AK-Unternehmensmonitor 2010: Krise? Welche Krise?

Im Dezember 2010 hat die Arbeiterkammer erstmals die Ergebnisse des AK-Unternehmensmonitors für die Jahre 2005 bis 2009 (Krisenjahr 2009 – AK-Unternehmensmonitor 2010, der AK NÖ, AK OÖ und AK Wien) veröffentlicht: der AK-Unternehmensmonitor nimmt dabei die alljährliche Performance der heimischen Unternehmen sowie der einzelnen Sektoren (Dienstleistung, Energie, Handel, Sachgütererzeugung) unter die Lupe. Dank einer umfangreichen Datenbank, welche die Bilanzen von jährlich bis zu 1.500 mittelgroßen und großen Unternehmen umfasst (z.B. Datensample 2005: 1.317 Unternehmen mit 718.175 Beschäftigten – d.s. 21,7 % der unselbständig Beschäftigten in Österreich, 2007: 1.499 Unternehmen, 778,278 Beschäftigte, 22,6 % 2009: 796 Unternehmen, 520.637 Beschäftigte, 14,7 %, viele Jahresabschlüsse zum Zeitpunkt der Untersuchung noch nicht veröffentlicht), haben die Untersuchungsergebnisse eine hohe Aussagekraft.

Die AK analysiert die Unternehmen/Branchen hinsichtlich ihrer Ertragslage, der betrieblichen Verteilungspolitik, der finanziellen Stabilität, der Zukunft und der gesellschaftlichen Verantwortung (u.a. Steuerleistung der Unternehmen und Sektoren).

Neben der Entwicklung der Unternehmen und Branchen von 2005 bis 2009 steht im vor allem die Entwicklung der Unternehmen im Krisenjahr 2009 im Zentrum: Welche Spuren hat die größte Finanz- und Wirtschaftskrise der Nachkriegszeit bei den österreichischen Unternehmen hinterlassen?

Ertragslage – die Eigentümer durften erfreut sein

Die Ertragslage der österreichischen Unternehmen präsentierte sich im Krisenjahr 2009 überraschend gut. Die Gewinnspanne, die EBIT-Quote (ordentliches Betriebsereignis in Prozent der Betriebsleistung) hat sich seit dem betrachteten Zeitraum gut entwickelt (2005: 4,2 %, 2006: 4,8 %, 2007: 5,2 %, 2008: 4,3 %) und lag auch im Jahr 2009 nach der Krise noch immer bei guten 3,8 % (d.h., dass den Unternehmen bei einem Umsatz von 100 Euro fast 4 Euro Gewinn bleiben). Und das trotz schwieriger wirtschaftlicher Rahmenbedingungen.

Erfreuen durften sich ob der günstigen Ertragslage der Unternehmen vor allem deren EigentümerInnen. Die Untersuchung der AK zeigt, dass in den letzten Jahren sehr lukrative Eigenkapitalrentabilitäten (EK-R, Jahresüberschüsse im Verhältnis zum durchschnittlich eingesetzten Kapital, quasi die „Verzinsung“ des eingesetzten Kapitals) erzielt wurden. So lag im Jahr 2005 die EK-R etwa bei 14,8 % um bis 2007 einen Spitzenwert von 15,2 % zu erzielen. Zum Vergleich: die „Sekundärmarktrendite“ (SMR, das ist die durchschnittliche Rendite aller im Umlauf befindlichen, inländischen festverzinslichen Wertpapieren erster Bonität, also von Anleihen, vor allem Staatsanleihen) lag 2005 bei 3 %, 2007 bei 4,2 %.

Die Eigenkapitalrentabilität im Krisenjahr 2009 lag immer noch bei 9,6 % – und damit um 6,3 Prozentpunkte über der Sekundärmarktrendite (3,3 %).

Betriebliche Verteilungspolitik: Dividenden hui, Löhne/Gehälter …

Krise hin, Krise her: wer hat, dem wird gegeben, wer nicht hat, dem halt nicht. Die Ausschüttungen der heimischen Unternehmen sind im Verhältnis zu Löhnen und Gehältern massiv getiegen: 2005 betrugen die Dividenden 26,7 % der Bruttolöhne und -gehälter, um bis 2008 auf den Rekordwert von 40,1 % zu steigen. Wer nun meint, dass die Krise s in entsprechend deutlich niedrigeren Ausschüttungen ihren Niederschlag finden würde, der/die irrt: 2009 lag der Anteil der Ausschüttungen gemessen an Löhnen/Gehältern bei 39,7 % – während den Beschäftigten gleichzeitig zu Kurzarbeit und Lohnzurückhaltung verordnet wurde, kamen die Aktionäre um die Krise ganz offensichtlich wunderbar herum.

Auch an den Produktivitätsfortschritten bzw. der steigenden Wertschöpfung haben die ArbeitnehmerInnen nicht bzw. kaum partizipiert. Im Gegenteil: von 2005 bis 2006 ist der Personalaufwand an der Wertschöpfung pro Kopf von 61,2 auf 60,0 % zurückgegangen. Der leichte Zuwachs auf 62,2 % bis zum Jahr 2009 ist auf den Rückgang der Wertschöpfung im Rahmen der Krise zurückzuführen, nicht auf erfolgreiche Verteilungskämpfe.

