der gesamten Konsumausgaben auf die Position „Wohnen, Wasser und Strom“, lag der Anteil 2013 schon bei 17,4 Prozent. Anteilsmäßig nach oben entwickelt haben sich  auch die Ausgaben für „soziale Sachtransfers“ (z.B. Kinderbetreuung), nämlich von 19 auf 20,7 Prozent. Rückläufig dagegen die Ausgaben für Nahrungsmittel (von 9,2 auf 8 Prozent) sowie für langlebige Konsumgüter (von 9,9 auf 7,6 Prozent). Annäherungsweise gleich geblieben sind Ausgaben für  nicht-langlebige Güter, nämlich bei knapp über 46 Prozent.

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Zusammensetzung der Konsumausgaben, Vergleich ... mit ..., aus "Wie geht's Österreich?", Statistik Austria, 2014

Zusammensetzung der Konsumausgaben, Vergleich 1995 mit 2013, aus „Wie geht’s Österreich?“, Statistik Austria, 2014

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Verteilung

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Sollen Erkenntnisgewinne über  Wohlstand und Lebensstandard der gesamten Bevölkerung gewonnen werden, reicht es nicht, nur auf Durchschnittswerte – etwa auf mittlere Einkommen –  zurückzugreifen. Konsum und damit verbundener materieller Wohlstand sind vom jeweiligen Einkommen abhängig, über das eine Person bzw. ein Haushalt verfügt.  Der gesamtgesellschaftliche Konsum ist wiederum von der Verteilung der Einkommen insgesamt abhängig. Je stärker sich Einkommen „oben“ konzentriert, also dort, wo bereits weitgehende „Konsumsättigung“ besteht, desto geringer wird die Konsumquote insgesamt sein. „Reiche“ Haushalte haben eine höhere Sparquote als „arme“. Entsprechend ist eine gleichmäßige Einkommensverteilung, die Kaufkraft „unten“ stärkt – etwa über Umverteilungsmaßnahmen – und so einkommensschwachen Gruppen eine Ausweitung ihres „Konsums“ überhaupt erst ermöglicht, für die wirtschaftliche Entwicklung und den allgemeinen Wohlstand eher förderlich und entsprechend zu forcieren. Gerade in Krisenzeiten.
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Wie bereits im  Kapitel „Einkommen“ (siehe Teil I dieses Beitrags) erwähnt, ist allerdings spätestens seit 1998 ein deutliches Auseinanderdriften oberer und unterer Einkommen bei den unselbständig Erwerbstätigen zu beobachten. Wesentliche Gründe dafür sind u.a. im Strukturwandel (z.B. Teilzeit) zu finden, aber nicht ausschließlich.
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„Stabile“ Einkommensungleichheit – auch in der Krise

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Driften die Bruttoeinkommen „unten“ und „oben“ – insbesondere auch in der Krise – auch auseinander, so ist das Verhältnis zwischen den verfügbaren Netto-Haushaltseinkommen (inklusive monetäre Sozialtransfers) der „obersten“ und „untersten“ 20 Prozent selbst in der Krise erstaunlich  stabil geblieben. Das verfügbare Haushaltseinkommen der obersten 20 Prozent beläuft sich ohne nennenswerte Veränderungen seit 2008 auf das 4,1-fache der untersten 20 Prozent. Im EU-Schnitt liegt  das Verhältnis des obersten zum untersten Einkommensfünftel bei 5,2-fachen. Besondere Ungleichheit herrscht  dabei in Griechenland (7,4), Rumänien (7,0) und Lettland (7,0). In diesen Krisenstaaten machen sich wohl die krisenbedingten massiven Kürzungen bei Löhnen (v.a. Mindestlöhne und öffentlicher Dienst) und öffentlichen Transfers  (Pensionskürzungen, Kürzungen beim Arbeitslosengeld) die insbesondere einkommensschwache Haushalte und solche mit mittleren Einkommen trafen bzw. treffen, besonders stark bemerkbar. Weniger ungleich als in Österreich stellt sich das Verhältnis der unteren und oberen Netto-Haushaltseinkommen in Finnland, Tschechien und Slowenien dar (je 3,6).
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Hohe Ungleichheit bei Vermögen

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Dass in Österreich die Vermögenskonzentration besonders ausgeprägt ist, ist inzwischen bekannt. Auch der Statistik Austria-Bericht  geht darauf ein, mit den bereits bekannten Daten aus der OeNB-Erhebung. Noch einmal zur Erinnerung:
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  • 50  Prozent der Haushalte halten eine Nettovermögen (Bruttovermögen – Schulden) von unter Euro 76.000 (= Medianwert).
  • Die ärmsten 10 Prozent der Haushaltehalten ein Nettovermögen von weniger als 1.000 Euro.
  • Die reichsten 10 Prozent der Haushalte verfügen über ein Nettovermögen von über 542.000 Euro.

