AK-Wahl 2009, erste Runde: Durchatmen bei der AUGE/UG

Die erste Runde der Arbeiterkammerwahlen ist geschlagen. Wir können einmal durchatmen. Leichte Zugewinne in Vorarlberg, ein Mandat zusätzlich in Salzburg sind durchaus erfreulich und verpassen uns einen entsprechenden Motivationsschub für die AK-Wahlen in den nächsten Bundesländern. Auch wenn die Auszählung eine Hochschaubahn der Gefühle war.

In Vorarlberg schien ein viertes Mandat nämlich schon in Reichweite. Als einzige Fraktion – neben dem ÖAAB, der deutlich zulegen konnte und wieder die absolute Mehrheit in der Vorarlberger AK-Vollversammlung hält – legte die AUGE/UG-Liste GEMEINSAM – wenn auch nur leicht – zu. Mit Ende des Auszählungstags – am freitag des 6. Februar – kam allerdings die bittere Wahrheit: ganze 22 Stimmen fehlten auf das vierte Mandat. Leichte Stimmverluste setzte es für Freiheitliche und die konservative türkische Liste NBZ, schwere Verluste für die FSG.

In Salzburg dagegen legte die AUGE/UG von Auszählungsgrad zu Auszählungsgrad und Hochrechnung zu Hochrechnung zu. Stand zu Beginn der Auszählung sogar noch ein Stimmenverlust im Raum, verbesserte sich das Ergebnis von Sprengel zu Sprengel. Bei 50 % Auszählungsgrad war zwar bereits ein leichter Zugewinn an Stimmen zu verzeichnen, allerdings kein zusätzliches Mandat. Der Ende des Auszählungstags brachte dann schließlich doch das heiß ersehnte und erhoffte vierte Mandat. Die AUGE/UG legte schließlich um 0,7 % von 4,9 % auf letztlich 5,63 % zu und war damit eine Gewinnerin der Salzburger AK-Wahlen. Zu den Gewinnern zählt ebenso die FSG, die ihre satte Zwei-Drittel-Mehrheit noch geringfügig ausbauen konnte (wenn auch ohne zusätzliches Mandat), die konservative MigrantInnenliste Mosaik, die mit einem Mandat den Wiedereinzug in die AK-Vollversammlung schaffte sowie die Freiheitlichen Arbeitnehmer, die künftig mit zwei Mandaten zusätzlich im ArbeitnehmerInnenparlament sitzen werden. Verluste – an Stimmen und Mandaten – setzte es für die ÖAAB-FCG Fraktion. Sie verlor gleich drei Mandate uns zählt zur Verliererin der AK-Wahlen in Salzburg. Leichte Zuwächse gab es für den KP-nahen GLB, allerdings ohne den Einzug in die AK-Vollversammlung zu schaffen.

AK-Sbg

Das Endergebnis der AK-Wahl in Sbg, Graphik: AK-Sbg

Kaum ein Trend ablesbar

Trends lassen sich aus den Arbeiterkammerwahlen allerdings kaum ablesen. Dazu sind die AK-Wahlergebnisse der einzelnen Gruppierungen – abgesehen vielleicht von der AUGE/UG – schlichtweg zu uneinheitlich und liegen wohl zu stark in regionalen Gegeben- bzw. Besonderheiten begründet. Und wohl auch darin, wer denn nun gerade das „Präsidentenamt“ in der jeweiligen AK inne hält.

  • Die FSG hat in Salzburg, wo sie auch den AK-Präsidenten stellt, ihre Zwei-Drittel-Mehrheit von 67,44 auf 68,08 % noch weiter ausbauen können – wenn auch ohne Mandatsgewinn. In Vorarlberg dagegen, wo der ÖAAB den AK-Präsidenten stellt, musste sie ein deutliches Minus von 6,01 % und den Verlust von 4 Mandaten hinnehmen. Saldo aus den bisherigen AK-Wahlen: ein minus von 4 Mandaten.

  • Die Fraktion ÖAAB-FCG hat in Vorarlberg wieder die absolute Mehrheit erreicht und stellt damit einmal mehr den AK-Präsidenten. Die verlorenen FSG Mandate wanderten direkt zum ÖAAB, der seine Mehrheit von 34 auf 38 Mandate (plus 6,39 % der Stimmen) ausbauen konnte. In Salzburg erlitten die Konservativen dagegen eine schwere Schlappe und verloren 3 Mandate (minus 4 %). Diese Mandate gingen allerdings nicht an die FSG sondern verteilten sich auf die kleineren Fraktionen. Saldo aus den bisherigen AK-Wahlen: plus 1 Mandat.