Hohe Liquidität, hohe Eigenkapitalquote

Die Liquidität – das Verhältnis von kurzfristigem Umlaufvermögen zu kurzfristigem Fremdkapital, alos die Zahlungsfähigkeit der Betriebe – ist in Österreich mit 99,7 % im Krisenjahr 2009 überraschend hoch. Sie hat sich zwar seit 2006 (107,4 %) etwas verschlechtert, liegt allerdings auch am Höhepunkt der Krise nur knapp unter 100 %.

Interessant die Details: ein Viertel der Unternehmen weist einen geringeren Liquiditätsgrad als 93,3 % auf, während die Hälfte der Unternehmen mit einem Wert von über 123,7 % über eine gute Liquidität verfügt, das „beste“ Viertel aller Unternehmen kann mit einer Liquidität von sogar 179,9 % fällige Schulden jederzeit tilgen.

Noch besser als die Zahlungsfähigkeit stellt sich die Eigenkapitalquote dar (Eigenkapital in Prozent des Gesamtkapitals. Hat für die Krisenfestigkeit des Unternehmens hohe Bedeutung, da mögliche Verluste vom Eigenkapital aufgefangen werden müssen). Die Eigenkapitalquote lag die vergangenen fünf Jahre immer über 40 % (2006/2007 bei 45 %) und lag auch im Krisenjahr 2009 bei immer noch guten 43 %. Bei genauerer Betrachtung zeigt sich, dass ein Viertel der untersuchten Unternehmen einen Eigenkapitalquote von weniger als 23,6 % vorweisen konnte, was nur einer mittelmäßigen Eigenkapitalausstattung entspricht. Die Hälfte der Unternehmen liegt allerdings über 40,6 %, das beste Viertel über 63,4 % Eigenkapitalquote.

Hohe Investitionsbereitschaft – allerdings auch in Finanzinvestitionen

Die Investitionsbereitschaft der Unternehmen ist in den letzten Jahren als zufriedenstellend zu bewerten, so die AK-ExpertInnen. Die Investitionsneigung (Investitionen in Sachanlagen im Verhältnis zu den Abschreibungen) lag 2005 bei 125,6 %, um bis 2007/2008 auf 156,5 % zu steigen und 2009 auf 144,1 % zu fallen – allerdings immer noch über 2005 liegend. Das lässt den Schluss zu, dass die österreichischen Unternehmen durchaus Investitionsbereitschaft zeigen.

Allerdings auch in Finanzanlagen: Machten die Investitionen in Sachanlagen 1005 121,9 % der Finanzinvestitionen aus, sind diese 2006 auf 89 % zurückgegangen. Dieser niedrige Wert deutet darauf hin, dass sich Unternehmen primär auf den Erwerb von Wertpapieren und Unternehmensbeteiligungen konzentriert haben, anstatt in die eigenen Standorte zu investieren, wie Produktionskapazitäten auszuweiten, neue, modernere oder auch umweltfreundlichere Anlagen, Maschinen, Gebäude zu kaufen etc. Mit der Wirtschaftskrise und den Einbrüchen an den Finanzmärkten haben sich Sachanlagen gegenüber Finanzanlagen wieder stärker durchgesetzt (2008, 149,9 % Sach- im Verhältnis zu Finanzanlagen). Im Jahr 2009 hat sich der Trend allerdings schon wieder umgekehrt, das Verhältnis ist auf 131 % gefallen.

„Gesellschaftliche Verantwortung?“

Was den Beitrag der Unternehmen zum Steueraufkommen – also jenem Aufkommen aus dem gesamtgesellschaftliche Leistungen wie öffentliche und soziale Infrastruktur, Bildungseinrichtungen, etc. finanziert werden – betrifft, ist Bescheidenheit ganz offensichtlich eine Tugend. An sich gilt ja bei der Körperschaftssteuer ein – ohnehin niedriger – Steuersatz von 25 %, von 2005 bis 2009 erreichte der „effektive Steuersatz“, also das Verhältnis der bezahlten Ertragssteuern zum EGT („Ergebnis der gewöhnlichen Geschäftstätigkeit“, wobei Ertragssteuern nur abzuführen sind, wenn das EGT positiv ist, also ein Gewinn vorliegt) allerdings nicht einmal 20 % (2005: 19,5 %, 2007: 17,8 %, 2008: 19,7 %). Im Jahr 2009 lag mit 17,5 % die geringste Steuerleistung vor.

