Das war „Armut trotz Arbeit – Armutsgefährdung für Beschäftigte im Sozialbereich“

Ein Rückblick auf eine Veranstaltung der Vernetzung Soziales am 18.09.2013

Einen Einblick in die gewerkschaftlichen Abläufe bei den Kollektivvertragsverhandlungen (KV) am letztjährigen Beispiel der Sozialwirtschaft Österreich (BAGS) ermöglichte uns Stefan Taibl,  Betriebsratsvorsitzender der PSZ GmbH und einer der AUGE/UG-VertreterInnen im großen Verhandlungsgremium zu den Kollektivverträgen im Sozial- und Gesundheitsbereich. Die damals letzte Abstimmung im Zuge der Verhandlungen viel knapp aus. Dennoch erfolgte eine Zustimmung zum vergleichsweise niedrigen KV-Abschluss unter der Inflationsrate, also mit Reallohnverlust für die ArbeitnehmerInnen.

Das bedeutet im chronisch unterbezahlten, traditionell weiblichen und viele Teilzeitbeschäftigte aufweisenden Arbeitssektor des Sozial- und Gesundheitsbereichs, dass Angestellte immer wieder in Armut schlittern. Dem niedrig abgeschlossenen KV-Abschluss gegenüber stand gleichzeitig auch eine bereits tiefe Betroffenheit gegenüber ArbeitskollegInnen denen aufgrund finanzieller Nöte beispielsweise mittels Kleidersammlungen bereits unter die Arme gegriffen werden musste. Aus dieser Situation heraus setzte Stefan Taibl kurzer Hand die   Petition „Armutsgefährdung für Beschäftigte im Sozialbereich“   auf. Sie zog innergewerkschaftliche Reaktionen nach sich, da BetriebsrätInnen verschiedenster Fraktionen – auch die der im KV-Verhandlungsgremium zahlenmäßig mehrheitlich vertretenen – unterschrieben um ihrer Sorge Ausdruck zu verleihen.

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Wie kam es aber dann zu dieser Zustimmung der ArbeitnehmervertreterInnen zum niedrigen KV-Abschluss mit Reallohnverlust? Ein möglicher Grund scheint die Angst davor zu sein, was passieren würde, sollte es  weiterhin zu keiner Einigung kommen. Klingt fast, als hätte der Löwe verlernt zu brüllen oder wie der derstandard in einem Artikel schreibt „Legt man es positiv aus, hat das System der Sozialpartnerschaft Streiks einfach unnötig gemacht, Ergebnisse zum Wohle aller wurden am grünen Tisch ausverhandelt. Blickt man mit Argwohn auf die Tatsache, dass Streiks in Österreich Mangelware sind, dann hat die Sozialpartnerschaft dem Arbeitskampf die Zähne gezogen.“ (Quelle, online, derstandard.at 04.02.2013). Anstatt hart in Sachen faire Löhne zu verhandeln werden Kleidersammlungen organisiert? „Der Sozial- und Gesundheitsbereich muss sich endlich selbst ernst und wichtig genug nehmen um faire Entlohnung für seine bis zu 20.000 Angestellten einfordern anstatt jährlich einem Reallohnverlust aus Mangel an Perspektiven zuzustimmen“ so Stefan Taibl. Wir stimmen zu, diskutieren und kommen zum Schluss, dass bereits v o r  den Kollektivvertragsverhandlungen auf uns aufmerksam zu machen und eine faire Entlohnung zu fordern, ein Anfang wäre. Diesen Oktober beginnen wieder die gewerkschaftlichen Gremien die Forderungen für die neuen Kollektivvertragsverhandlung zusammenstellen. Um deren Ernst und Wichtigkeit Ausdruck zu verleihen wird es notwendig sein die Angestellten des Sozial- und Gesundheitsbereichs zu mobilisieren. Notfalls bis hin zu Streiks.

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Ein chronisch unterbezahlter, klassisch weiblicher Arbeitssektor mit vielen Teilzeitangestellten und dann noch jährlicher Reallohnverlust, das sind ernste und ganz konkrete negative Auswirkungen auf die Menschen die in diesem Bereich arbeiten. In Finnland haben sich 2007 KrankenpflegerInnen im damaligen Wahljahr zusammengeschlossen und mittels Streikandrohung die längst überfällige Lohnerhöhung gefordert – und erhalten (!). Daran knüpft sich auch gleich die Frage wie gerade in den pflegenden Bereich überhaupt gestreikt werden könnte, ohne die PatientInnen zu vernachlässigen. Denn das stellt meist ein Killerargument dar, dass jegliche Mobilisierung schon im Keim zu ersticken droht.

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Wichtig ist auch noch einen Blick auf das Dreiecksverhältnis im privaten Sozial- und Gesundheitsbereich  „Fördergeber – Arbeitnehmer – Arbeitgeber“ zu werfen. Die Hauptströmung in der Gewerkschaft betonen, dass der ausschließliche Ansprechpartner der BetriebsrätInnen lediglich die Arbeitgeber sind. Die Arbeitgeber aber sagen „Da könn ma gar nichts machen, so sind die Vorgaben der Fördergeber.“ Die Fördergeber sagen „Das geht uns nichts an, sprecht doch mit euren Arbeitgebern“ und so weiter und sofort. Um entgegen der herkömmlichen gewerkschaftlichen Meinung in Kommunikation mit den Fördergebern zu treten und ihnen neben dem steten Ruf nach Effizienz auch den Nutzen von Qualität wieder zu vermitteln wurde die BetriebsrätInnenplattform (www.brsozial.wordpress.com) gegründet, die zwar noch recht klein jedoch stetig auf den Stein der Fördergeber tropft.

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„Gerade die Personen die mit der Gewerkschaft unzufrieden sind sollten sich in der Gewerkschaft engagieren.“ so Stefan Taibl. Ja und deshalb wollen wir uns weiter vernetzen, um nicht gemeinsam einsam zu arbeiten sondern um gemeinsam etwas zu bewegen.

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Das Ziel der Beseitigung der Armut durch Kollektivverträge im Sozialbereich wollen wir erreichen durch

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  • … Ergänzung von Qualität im wirtschaftlichen Effizienzdenken
  • draußen lassen der politischen Fraktionsspielchen im Sozial- und Gesundheitsbereich
  • gewerkschaftliches Engagement auf Grund Unzufriedenheit mit der Gewerkschaft

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ganz kurz gesagt „dran bleiben, engagieren und mobilisieren!“

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