  • Die Freiheitlichen Arbeitnehmer (FA) verloren in Vorarlberg – politisch eigentlich eine freiheitliche Hochburg – leicht an Stimmen und Prozenten (- 0,23 %) hielten allerdings ihre vier Mandate. In Salzburg legten sie allerdings um 2 Mandate und fast 3,6 % zu. Der Mandats- und Stimmenzuwachs relativiert sich allerdings, wenn frau/mann berücksichtigt, die freiheitliche Abspaltung „Frei und Unabhängig“, die als Ergebnis der damaligen Spaltungen und Streitereien im freiheitlichen Lager als eigenständige Gruppierung zu den AK-Wahlen 2004 antrat und damals noch ein Mandat gewann, nicht mehr angetreten ist zur AK-Wahl 2009 nicht mehr kandidiert hat. Dieses freiheitliche Mandat – und die entsprechenden Stimmen und Prozente (2004: 1,41 %) – wanderte also erwartungsgemäß an die FA als Alleinrepräsentantin des freiheitlichen Lagers zurück, der Mandats- und Stimmenzuwachs (+ 2,17 %) fällt allerdings immer noch deutlich aus. Saldo aus den bisherigen AK-Wahlen: plus 2 Mandate.

  • Ein etwas einheitlicheres Bild ergibt sich dagegen für die AUGE/UG (in Vorarlberg als Liste GEMEINSAM – Grüne und Unabhängige). Und das ist durchaus erfreulich, auch wenn die Resultate bescheiden blieben: die AUGE/UG konnte sowohl in Vorarlberg als auch in Salzburg Stimmen und Prozente zulegen (Vbg. + 0,15 %, Sbg. + 0,7 %) und gewann in Salzburg – wie bereits erwähnt – ein Mandat dazu und verfehlte in Vorarlberg das vierte Mandat nur knapp. Entsprechend auch die Enttäuschung bei den Vorarlberger KollegInnen. Saldo aus den bisherigen AK-Wahlen: plus 1 Mandat.

  • Ein ebenfalls gemeinsamer Trend: der Rückgang der Wahlbeteiligung. In Vorarlberg ging die Wahlbeteiligung von knapp 44 % auf knapp über 41 % zurück, in Salzburg fiel sie leicht von knapp über 40, auf knapp unter 40 %.

Schlussfolgerungen …

… sind zwar (noch) schwer zu ziehen, dennoch fallen einige Punkte doch auf:

  • In Zeiten der Krise setzen die ArbeitnehmerInnen wieder verstärkt auf die großen Fraktionen, insbesondere auf die Mehrheitsfraktion in der jeweiligen AK. Sie stehen für – vermeintliche – Stabilität und Sicherheit, ihnen wird zugetraut, sich durchzusetzen. Gleichzeitig profitieren die Präsidentenfraktionen schlichtweg vom „Präsidentenbonus“, von ihrer medialen Omnipräsenz: keine Aussendung, kein Inserat ohne Konterfei des jeweiligen AK-Präsidenten. Dieser regelrechten „Werbewalze“ können kleinere Fraktionen kaum etwas entgegensetzen. Das ist nun mal so. Das ist wenig überraschend und kennen wir aus den AK-Wahlen der letzten Jahre. Das können wir schwer beeinflussen.

  • Es gibt ein Mobilisierungsproblem: die AK-Wahlen 2000 und ebenso 2004 waren stark vom Protest gegen die schwarz-blau-orange Regierung – und der allgemein unter den ArbeitnehmerInnen vorherrschenden Unzufriedenheit mit derselben – geprägt und wirkten entsprechend mobilisierend mit guten Wahlergebnissen für die Sozialdemokratische Gewerkschaftsfraktion (und in deutliche geringerem Ausmaß für die AUGE/UG). Die legte etwa von 2004 noch einmal kräftig von 64,13 auf 69,30 % zu: Wir erinnern uns: Pensionsreform, Privatisierungen, „Reform“ des Hauptverbandes mit entsprechendem Rausschmiss von Hans Salmutter, ständige Angriffe auf die Arbeiterkammern, neoliberale Reformen in der Steuer- und Wirtschaftspolitik, Dauerkrise der FPÖ usw. „Protest“ kann die FSG nicht mehr mobilisieren, ist doch in ihrem Verständnis „ihre“ Partei an der Bundesregierung. Dieser Protest war scheinbar vor allem in Vorarlberg nicht mehr gegen den ÖAAB mobilisierbar, da der Vorarlberger AK-Präsident nicht mehr als Vertreter einer „gegnerischen“ Regierung herhalten kann. SPÖ und ÖVP sind an der Regierung. Und somit auch „ihre“ Gewerkschaftsfraktionen. Das trifft – in Vorarlberg wie in Salzburg – offensichtlich den jeweils kleineren Regierungspartner ohne Präsidentenbonus. Zur Erinnerung: von der AK-Wahl 1999, wo die FSG gerade einmal 16,11 % erreichte, legte die FSG 2004 auf 35,17 % zu – um 2009 auf 29,19 % zurückzufallen. Spannend wird in diesem Zusammenhang sicherlich die Tiroler AK-Wahl: inwieweit sich der Wechsel der ÖAAB-Präsidentschaft von Dinkhauser zu Zangerl auf das WählerInnenverhalten auswirkt.