„Gemessen am effektiven Steuersatz weisen österreichische Unternehmen – auch im internationalen Vergleich – eine niedrige Steuerleistung auf.“

Rückläufig sind nicht nur die Steuerbeiträge, sondern auch die Beschäftigungszahlen: Obwohl die Konjunkturdaten 2006 bis 2008 deutlich nach oben wiesen, stiegen die Beschäftigtenzahlen bei den untersuchten Unternehmen nicht entsprechend (2006: plus 1,1 %,20087: minus 0,2 %, 2008: plus 1,6 %). Besonders drastisch wirkte sich die Finanz- und Wirtschaftskrise auf die Beschäftigung aus: 2009 war im analysierten Unternehmenssample ein Beschäftigungsrückgang von 2,5 % zu verzeichnen. Ist diese Entwicklung angesichts eines Wirtschaftseinbruchs von beinahe minus 4 % eigentlich nicht moderat. Die AK-ExpertInnen dazu:

„Kurzarbeit und die hohe Flexibilität der ArbeitnehmerInnen haben den Beschäftigungsrückgang weitgehend gedämpft. Weiter ist zu berücksichtigen, dass sich die vorliegende Zahlenreihe ausschließlich auf die Entwicklung des Stammpersonals bezieht und ZeitarbeiterInnen – aufgrund der Datenlage – nicht berücksichtigt werden konnten. Gerade diese Beschäftigungsgruppe war jedoch massiv von Kündigungen (v.a. Sachgütererzeugung) betroffen.“

Branchenergebnisse

Zusammengefasst Branchenergebnisse (sämtliche Ergebnisse Krisenjahr 2009, in Klammer Vergleich zu Vorjahr, Bewertung nach Schulnotensystem aus Sicht der Arbeiterkammer: 1= sehr gut, 2 = gut, 3 = befriedigend, 4 = genügend, 5 = Nicht genügend):

Dienstleistungssektor

Untersucht wurden 128 Unternehmen aus den Bereichen Hotel und Gaststätten, Gütertransport, Personenbeförderung, Nachrichtenübertragung, Postdienste, Datenübertragung, Beratung, Reinigungsdienste, Personalleasing, Entsorgung und Montagen, jedoch keine Non-Profit-Unternehmen

  • EBIT-Quote: 3,2 % (+ 0,4 %), AK-Note: 3
  • Eigenkapitalquote: 35,3 % (- 1,5 %), AK-Note: 2
  • Gewinnausschüttung in % der Lohn- und Gehaltssumme: 32,3 % (+ 7,3 %!), AK-Note: 3
  • Effektiver Steuersatz: 12,5 % (k.A.), AK-Note: 5
Energieversorgungsunternehmen und Stadtbetriebe

Dieser Sektor umfasst neben der Energie und Wasserversorgung (Strom, Gas, Wärme und Wasser) auch den Bereich der Stadtbetriebe (z.B. Wiener Linien, Linz Linien, Graz AG), insgesamt 50 Unternehmen.

  • EBIT-Quote: 6,6 % (+ 1,3 %), AK-Note: 1
  • Eigenkapitalquote: 54,5 % (- 0,7 %), AK-Note: 1
  • Gewinnausschüttung in % der Lohn- und Gehaltssumme: 74,7 % (!, k.A.), AK-Note: 5
  • Effektiver Steuersatz: 20,5 % (k.A.), AK-Note: 3
Handel

Umfasst sowohl Großhandel, als auch Einzelhandel, vor allem die Bereiche Nahrung, Rohstoffe, Maschinen, Mineralöl, Pharmaartikel, Möbel, Kfz (nicht Energie- und Wasserversorgung), insgesamt standen Daten von 181 Unternehmen zur Verfügung.

  • EBIT-Quote: 1,7 % (- 0,4 %), AK-Note: 4
  • Eigenkapitalquote: 37,1 % (- 1,8 %), AK-Note: 2
  • Gewinnausschüttung in % der Lohn- und Gehaltssumme: 23,7 % (+ 3,3 %), AK-Note: 2
  • Effektiver Steuersatz: 21,5 % (k.A.), AK-Note: 3
Sachgütererzeugung

Insgesamt 437 Produktionsunternehmen in den Bereichen Nahrungs- und Genussmittel, Textil und Bekleidung, Holzbe- und -verarbeitung, Papier- und Papperzeugung, Druck und Verlag, Chemie und Kunststoff, Erde und Glas, Metallerzeugung und -bearbeitung, Elektroindustrie und Bauwesen.

  • EBIT-Quote: 4,8 % (- 0,7 %), AK-Note: 2
  • Eigenkapitalquote: 43,6 % (k.A.), AK-Note: 1
  • Gewinnausschüttung in % der Lohn- und Gehaltssumme: 42,9 % (k.A.), AK-Note: 5
  • Effektiver Steuersatz: 16,8 % (k.A.), AK-Note: 4

Das Resümee der Arbeiterkammer:

„… Die Ergebnisse des Unternehmensmonitors für das Jahr 2009 zeigen: Die Verteilungsschieflage hat sich in der Krise deutlich verfestigt. Mehr denn je müssen jetzt die Unternehmen in die Verantwortung genommen werden und endlich einen gerechten Beitrag leisten …“

Wobei Genügsamkeit von Seiten der ArbeitnehmerInnen wohl nicht angebracht ist:  schließlich geht es nicht nur um den Kuchen, den es zu verteilen gilt, sondern vor allem auch um die Bäckerei, in der gebacken wird.

Linktipp: AK-Unternehmensmonitor 2010, Krisenjahr 2009 – Österreichische Unternehmen unter der Lupe

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