AK OÖ: Aktuelle Daten zur Einkommensverteilung
21. September 2011 von adminalternative
Am 19. September 2011 hat die Arbeiterkammer Oberösterreich aktuelle Daten zur Einkommensverteilung veröffentlicht. Ein Ergebnis gleich vorneweg: die ArbeitnehmerInneneinkommen bleiben weit hinter der Produktivitätsentwicklung zurück, die Nettoeinkommen sind seit 1994 real sogar leicht gesunken. Innerhalb der Lohnabhängigen wächst die Ungleichheit.
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Entwicklung der Lohnquote
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Die Lohnquote – also der Anteil der Löhne am gesamten Volkseinkommen – ist seit 1994 von 74,7 % auf 68,8 % im Jahr 2010 gesunken. Für 2011 wird eine weiterer leichter Rückgang auf 68,5 %, für 2012 eine Stabilisierung auf 68,6 % prognostiziert. Vom Tiefstand 2007 (65,1 %) hat sich die Lohnquote lediglich aufgrund des massiven Einbruchs der Gewinne im Zuge der Wirtschaftskrise kurzfristig wieder „nach oben“ entwickelt. Mit dem Anteil von knapp unter 69 % liegt die aktuelle Lohnquote unter jener des Jahres 2003. Ein Prozentpunkt macht dabei rund 2,2 Mrd. Euro – mehr oder weniger Löhne für die ArbeitnehmerInnen in Österreich – aus.
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Produktivität wächst, Bruttoeinkommen bleiben zurück, Nettoeinkommen sinken
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Seit 1994 ist die Produktivität – also der „Output“ pro ArbeitnehmerIn – der unselbständig Beschäftigten um 23,9 % (Prognose 2012) gestiegen. Seit Mitte der neunziger Jahre ist die Arbeit einer/eines durchschnittlichen Arbeitnehmers/-nehmerin also beinahe um ein Viertel gestiegen.
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Deutlich zurück bleibt dagegen die Lohnentwicklung. Die Bruttolöhne sind real – also in Kaufkraft gemessen – lediglich um + 5,2 % gestiegen (im Niedriglohnbereich gab es massive Reallohnverluste, Anm.). Die Nettoeinkommen der ArbeitnehmerInnen – also die Einkommen abzüglich Sozialversicherungsbeiträge und Steuern – sind sogar gesunken – im Vergleich zu 1994 um – 0,5 %. Interessant: über den ganzen Zeitraum seit 1994 verlieren die Nettorealeinkommen deutlich – 1997 sogar um beinahe 7 %. Lediglich im Jahr 2009 – dank guter Vorjahreslohnabschlüsse und wohl auch der Steuerreform geschuldet – gab es im Vergleich zu 1994 leichte Nettorealeinkommenszuwächse von 0,7 %, die allerdings bereits 2010 wieder egalisiert wurden und 2011 ins minus drehten (- 0,8 %).
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Wenn die Produktivität steigt, die Löhne allerdings kaum, dann kommt das logischerweise den Kapitaleignern zugute: während die Löhne (kumuliert) seit 1994 um + 72 % gestiegen sind, sind die Einkommen aus unternehmerischer Tätigkeit (Gewinne) und Vermögen um + 131 % fast doppelt so schnell gewachsen. Die AK Oberösterreich:
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„Obwohl die Gewinne steigen, bleiben Beschäftigungsentwicklung und Investitionen schwach. Das bedeutet, dass Gewinne nur zum Teil produktiv investiert werden. Ein hohes Ausmaß fließt als Dividenden in die Hände der Aktionäre/-innen und wird für Firmenaufkäufe sowie spekulative Finanzanlagen verwendet.“
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Und tatsächlich: obwohl die Gewinne sprudeln – vor allem in den börsenotierten Unternehmen – geht die Beschäftigung zurück. Während das Gewinnniveau der ATX-Unternehmen im Mai 2011 mit 5,3 Mrd. Euro (Dividendenausschüttungen: 2,1 Mrd. Euro) bereits wieder Vorkrisenniveau erreicht hat, sind seit 2009 24.000 Jobs in diesen Unternehmen verloren gegangen. Würden die AktionärInnen auf nur ein Viertel an Ausschüttungen verzichten, könnten damit 13.000 Arbeitsplätze finanziert werden.
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Wachsende Lohnungleichheit
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Ist schon die Verteilung zwischen Kapital und Arbeit ungleich verteilt, wächst auch die Ungleichheit unter den Lohnabhängigen:
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- 10 % der Top-VerdienerInnen verdienten 2009 30,3 % aller Löhne und Gehälter. Rund 400.000 Höchstverdienende bekommen vom Lohn- und Gehaltskuchen rund 33,7 Milliarden Euro.
- Für die NiedrigverdienerInnen heißt das umgekehrt: die einkommensschwächsten „unteren“ 60 % aller Lohn- und GehaltsbezieherInnen verdienen gerade einmal 28 % aller Löhne und Gehälter. Das heißt in absoluten Zahlen: 2,4 Millionen ArbeitnehmerInnen erhalten zusammen gerade einmal 31,3 Milliarden Euro an Lohneinkommen.
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Seit Mitte der 90er Jahre hat sich die Verteilung der Lohneinkommen deutlich zugunsten der SpitzenverdienerInnen verschoben. Während das nominelle Einkommensplus bei den oberen 10 % pro Kopf bei + 41 % liegt, legte das „gutverdienende“ Drittel insgesamt um 35 % zu, das „mittlere“ Einkommensdrittel schon nur noch um + 22 %, und das einkommensschwächste Drittel schon überhaupt nur noch um verschwindende + 0,5 %.