  • Die Erfolge der FA im Rahmen von AK-Wahlen wachsen nicht in den Himmel: Die AK-Wahl 2004 traf die Freiheitlichen ArbeitnehmerInnen besonders hart, fielen sie doch mitten in die schwarz-blau-orange Regierung, die Spaltung des freiheitlichen Lagers in BZÖ und FPÖ. Sie wurden österreichweit praktisch halbiert, hielten allerdings bundesweit knapp den dritten Platz vor der AUGE/UG (in Wien, Salzburg und Tirol konnten wir damals den dritten Platz erreichen). Zugewinne für die Freiheitliche sind allerdings – darüber darf Vorarlberg nicht hinwegtäuschen – zu erwarten. Sie profitieren schlichtweg vom wieder einmal vom Aufstieg der FPÖ, von sonst nichts. Im ÖGB sind sie de facto nicht existent und spielen keine politische Rolle. Durch oppositionelles Handwerk geschweige denn inhaltliche und politische Beiträge zu einer ArbeitnehmerInnenpolitik, von Gewerkschaftspolitik schon gar nicht zu reden – nicht einmal im Sinne ihrer Rechtsaußenideologie – sind sie im ÖGB-Bundesvorstand – wo sie immerhin mit einer Person vertreten sind – nicht aufgefallen, sofern sie überhaupt anwesend sind. Im Zuge der ÖGB-Reform und der ÖGB-Krise haben sie ebenso wenig eine Rolle gespielt, wie in der ArbeitnehmerInnenpolitik überhaupt. Weder im ÖGB noch in der Arbeiterkammer. Um irgendwie in der AK reüssieren zu können ist allerdings eine gewerkschaftliche Verankerung dringend notwendig. Wie dem auch sei: Der rechte Bodensatz – auch unter den ArbeitnehmerInnen – reicht allemal für positive Wahlergebnisse. Und ist für linke Gruppierungen auch nicht ansprechbar. Allerdings haben die Freiheitlichen auch ein Mobilisierungsproblem. Ihre AnhängerInnenschaft strömt nicht gerade in Scharen zu den AK-Wahlurnen, besteht doch eine Grundskepsis bis hin zur totalen Ablehnung von Institutionen der ArbeitnehmerInnen – egal ob nun Arbeiterkammern oder Gewerkschaften. Warum sollte sie auch, ist die AK doch nur allzu beliebtes Ziel freiheitlicher Attacken – von BZÖ bis FPÖ. Bleibt zu hoffen, dass auch im Zuge der nächsten AK-Wahlrunden die Wahlerfolge nicht zum Himmel wachsen.

  • Ein Mobilisierungsproblem haben nicht nur die Freiheitlichen. Ein Mobilisierungsproblem hat auch die AUGE/UG. Darüber dürfen die Zugewinne nicht hinwegtäuschen. Im Gegenteil: die kleinen Zugewinne belegen das. Dabei verhält es sich im Verhältnis von GrünsympathisantInnen bzw. -wählerInnen (und die machen eine besonders große WählerInnengruppe der AUGE/UG aus) zu AK und ÖGB deutlich anders als bei Freiheitlichen: Die Arbeiterkammer hat ausgesprochen hohe Akzeptanzwerte bei GrünwählerInnen., die in etwa bei jenen der SPÖ-WählerInnen liegen. Der ÖGB hat zwar deutlich niedrigere – was allerdings nicht an der Institution Gewerkschaft liegt, die selbstverständlich als notwendig und sinnvoll erachtet wird, sondern am Zustand der real existierenden Gewerkschaften (Demokratiedefizit, mangelhafte Vertretung atypisch Beschäftigter, „Betonierer“-Image, zu sehr als SP-nahe bzw. VP-nahe – Stichwort Neugebauer und GöD – wahrgenommen). Während die Gemeinde-, Landes- und Bundesebene als politisch relevant zur Verwirklichung eigener politischer Anliegen angesehen wird, wird diese Relevanz den Arbeiterkammern offensichtlich nicht zugestanden, was sich in „Wahlenthaltung“ niederschlägt. Was allerdings nicht unbedingt nur für GrünwählerInnen sondern auch für grüne FunktionsträgerInnen gilt. Dass gerade eine sich sich selbst als besonders politisierte bzw. politisch denkende und informierte begreifende WählerInnengruppe die politische Relevanz der Arbeiterkammern unterschätzt ist dann allerdings doch erstaunlich und ein fataler Irrtum (siehe diesen Beitrag auf dem BLOG). Die Mobilisierung wird dabei noch durch die Heterogenität des grünen WählerInnenvolks – das von bürgerlich-liberal bis links-alternativ reicht – und entsprechender politischer Gewichtung von Interessensvertretungen der ArbeitnehmerInnen erschwert. Das Vorarlberger AUGE/UG Wahlergebnis von 5,5 % bei einem maximalen GrünwählerInnenanteil in Vorarlberg von rund 16 % zeigt jedenfalls ganz offensichtlich das Mobilisierungsproblem auf. Von WählerInnen, die eigentlich zur AK stehen. Wie wir dieses Problem bewältigen können wird uns wohl noch einiges an Kopfzerbrechen bereiten.

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