Budgetkonsolidierung: „Abgefedert“, „Abgerundet“, nix kapiert
30. November 2010 von adminalternative
Kurz vor der Demo gegen Sozial- und Bildungsabbau am 27. November präsentierte die Bundesregierung ihre Nachbesserungen zur Budgetkonsolidierung. Man habe verstanden, so die Bundesregierung, man habe die Kritik, wie auch die KritikerInnen an der Regierung ernst genommen. „Es zahlt sich aus, dass man konstruktive Vorschläge macht,“ wird etwa Faymann im Standard zitiert, auch wenn man natürlich der Forderung sämtliche Sparmaßnahmen rückgängig zu machen, nicht nachkommen könne.
Was da „abgefedert“ wurde …
„Abfederungen“ und „Abrundungen“ soll es – laut Medienberichten – u.a. in folgenden Bereichen geben:
Familienbeihilfe: Nun soll es – statt bis 1.1 2011 bis 1.7. 2011 Familienbeihilfe auch über 24 geben. Für länger dauernde Studien – die im Gesetz taxativ aufgezählt werden sollen – sowie für Präsenz- und Zivildiener, studierende Eltern, BHS-AbgängerInnen und AbsolventInnen eines freiwilligen sozialen Jahres soll es ein Jahr länger Familienbeihilfe geben. Die Zuverdienstgrenze für FB-BezieherInnen wir auf 10.000 Euro (bislang 9.000) angehoben, für StudienbeihilfebezieherInnen wird der Verlust der Familienbeihilfe durch die Studienbeihilfe kompensiert. In Summe sollen diese Maßnahmen bis 2014 128 Mio Euro kosten.
Auch der Mehrkindzuschlag soll nun doch bleiben, wenn auch gekürzt: künftig gibt es ab dem dritten Kind 20 statt 36,40 Euro pro Monat. Kosten: 128 Mio Euro bis 2014.
Der Alleinverdienerabsetzbetrag für Ehepaare, die keine Kinder (mehr) zu betreuuen haben, fällt zwar wie geplant weg – eine begrüßenswerte Maßnahme – allerdings nicht für PensionistInnen deren Einkommen unter der Mindestpension von Euro 1.155,- für Paare liegen um hier soziale Härten zu verhindern.
PendlerInnen dürfen sich über eine Verdoppelung der Pendlerpauschale freuen, nämlich von 15 auf 30 Millionen Euro. Und: es werden nun die Amtstage bei Gericht doch nicht gestrichen – womit ein massiver Anschlag auf die Rechtsstaatlichkeit zurückgenommen wird.
„Abgerundet“ wird einnahmeseitig die Vermögenszuwachssteuer, die Wertpapier-KESt: nachdem die Bankenbranche ob der Einhebung und daraus entstehender Schwierigkeiten und Kosten wieder einmal erfolgreich jammerte, wird die Einführung derselben nun verschoben: Zwar soll die Steuer für ab dem 1. Jänner 2011 gekaufte Wertpapiere gelten, besteuert werden aber erst ab dem 1. 0ktober (bisher vorgesehen war der 1. Juli) realisierte Gewinne. Für Fonds gilt die Vermögenszuwachssteuer ab dem 1. Juli 2011.
… und warum die Kritik bleibt
Dass diese „Abfederungen“ und „Abrundungen“ die Kritik an den Kürzungen verstummen lassen würden, durften wohl nicht einmal Faymann und Pröll annehmen. Die ÖH sowie das Land Vorarlberg haben bereits Verfassungsklagen hinsichtlich der Familienbeihilfekürzungen angekündigt.