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„Während der kleinen Gruppe der Einkommensstärksten noch weitere Erträge aus Kapital und Vermögen (Dividenden, Zinsen, Mieteinnahmen etc.) zufließen, müssen alle anderen mit den teils mageren Zuwächsen auskommen. Die geringsten Einkommen werden bei geringfügiger und Teilzeitbeschäftigung sowie bei niedrig entlohnten Vollzeitjobs bezahlt, wovon überwiegend Frauen betroffen sind.“
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Spitzengagen
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Top-Manager in Österreich verdienen so viel wie 41 ihrer MitarbeiterInnen. Die Spitzenmanager von ATX-Unternehmen verdienten durchschnittlich 1,15 Millionen Euro/Jahr (2010). Das ist im Vergleich zum Vorjahr ein sattes Plus von 20 %, eine Steigerung, wovon ArbeitnehmerInnen nur träumen können (und was mich zur ausgesprochen unqualifizierten Äußerung „Was war eigentlich deren Leistung?“ – nicht jene der ArbeitnehmerInnen, sondern jene der Top-Manager – hinreißen lässt). Aber auch anderen Führungskräften geht es eigentlich ganz gut. Eine durchschnittliche Führungskraft gingt 2010 mit 186.200 Euro/Jahr nach Hause. Immerhin um 5 % mehr als noch 2009. Auch von diesem Prozentsatz können ArbeitnehmerInnen nur träumen …
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Teures Leben
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Seit 2009 und 2010 steigt die Inflation wieder. 2011 werden die Preise für Güter und Dienstleistungen um drei Prozent steigen, Güter des täglichen Bedarfs weisen besonders hohe Preissteigerungen auf. In den letzten sechs Jahren sind – laut AK – die Preise für den „Tages- und Wocheneinkauf“ um 18 bzw. 21 % gestiegen!
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Hohe Preise für Güter des „täglichen Bedarfs“ treffen natürlich vor allem einkommensschwächere Gruppen, weil diese ein ungleich höheren Anteil ihres Einkommens für derartige Güter und Dienstleistungen aufbringen müssen, als einkommensstärkere ArbeitnehmerInnen:
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- so muss das einkommensschwächste Zehntel aller Haushalte 62,5 % ihres Budgets für Energie, Wohnen, Ernährung und (alkoholfreie) Getränke ausgeben.
- Das „mittlere“ (5.) Zehntel schon nur noch 41,8 %.
- Das einkommensstärkste Zehntel überhaupt nur noch 24,5 %.
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Armut und Reichtum in Österreich
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488.000 Menschen – das sind 6 % der österreichischen Bevölkerung – sind akut arm. Weitere rund 500.000 Menschen sind aufgrund niedriger Einkommen (weniger als 60 % des Medianeinkommens, das sind in Österreich für 2009 994 Euro/Monat für einen Ein-Personen-Haushalt) armutsgefährdet. Armutsgefährdete Personen haben in der Regel weniger als 823 Euro/Monat zur Verfügung. 241.000 Menschen sind arm trotz Arbeit. Rund die Hälfte von ihnen – nämlich rund 117.000 Personen – sind dabei sogar ganzjährig Vollzeit beschäftigt.
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Wer von Armut spricht, darf vom Reichtum nicht schweigen: 73.900 Euro-MillionärInnen gab es 2010 in Österreich – um 7 % mehr als noch 2009. Und nicht nur die Millionäre sind mehr geworden, sondern auch die dazugehörigen Millionen: von 2009 bis 2010 hat sich der „Reichtum“ der MillionärInnen um 20 Milliarden Euro (+ 8 %) auf 230 Milliarden Euro erhöht. Für 2012 wird den MillionärInnen Österreichs ein Vermögen von 315 Mrd. Euro prognostiziert.
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Was die AK fordert
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Aus den angeführten Zahlen, Daten und Fakten zieht die AK folgende Schlüsse und daraus formulierte Forderungen (Auswahl):
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- Mindestlohn von 1.300 Euro/brutto
- Gleicher Lohn für gleichwertige Arbeit
- Deutliche Kaufkraftstärkung insbesondere niedriger Einkommen
- Begrenzung der steuerlichen Absetzbarkeit von hohen Managergehältern
- Bindung von Prämien an soziale, beschäftigungsrelevante und ökologische Kriterien
- Arbeitszeitverkürzung ohne Einkommensverlust und mit Ausgleich beim Personal
- korrekte Abgeltung und Abbau von Überstunden durch z.B. höhere Zuschläge
- Schluss mit kurzen Verfallsfristen von Ansprüchen und von nachteiligen „All-In“-Regelungen
- Erhöhung der Nettoersatzrate beim Arbeitslosengeld auf 75 %, Streichung der Anrechnung des Partnereinkommens bei der Notstandshilfe
- Mindestsicherung auf existenzsicherndem Niveau (deutlich über der Armutsschwelle bei 1.031 Euro/zwölf mal jährlich)
- Bekämpfung der Scheinselbständigkeit durch Erweiterung des ArbeitnehmerInnenbegriffs
- volle arbeitsrechtliche Absicherung freier DienstnehmerInnen (Mindestlohn, Arbeitszeit, Urlaub etc.)
- Vermögenssteuer auf hohe Privatvermögen (ab 700.000 bzw. 1 Mio. Euro)
- Börsenumsatzsteuer bis zur Einführung einer EU-weiten Finanztransaktionssteuer
- deutlich niedrigerer Einstiegssteuersatz bei der Lohnsteuer
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Links:
AK OÖ Broschüre „Gerechter Anteil am Wohlstandszuwachs durch kräftige Lohn- und Gehaltserhöhungen)