BAGS-KV Verhandlungsergebnis – gemischte Gefühle

Ein Kommentar von Stefan Taibl, Betriebsratsvorsitzender der Psychosoziale Zentren GmbH, Vertreter der AUGE/UG im großen GPA-DJP Verhandlungsgremium zu den BAGS-KV Verhandlungen, und Arbeiterkammerrat der AUGE/UG in Niederösterreich.

Die BAGS-Kollektivvertragsverhandlungen wurden nun also in einer dritten Verhandlungsrunde beendet. Bis halb vier Uhr früh wurde hartnäckig verhandelt, ein Ergebnis liegt vor.

Dieser Kollektivvertrag hat Gültigkeit für geschätzte 80.000 Beschäftigte im privaten Gesundheits- und Sozialbereich (der größtenteils von der öffentlichen Hand finanziert wird und auch die Aufgaben dieser in der Daseinsvorsorge übernimmt) und gilt als richtungsweisend für viele andere KV´s in diesem Bereich.

Gestärkt durch Proteste

Die ArbeitnehmerInnenseite, gestärkt durch beginnende, erfolgreiche Protestaktionen – 20.000 Protest-Unterschriften binnen kürzester Zeit, die österreichweiten Kundgebungen am 14. Jänner mit 7.500 TeilnehmerInnen – war erstmals nicht mehr bereit, die Einschätzung der Arbeitgeberseite, was denn nun „faire Erhöhungen“ wären, zu übernehmen. Ein Signal von überaus großer Wichtigkeit für künftige Verhandlungen!

Das vorliegende Verhandlungsergebnis ist mit gemischten Gefühlen zu sehen.

Ergebnis in ‚Krisenzeiten‘ akzeptabel – großer Einkommensunterschied zu anderen Branchen bleibt aber!

Die Gewerkschaften sprechen im Zusammenhang mit den Gesundheits- und Sozialberufen offen von einen Bereich, deren Einkommen rund 20 % unter dem Durchschnittsgehalt liegen. Demnach ist die Erhöhung um 1,5% (KV-Gehälter, Ist-Gehälter: 1,25 %) zwar bezogen auf die diesjährigen Kollektivvertragsrunden anderer Branchen und Wirtschaftsbereiche gut, und wurde auch sehr hart (und mühsam) erkämpft. Dem Einkommensunterschied von 20% trägt dieses Ergebnis aber noch in keinster weise Rechnung! Und: dass der KV seine Gültigkeit erst mit 1.Februar entfacht, vermindert die 1,5% über das Jahr gerechnet auch gleich wieder und ist fast als eine Art Bestrafung für die Protestaktionen zu verstehen.

Positiv: Abschluss orientiert sich nicht mehr am öffentlichen Dienst!

Was aber erreicht wurde, ist sich vom öffentlichen Dienst positiv abzkoppeln. Gerne haben sich BAGS-Arbeitgeber und öffentliche Hand in den letzten Jahre an die Lohnabschlüsse der öffentlich Bediensteten orientiert und einen entsprechenden Abschluss auch für den privaten Gesundheits- und Sozialbereich angestrebt. Diesesmal legten sich die Gewerkschaften GPA-DJP und Vida allerdings quer und haben diesem Ansinnen der Arbeitgeberseite eine Absage erteilt – liegen die Einkommen von BeamtInnen und Vertragsbediensteten (zumindest im Bundesdienst) doch tendenziell höher, ist ein Vergleich mit Einkommen in den privaten Sozial- und Gesundheitsberufen  also nur bedingt zulässig. Auch wenn öffentlich Bedienstete, gerade auch im Gesundheits-, Jugendarbeits-, Kinderbetreuungs- und Sozialbereich mit ähnlichen um nicht zu sagen  gleichen Problemlagen, wie niedrigen Einkommen, hohem Arbeitsdruck, Personalnotstand etc. wie private konfrontiert sind. Oftmals eine Folge von Ausgliederungen und massiven Sparmaßnahmen seitens Kommunen, Länder … , die alle treffen – private wie öffentliche, was eine Unterscheidung in „private“ und „öffentliche“ Leistungserbringung aufgrund finanzieller Abhängigkeiten, öffentlichen Auftrags etc.  ohnehin vielfach sinnlos erscheinen läßt.

Neben prozentueller Erhöhung auch Erhöhung um Mindestbeiträge

Im Abschluss ist neben einer prozentuellen Lohn- bzw. Gehaltserhöhung der KV-Löhne auch ein Mindestbetrag von 24 Euro vorgesehen, der jedenfalls zu zahlen ist. Das bedeutet für die kleinsten Einkommen eine Erhöhung um bis zu 1,86 % und damit eine Verkleinerung der Einkommensschere unter den Beschäftigten. Die Erhöhung der KV-Löhne nicht nur prozentuell, sondern auch um Mindestbeiträge ist langjährige Forderung der AUGE/UG, daher ein richtiger und wichtiger Schritt und entsprechend zu begrüßen.

Erstmals lineare Erhöhung der „alten“ Lohnschemata

Und erstmals wurden die alten Lohnschemata auch linear (leider mit einem zu großen Seitenabstand zum KV) um 1 % erhöht. Die Beschäftigten in alten Schemata gehören seit Bestehen des BAGS-KV und der Satzung (2005) zu den VerliererInnen des Sozial- und Gesundheitsbereichs. Hier hat eine große Gruppe der Beschäftigten durch einen von der Gewerkschaft mitgetragenen Eingriff in bestehende Verträge viel Geld verloren! Dielinearen Erhöhung auch der alten Schemata ist ein Signal in die richtige Richtung! Den Einkommensverlust der letzten Jahre werden wir zwar nicht mehr wett machen können, aber es ist ein Signal an die betroffenen Beschäftigten, dass die Gewerkschaften sich diesmal auch für ihre Einkommen bzw. Anliegen eingesetzt haben. Das war auch ein großer Streitpunkt in den Verhandlungen, da die Arbeitgeberseite weiter die alten Schemata nicht oder nur marginal erhöhen wollte.

