Das war der 17. ÖGB-Bundesfrauenkongress …

… und das Wichtigste  aus Sicht der Unabhängigen GewerkschafterInnen. Von 10. bis 11. April fand der 17. ÖGB-Bundesfrauenkongress statt. Für die Unabhängigen GewerkschafterInnen durchaus erfreulich – da konsensorientiert an der Umsetzung von mehr Rechten für berufstätige Frauen gearbeitet wird.

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Ambitioniertes Arbeitsprogramm – aber: Über Vermögenssteuern wurde lange genug „nachgedacht“
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In ihrem  – durchaus ambitionierten – Leitantrag bzw. Arbeitsprogramm (u.a. Forderung nach 1.500 Euro Mindestlohn, Rückkehrrecht von Teil- auf Vollzeit, Mehrarbeitszuschläge ab der ersten Mehrstunde, verpflichtende Einkommensberichte auch in Klein- und Mittelbetrieben) haben sich die Frauen des Österreichischen Gewerkschaftsbundes  auch vorgenommen „einen intensiven Nachdenkprozess über Vermögenssteuern zu starten“. Eine Formulierung, die wohl den Christgewerkschafterinnen – bekanntlich GegnerInnen einer Vermögensbesteuerung geschuldet ist. Den Unabhängigen Gewerkschafterinnen – nicht zuletzt aus spezifischer Geschlechtersicht – zu wenig. Die UG-Frauen:

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„Die vorliegenden Studien sowie die aktuelle öffentliche Debatte über die ungerechte Vermögensverteilung zeigen deutlich, dass wir längst vom Nachdenken zum Umdenken und zum gemeinsamen Handeln kommen müssen: In der EU stehen 10 Billionen Euro Schulden einem angehäuften Vermögen von 27 Billionen Euro gegenüber. In Österreich gehören 20 % der Reichen und Vermögenden fast drei Viertel des Vermögens, den unteren 50 % gerade einmal 4 %! In Österreich gaben bei einer Umfrage im März 44% der Frauen und 34% der Männer an, dass sie wirklich Geldsorgen haben.“

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Geschlechterdimension der Steuergerechtigkeitsfrage

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Dass sich Vermögen auch zwischen den Geschlechtern besonders ungleich verteilen, ist vermutlich keine allzu gewagte These. Nachdem die Vermögen von „Haushalten“ und nicht Personen erhoben werden, lassen sich keine eindeutigen Aussagen machen zur Vermögensverteilung zwischen den Geschlechtern. Angesichts der ungleichen Einkommensverteilung zwischen Männern und Frauen wird sich diese Ungleichverteilung vermutlich auch bei den Vermögen fortschreiben. Oder umgekehrt: die deutliche stärkere Betroffenheit der Frauen von Armuts-/Ausgrenzungsgefährdung – 18,3 % der Frauen zu 13,7 % der Männer, fast 20 % der Frauen aber „nur“ 8,89 % der Männer verdienen weniger als 2/3 des Medianlohns – lässt eine stärkere Betroffenheit der „Männer“ in Bezug zu Vermögen annehmen.
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Jedenfalls würde eine höhere Besteuerung von Vermögen – tendenziell –  und von Spitzeinkommen – sicher –   stärker Männer als Frauen treffen, womit die Debatte rund um Steuer- und Verteilungsgerechtigkeit gerade auch eine Geschlechterdimension bekommt.  Die Unabhängigen Gewerkschafterinnen dazu:

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„Wenn hohe Vermögen und Einkommen primär erzielt von Männern entsprechend höher besteuert werden, können – zum Beispiel – mehr Pflegeeinrichtungen errichtet werden. Damit wird bisher unbezahlte und unter prekären Bedingungen erbrachte Frauenarbeit in die Wertschöpfungskette einbezogen und erfährt eine soziale Aufwertung. Die Situation von Frauen verbessert sich, den Nutzen daraus genießen pflegebedürftige Männer und Frauen. Mehr Frauen finden einen Platz in der Arbeitswelt und erzielen ein existenzsicherndes Einkommen, der allgemeine Wohlstand erhöht sich, vorausgesetzt, es handelt sich um eine Dienstleistung von öffentlichem Interesse. Gleichzeitig  fließen Steuern zurück, erhöht sich die gesamtgesellschaftliche Produktivität, werden Nulllohnrunden  überflüssig! Gleiches gilt für Bereiche wie Bildung, Kultur, Gesundheit, Soziales und anderer, gesellschaftlich notwendiger, sozialen Mehrwert schaffender Infrastruktur.“
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Arbeitswelt an „weibliche“ Lebensrealitäten anpassen um sie „menschlich“ zu verändern

Ulli Stein, BR an der Med-Uni Wien, Mitglied des ÖGB Bundesvorstands am ÖGB-Bundesfrauenkongress. Foto: ÖGB

Keineswegs „vermessen“ finden die Unabhängigen Gewerkschafterinnen die Forderung nach einer 40 %-Quote in Gewerkschaftsgremien: 40 % der Unselbständigen sind weiblich, diese Repräsentanz soll sich auch in den Interessensvertretungen der ArbeitnehmerInnen wiederfinden. Die Arbeitswelt an „weibliche“ Lebensrealitäten anzupassen um sie „menschlich“ zu verbessern – eine der Kernaufgaben gewerkschaftlicher Politik, wie Ulli Stein, Delegierte zum ÖGB-Frauenkongress in einer Rede ausführte:

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„Liebe Kolleginnen,

Es hat Tradition, dass alle 4 Jahre (oder 5  – darüber wurde schon gesprochen) der ÖGB-Bundesfrauenkongress stattfindet.