Die Kritik an den Kürzungsmaßnahmen bleibt natürlich:
Im Bereich der Familienbeihilfe, weil die Streichung für jugendliche ArbeitnehmerInnen/Arbeitssuchende ganz offensichtlich bleibt: ein Gruppe, die jedenfalls nicht unter einkommensstark subsumiert werden kann, ebenso wenig ihre Eltern. Und bei den Studierenden, weil der Wegfall der Familienbeihilfe für Über-24-Jährige für viele StudentInnen bleibt. Es trifft hier jene, deren Eltern gerade einmal soviel verdienen, dass zwar kein Anspruch auf ein Stipendium besteht, die allerdings gleichzeitig so wenig verdienen, dass sie den Wegfall der Familienbeihilfe finanziell nicht mehr ausgleichen können. Und diese Fälle sind keinesfalls untypisch. Und es trifft hier auch besonders jene, die Studienrichtungen gewählt haben, die auch in Mindeststudiendauer plus Toleranzsemester schlichtweg nicht bewältigbar sind: weil Seminare, Praktika regelmäßig überfüllt sind, Prüfungstermine nicht wahrgenommen werden können, die Betreuung aufgrund zu wenig wissenschaftlichen Personals mangelhaft ist etc. All das verunmöglicht einen raschen Studienabschluss.
Bereits jetzt finanzieller Druck auf Studierende
Und es ist auch keineswegs so, dass nicht bereits jetzt finanzieller Druck auf Studierende ausgeübt werden würde: auch der Bezug von Familienbeihilfe ist wie jener der Studienbeihilfe „leistungsabhängig“. Es muss eine Mindestanzahl an Prüfungen nachgewiesen werden, die jeweiligen Studienabschnisse nur je um ein, maximal zwei Toleranzsemester überschritten werden. Nur gab es eben einen Anspruch auf Familienbeihilfe bis 26. Damit ist es nun vorbei. Damit wird die soziale Lage von Studierenden einmal mehr verschärft, und zwar vor allem von jenen, die aus der „mittleren“ Mittelschicht kommen. Aber ganz offensichtlich wird seitens der Regierenden – jedenfalls seitens der ÖVP – ohnehin darauf abgezielt, dass „Unter-“ und „Mittelschichtskinder“ ihre Wege vor allem in Fachhochschulen und ins Bakkalaureat finden sollen, und ein umfassendes Studium nur noch jenen ermöglicht wird, die über einen entsprechend finanziell starken familiären Background verfügen. „Eliten“ sollen sich noch stärker selbst reproduzieren können, als dis bislang ohnehin bereits der Fall ist, die Proleten sollen bei ihrem Schmalspurstudium bleiben. Für ein paar, ganz besonders fleissige und brave Plebejerabkömmlinge gibt’s eine Studienbeihilfe, womit auch die soziale Durchlässigkeit unseres Bildungssystems in Sonntagsreden eindrucksvoll belegt werden kann.Aus Sicht der ÖVP ist alles klar. Warum allerdings die SPÖ bei so etwas mitmacht, bleib rätselhaft.
Traditionelle Familienpolitik bleibt
Was im Bereich der Familienpolitik ebenfalls bleibt, ist jede Menge steuerlicher Absetzmöglichkeiten von Kinderbetreuung und ähnlichem. Österreich behält – im Gegensatz zu entwa skandinavischen Ländern oder zu Frankreich – seine traditionelle, konservativ geprägte Politik der Familienförderung bei (z.B. steuerliche Förderung von bestimmten Familienmodellen, überwiegende Geld- statt Sachleistungen). Wir erinnern uns im Rahmen der Steuerreform wurde ein 500 Millionen Euro schweres Familienpaket beschlossen (steuerliche Absetzbarkeit von Kinderbetreuung, Kinderfreibetrag etc.), Maßnahmen, die vor allem einkommensstärkeren Gruppen zugute kommen. Während Studierenden und jungen ArbeitnehmerInnen Gelder gestrichen werden, während nach wie vor unklar ist, ob es seitens des Bundes mehr Geld zum Ausbau von Kinderkrippen und -gärten gibt, bzw. woher dieses kommen soll, bleibt es bei verteilungs- wie (frauen-)beschäftigungspolitisch zweifelhaften steuerlichen Förderungen von Familien.