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Der Mittelwert, also der Durchschnittswert der Nettovermögen liegt bei 265.000 Euro. Weicht der Durchschnittswert „nach oben“ besonders vom Medianwert ab, dann herrscht eine besondere Ungleichverteilung. Tatsächlich besitzen 75 Prozent der Haushalte weniger  als das „durchschnittliche“ Vermögen von Euro 265.000.
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Ungleich verteilt sind die Vermögen selbst bei den reichsten 10 Prozent: der Medianwert (50 Prozent  halten mehr, 50 Prozent halten weniger) der Top-10-Prozent Haushalte liegt bei 935.000 Euro. Der Mittelwert – also der Durchschnitt allerdings beim fast Doppelten: nämlich bei 1,6 Mio. Euro.
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Betrachtet man die Gesamtverteilung des Bruttovermögens – also des Vermögens ohne Abzug der Schulden – so halten die reichsten 5 % der Haushalte mit 45 Prozent fast die Hälfte des Vermögens. Umgekehrt halten die „unteren“ 50 Prozent der Haushalte gerade einmal 5 Prozent des Gesamtvermögens. Nächstfolgende 30 Prozent der Haushalte 22 Prozent. Die nächstfolgenden 15 Prozent der „vermögenden“ Haushalte schon 29 Prozent. Die Top-20-Prozent aller österreichischen haushalte kommen somit auf einen Vermögensanteil von fast drei Viertel (74 Prozent!) des Vermögens.

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Vermögensverteilung nach Haushalten, Gesamtvermögen, aus "Wie geht's Österreich?", Statistik Austria, 2014

Vermögensverteilung nach Haushalten, Gesamtvermögen, aus „Wie geht’s Österreich?“, Statistik Austria, 2014

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Und noch einmal sei damit festgehalten: Wer davon spricht, eine Vermögenssteuer sei eine Steuer, welche vor allem die Mitte treffen würde, weiß entweder nicht, wovon er spricht, oder er lügt. Denn  Mitte gibt es bei diesen Zahlen bei Vermögen schlichtweg keine. Sondern nur eine kleine Minderheit „oben“ und eine unüberschaubare Masse „unten“.
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Gender Pay Gap
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Der „Gender Pay Gap“, also der geschlechtsspezifische Lohnunterschied bleibt in Österreich mit 23,4 Prozent anhaltend hoch. Verglichen werden dabei Bruttostundenverdienste, „da diese aussagekräftige Vergleiche unabhängig von der Arbeitszeit (Voll-/Teilzeit) ermöglichen,“ so Statistik Austria. Im EU-Durchschnitt fällt der Einkommensunterschied zwischen Männern und Frauen mit 16,2 Prozent deutlich geringer aus. Nur in Estland ist der „Gender Pay Gap“ mit 30 Prozent noch größer als in Österreich.

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Gender Pay Gap in Österreich und in der EU, aus "Wie geht's Österreich?", Statistik Austria, 2014

Gender Pay Gap in Österreich und in der EU-27, aus „Wie geht’s Österreich?“, Statistik Austria, 2014