Keine Verbesserungen des Rahmenrechts

Was nicht geschafft wurde, waren die dringend notwendigen Verbesserungen des Rahmenrechts. Hier haben die Gewerkschaften den Rückenwind aus den Protestaktionen der Beschäftigten nicht genutzt.

Ausblick

Für die Zukunft wird es jedenfalls weiterhin wichtig sein, die Beschäftigten aus dem Sozial- und Gesundheitsbereich zu mobilisieren und ihnen eine laute und starke Stimme zu geben. Die öffentliche Hand versucht bei einem ohnehin finanziell bereits stark ausgehungerten Bereich weiter zu sparen, wo es nur geht. Leistungsverdichtung, akuter Personalmangel, Verbetriebswirtschaftlichung des Sozial- und Gesundheitssektors, die dem Sinn und dem Auftrag des Sozial- und Gesundheitssektors entgegenstehen und oft auch widersprechen, sind die Folge. Sowohl KlientInnen wie auch MitarbeiterInnen sind an ihre Grenzen angelangt oder haben sie schon überschritten. Lange Krankenstände und hohe Personalwechselraten sind die Folge.

Im Sinne der Solidargemeinschaft erbringt der Sozial- und Gesundheitsbereich aber zentrale und wichtige Aufgaben, die erfüllt werden müssen. Dieser Bereich hat eine enorme volkswirtschaftliche Bedeutung!

Wir müssen allen Tendenzen, die sowohl hilfsbedürftigen Menschen und deren Familien als auch den Beschäftigten schaden und deren Arbeitsbedingungen immer unerträglicher machen, entschieden entgegen wirken!

Soziale Arbeit kostet – ist aber „mehr wert“ und schafft „Mehrwert“! Für die gesamte Gesellschaft!

3 Kommentare

  1. Christoph Sykora sagt:

    Ich finde es interessant, wie distanziert ein Betriebsrat und Mitglied des Verhandlungsteams von „den Gewerkschaften“ – quasi als dritter Partei – spricht. Wie kommt das?

  2. Markus Koza sagt:

    find ich auch interessant. glaube, das hat doch auch einiges mit erfahrungen der vergangenheit zu tun, die da eine gewisse distanz erkennen lassen, obwohl mittendrin – dass etwa beschäftigte aus alten lohnschemata über jahre hindurch auf die gewerkschaften sehr angefressen waren, weil für sie keine lohnerhöhungen ausverhandelt worden sind und sie die gewerkschaft nicht als „ihre“ vertretung gesehen haben. und rund um den BAGS KV – wo einige gewonnen, aber auch viele verloren haben ein ziemlicher ärger über die gewekschaften entstanden ist. ist jedenfalls tatsächlich ein interessantes phänomen, dass viele br von „den gewerkschaften“ reden, obwohl sie ja selber gewerkschaft sind …

  3. In Anbetracht der Abgehobenheit der Gewerkschaftsspitzen, die offenbar ihren Mutterparteien SPÖ und ÖVP näher zu sein scheinen, ist aus der Sicht parteiunabhängiger BetriebsrätInnen eine distanziertere SIcht der Gewekrschaft unvermeidbar.

    Besonders ignorant verhalten sich die Gewerkschaften gegenüber Arbeit suchenden ArbeitnehmerInnen, deren Interessen – ganz im Gegensatz zur Gründungszeit der Gewerkshcaften im 19. Jahrhundert – nicht nur nicht vertreten werden, sondern gleichsam mit Füssen getreten werden.

    Paradebeispiel ist die Regelung der „Transistarbeitskräfte“ von AMS-Massnahmen im BAGS-KV, wo weder Vordienstzeiten noch Qualifikationen angerechnet werden und auch bei immer wieder erneuter Zuweisung zu den AMS-Zwangsmassnahmen keine Gehaltsvorrückungen zugesprochen werden.

    In der Steiermark und vermutlich auch anderswo dient diese Transitkräfteregelung dazu, z.B. in der „Aktion Gemeinde“ die regulären Kollektivverträge/Bezahlungen zu umgehen und die gpa-djp unternimmt – so viel ich weiss – nichts dagegen.

    Ist auch kein Wunder, denn im AMS und in den Trägern der AMS-Zwangsmassnahmen verdienen nicht wenige GenossInnen Ihr Geld dadurch, anderen AnrbeitnehmerInnen die Grundrechte zu rauben und zu Billigjober zu degradieren. Und die VertreterInnen der AMS-Zwangsmassnahmen betonen gegenüber betroffenen Arbeit suchenden ArbeitnehmerInnen geradezu hämisch, dass doch alles in Ordnung sei, da es mit der Gewerkschaft im KV ausgehandelt sei (was das Image der Gewerkschaften sicher nciht verbessert).

    Die längerfristigen Auswirkungen dieser asozialen Politik der SozialdemokratInnen, die mit der „gemeinnützigen“ Zwangsarbeit eine alte FPÖ-Forderung umsetzen, auf die Gewekrschaften scheint den SozialdemokratInnen ziemlich egal zu sein, denn sie haben es sich mit den Herrschenden ja wunderbar gerichtet.

    Mehr zur Problematik der Transitarbeitskräfteregelung im BAGS-KV im von den „Aktiven Arbeitslosen“ bei der BAGS-Demo verteilten Flugblatt:

    https://www.aktive-arbeitslose.at/download/bags_flugi_2010.pdf

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