Es sei nur noch einmal daran erinnert: 35.000 zusätzliche Kinderbetreuungs/-bildungsplätze für Unter-3-Jährige (33 % der Kinder in dieser Altersgruppe in Betreuung-/Bildungseinrichtungen, EU-weites Barcelona-Ziel) und verbesserte, bedarfsgerechte Öffnungszeiten für zumindest 70.000 Drei- bis Sechsjährige (Nachmittagsbetreuung, Ferien) würden am Höhepunkt des Ausbaus rund 411 Mio Euro/Jahr kosten (siehe AK-Studie „Der Sozialstaat als produktiver Faktor“ ), unmittelbar 10.550 Beschäftigungsverhältnisse schaffen, indirekt – über die bessere Vereinbarkeit von Beruf und Familie – einen Effekt von 27.500 zusätzliche Arbeitsplätzen mit sich bringen. Was da heißt: mehr individuelles Einkommen und weniger finanzielle Abhängigkeit vom/von der PartnerIn (und damit das wirksamste Mittel zur Bekämpfung von Familien- und Kinderarmut), bessere soziale Absicherung – vor allem für die Frauen, mehr Chancengerechtigkeit für die Kinder, bessere berufliche Chancen für die Eltern und – nicht zu vergessen – mehr Steuern und Abgaben.
Zusätzlich werden die „Abfederungsmaßnahmen“ im Bereich der Familienbeihilfen durch eine Verschiebung der Kosten in die Pensionsversichcerung finanziert: der FLAF überweist einfach weniger Mittel für Kindererziehungszeiten an die Pensionsversicherung. Abgedeckt wird das daraus entstehende Defizit bei den Pensionen – richtig – wiederum aus dem Budget. Anderes Mascherl halt …
Pflegefonds: Wer zahlt was? Und wer schafft an?
Beim Pflegegeld sind – zumindest wird nicht darüber berichtet – keinerlei „Abfederungen“ vorgesehen. Kommen soll nun der Pflegefonds inklusive Verländerung der Pflege bei gleichzeitiger Verbundlichung der Finanzierung. Es ist nämlich keineswegs gesichert, dass die Länder jene Mittel, die sie aus den zusätzlichen Steuern erhalten, auch in den Pflegefonds fließen. Die Länder wollen Geld vom Bund sehen, um dann frei, von Land zu Land unterschiedlich, darüber zu verfügen. Der Bund will allerdings auch nicht – schließlich soll er ja bei der Pflege kürzen, bei den Stufen I und II. Keineswegs ist mehr Geld, ein Umwidmung von Geld- zu Sachleistungen vorgesehen, es sind Sparvorgaben einzuhalten. Damit gestaltet sich die künftige Finanzierung des Fonds schwierig. Und das vor dem Hintergrund fehlender geschätzter mindestens 10.000 qualifizierter Personen im Bereich der mobilen Pflege und steigender Kosten im Pflegebereich (Hundstorfer spricht von Steigerungen von Sachleistungen im Pflegebereich auf Länderebene von dzt. 1,5 Mrd. auf 2,1 Milliarden Euro 2020, bis inklusive 2013 von 360 Mio. Euro). Es braucht definitiv mehr Geld, eine „Sozialmilliarde“ zum Ausbau der Pflege und sozialer Dienste. Die ist nicht vorgesehen. Darum muss weiter gekämpft werden.
Pendlerpauschale bleibt wie sie ist – und das ist schlecht
Mit der Erhöhung der Pendlerpauschale bleibt die Subventionierung der besser verdienenden, mit dem Auto fahrenden UmlandbewohnerInnen der Zentren – insb. Wien und Graz – bestehen. Die Pendlerpauschale wird nach wie vor nicht in einen Absetzbetrag – dieser würde auch einkommensschwachen zugute kommen -, bis zu einer Höchstgrenze gestaffelt umgewandelt und ökologisiert. Die Pendlerpauschale bleibt eine umwelt- wie verteilungspolitisch problematische Maßnahme. Die frei gemachten Gelder zum Ausbau und zur Attraktivierung des öffentlichen Personennahverkehrs verwendet, wären wohl sinnvoller verwendet.