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Kein zwingender Zusammenhang besteht dabei zwischen Höhe der Frauenerwerbsquote und Höhe des geschlechtsspezifischen Einkommensunterschied. Hohe Frauenerwerbsquoten gehen etwa keineswegs zwingend mit niedrigeren Einkommensunterschieden einher. Länder wie Slowenien oder Malta weisen zwar einen niedrigen Gender Pay Gap auf (knapp 2 bzw. 6 Prozent) allerdings nur niedrige Frauenerwerbsquoten. Österreich, die Niederlande, Deutschland oder das Vereinigte Königreich weisen umgekehrt bei hohen Frauenerwerbsquoten einen überdurchschnittlich hohen Gender Pay Gap auf. In Ländern wie Schweden und Dänemark mit traditionell hohen Frauenerwerbsquoten liegt der Einkommensunterschied zwischen Männern und Frauen dagegen wieder unter EU-Schnitt. Jedenfalls, hält die Statistik Austria fest, dass die Unterschiede mit „einer Reihe komplexer Faktoren“ zu tun hätten, die in „wechselseitiger Beziehung zueinander“ stünden – etwas mit Frauenerwerbsquoten, Teilzeitquoten oder der sektorale Segretation, die zwischen den Mitgliedsstaaten der EU beträchtlich variieren würden.
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Unbezahlte (Haus-)Arbeit …
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Jede Menge Dienstleistungen tauchen in volkswirtschaftlichen Kennzahlen – etwa dem BIP das die wirtschaftlichen Leistungen einer Volkswirtschaft über eine Periode abbildet – schlichtweg nicht auf. Dienstleistungen, die preislich nicht bewertet sind, die nicht „am Markt“ erbracht werden, die der „Reproduktion“ von Arbeitskraft „zu Hause“ dienen fallen: Kinder- und Altenbetreuung, kochen, putzen …
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„Unbezahlte“ Arbeit setzt sich aus den Aktivitäten Haushaltsführung, Kinderbetreuung und Freiwilligenarbeit zusammen. Und: Hat sich auch die Struktur der nicht-bezahlten Arbeit in den letzten Jahrzehnten stark verändert – viele Dienstleistungen, die früher im Familienverband erbracht wurden werden heute am Markt „zugekauft“ oder von der öffentlichen Hand angeboten –  bleibt die Zeit, die für unbezahlte Arbeit aufgewandt wird, fast gleich. Und wenn Frauen heute auch weniger Zeit „unbezahlt“ arbeiten als noch 1981: es bleibt ein klarer Geschlechterunterschied. Frauen leisteten 2008/09 noch immer fast doppelt so viel unbezahlte (Haus-)Arbeit wie Männer. Während Frauen 2008/09 täglich 4 h 53 min für unbezahlte Arbeit aufwenden mussten (1981 noch 5 h 22 min, 1992 sogar 5 h 30 min), betrug der Männeranteil lediglich 2 h 41 min (1981 erst 1 h 34 min, 1992 bereits 2 h 10 min). Insbesondere bei der Position  „Haushaltsführung“ zeigt sich der große Unterschied: für Hausarbeit wandten Frauen 2008/09 knapp 4 Stunden auf, Männer dagegen nur  2 h 10 min.
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… und was diese mit der Verteilung (bezahlter) Erwerbsarbeit zu tun haben könnte
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Auf der Seite der Statistik Austria finden sich allerdings noch andere Zahlen. Etwa über die Entwicklung der Teilzeitbeschäftigung in Österreich. Und wie sich denn Überstunden in Österreich veteilen.
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  • So stieg die Teilzeitquote in Österreich  im Jahr 2013 bei den unselbständig Beschäftigten noch einmal auf 26,5 Prozent (2012: 25,7 Prozent) und erreichte einen neuen Spitzenwert. In absoluten Zahlen waren 2013 959.400 ArbeitnehmerInnen teilzeitbeschäftigt.
  • Von den weiblichen ArbeitnehmerInnen arbeiteten 45,5 Prozent (2012: 44,9 Prozent) Teilzeit. Bei den Männern lag die Teilzeitquote 2013 gerade einmal bei 10 Prozent (2012: neun Prozent).
  • Ist Teilzeitarbeit „weiblich“, sind Überstunden (bzw. Mehrstunden) ein tendenziell männliches Phänomenen. 2013 erbrachten 24,7 Prozent der Männer, aber nur 13,5 Prozent der Frauen Über- bzw. Mehrstunden.
  • Geht es allerdings um den Anteil unbezahlt erbrachter Mehr- bzw. Überstunden, sind wieder die Frauen voran. 27 Prozent der Mehr- und Überstunden, die von Frauen gearbeitet wurden, waren unbezahlt. Bei den Männern waren es immerhin „nur“ 17 Prozent.
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Alleine aus diesen wenigen Zahlen zur Verteilung bezahlter Erwerbsarbeit inklusive Mehr- und Überstundenarbeit lässt sich wohl ein „gewisser“ Zusammenhang zur nach wie vor vorherrschenden geschlechtsspezifischen Verteilung unbezahlter Arbeit herstellen. Und zu daraus resultierenden weit auseinanderklaffenden  „mittleren“ Frauen- und Männereinkommen (siehe Teil I). Wie geht’s also Österreich? Wie ist’s um den „materiellen Wohlstand“ der österreichischen ArbeitnehmerInnen bestellt? Aufgrund der vorliegenden Faktenlage wird die Beantwortung  dieser Frage wohl je nach Geschlechtszugehörigkeit höchst unterschiedlich ausfallen ….

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Link zur Statistik Austria, Presseaussendung und Downloadmöglichkeit: Wie geht’s Österreich?, Statistik Austria 2014

Zur Website Wie geht’s Österreich?, Statistik Austria mit Grafiken, Tabellen und Kurzanalysen

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