Ruiniert soll nach wie vor – dafür aber konsequent – werden: die Entwicklungszusammenarbeit und die außeruniversitäre Forschung. Bei letzterer wird darüber diskutiert, ob nicht etwa aus dem Offensivbudget Universitäten ein kleiner Teil für die außeruniversitäre Wissenschaft und Forschung frei gemacht wird. Die Einsparungen bei der Arbeitsmarktpolitik bleiben wie vorhergesehen, kein Abrundungsbedarf wurde bei Schulen und Universitäten geortet.
Es bleibt: null Zukunft, null Verursacherprinzip
Die Budgetkonsolidierung bleibt trotz „Abschleifungen“, was sie auch bislang war: hinsichtlich gegenwärtiger und künftiger gesellschaftlicher Herausforderungen unambitioniert und wenig zukunftsträchtig. Bei den Kürzungen und Sparmaßnahmen dahingehend garantiert treffsicher, dass sie garantiert jene treffen, die ausgesprochen wenig zum hergeben haben. Auch wenn die Konsolidierungsmaßnahmen im Vergleich zu anderen europäischen Ländern nicht über die Maßen dramatisch ausfallen: bestimmte Bevölkerungsgruppen, bestimmte Bereiche sind überproportional betroffen – bis hin zu ihrer Existenz: die radikalen Kürzungen im Bereich der Entwicklungszusammenarbeit und der außeruniversitären Forschung sind schlichtweg eine Katastrophe – vor allem auch, wenn frau/mann sich die Summen vor Augen führt, die da – im Bereich der außeruniversitären Forschung z.B. lächerliche 8 Mio. Euro/Jahr – eingespart werden müssen.
Dem Verursacherprinzip wurde auch nach „Abrundungsphase“ einmal mehr nicht Rechnung getragen. Trotz großmundiger Ankündigungen der SP-Spitzen, dass die Vermögenssteuern keineswegs vom Tisch seien, kommen diese nicht. Nicht als allgemeine Vermögenssteuer, nicht als reformierte Erbschafts- und Schenkungssteuer. Nicht einmal zu einer Börsenumsatzsteuer – einer Finanztransaktionssteuer auf nationaler Ebene konnte sich diese Regierung durchringen. Die steuerliche Förderung der privaten Pensionsvorsorge wird auch in Zunkunft hunderte Millionen Euro jährlich verschlingen, während bei öffentlichen Pensionen – leider, leider – weiter gekürzt wird. Dafür wird die Vermögenszuwachssteuer – ohnehin nur für Wertpapiere – aufgeschoben. Die Reichen dürfen erfreut sein. Die Reichen werden erfreut sein.
Die Allgemeinheit erlebt, dass Banken und Finanzinstitutionen, die noch vor einigen Monaten vor dem vollkommenen Zusammenbruch mit Milliarden und Abermilliarden an Steuergeldern gerettet worden sind, nun plötzlich als “Finanzmärkte” harte Sparmaßnahmen diktieren und jene Staaten abstrafen, deren Staatschulden in Folge der Banken- und Wirtschaftskrise stark angestiegen sind!
Nichts kapiert
Die Stimmung in der Bevölkerung, unter den Betroffenen, schwankt zwischen Wut und Ohnmachtsgefühl. Weil sie vollkommen berechtigterweise nicht einsieht, warum sie für eine von ihr nicht verschuldetet Wirtschaftskrise mit gekürzten Familien- und Pflegeleistungen zahlen soll. Da kann abgeschliffen werden, was will. Es gilt die grundsätzliche Frage, wer für die Krise zu zahlen hat. Und da hat die Regierung entschieden. Und unabhängig davon, wie massiv und umfangreich die Einsparungsmaßnahmen nun tatsächlich jede/n Einzelne/n treffen. Sie treffen jedenfalls die Falschen. Das hat unter den Regierenden offensichtlich niemand kapiert.