Es hat Tradition, dass die Sprossen der Erfolgsleiter für den Standardlebenslauf des 40-jährigen, heterosexuellen, österreichischen Mannes ausgerichtet sind. Um Frauen gleiche Chancen in allen beruflichen Feldern und Hierarchien zu ermöglichen, müssen wir die Tradition ändern.
Das Ziel heißt: es ist normal, dass Männer Auszeiten vom Berufsleben nehmen.

Männer gehen in Karenz – genauso wie Frauen. Männer nehmen alle Arten von familiären Betreuungspflichten wahr – genauso wie Frauen. Männer nehmen sich berufliche Auszeiten wie z.B. Sabbaticals oder Bildungskarenzen – genauso wie Frauen.

Damit wird „der Mann“ für den Arbeitgeber genauso unkalkulierbar wie „die Frau“.

Die durchgehende Berufslaufbahn darf nicht automatisch den Ausschlag für Beförderungen und qualifizierte Stellen geben. Auszeiten müssen normal werden, für alle. Aus der Erfahrung wissen wir, dass derzeit oft darauf geschaut wird, wieviel von etwas jemand gemacht hat, um zu beurteilen, ob er oder sie gut ist. Ziel muss es aber sein, nicht mehr nur auf Summen zu schauen – im Sinne von „Stricherl-Listen“, sondern Auszeiten, Absenzen oder sonstige Lebensumstände in der Beurteilung zu berücksichtigen.

Überhaupt gilt es, das Thema „Arbeitszeit“ neu zu überdenken – Arbeitszeit bedeutet im Alltag meist „Anwesenheitszeit“ – ganz nach dem Motto der Kollege, der von 7.00 Uhr in der Früh bis 10.00 Uhr am Abend an seinem Arbeitsplatz sitzt, ist der engagiertere, der motiviertere und damit der „bessere“ Mitarbeiter.

Hier spreche ich ganz bewusst nur vom männlichen Kollegen, denn wir wissen, dass dies in der Realität eben oft die Männer eher tun können, da die Frauen ja die ganze andere, unbezahlte Arbeit, wie Kindererziehung oder Haushalt, übernehmen. Am Arbeitsplatz anwesend zu sein ist keine Voraussetzung für gute Ideen und die besten Einfälle. Ideen, innovative Ansätze und vieles, was eine erfolgreiche Mitarbeiterin, einen erfolgreichen Mitarbeiter ausmacht, sind nicht ortsgebunden. Sie können auch beim Bügeln oder Reifen Wechseln entstehen.

Es würde ganz eindeutig und vermehrt Frauen in ihrer beruflichen Laufbahn unterstützen, wenn Arbeitszeit endlich nicht mehr nur Anwesenheitszeit wäre – das muss eines unser politischen Anliegen und Ziele sein.

Und dazu gehört auch, dass es Einzug in die berufliche Normalität finden muss, dass Führung in Teilzeit möglich ist. Führung in Teilzeit kann bedeuten, Führung zu teilen, und das heißt dann, gemeinsam in einem Führungsteam Konzepte zu erarbeiten, Verantwortung zu teilen und gemeinsame Entscheidungen zu treffen. Führung in Teilzeit bedeutet auch nach 20, 30 oder wie vielen Stunden auch immer, die Bürotür hinter sich zu schließen und sich anderen Lebensbereichen und Aufgaben widmen zu können. Führung in Teilzeit heißt damit auch, Karriere und Lebensplanung unter einen Hut bringen zu können – eine Führungsposition und Kinder, eine Führungsposition und sich um Angehörige kümmern, muss sich nicht ausschließen und muss auch nicht zu einer fast unlösbaren Aufgabe werden – weder für Frauen noch für Männer.

Und wenn Führung in Teilzeit „Führung teilen“ impliziert, dann müssen wir fordern, dass dies gleichberechtigt und zumindest paritätisch besetzt erfolgt.

Ich befürchte, dass der Weg bis zu diesen Zielen noch ein langer ist – im Moment habe ich oft das Gefühl, dass wir hier eher Rückschritte als Fortschritte machen. Die Ergebnisse und Forderungen aus diesem Kongress können dann als Fortschritt angesehen werden, wenn gleichzeitig auch alle Frauen und Männer, denen Gleichbehandlung ein Anliegen und nicht nur eine Worthülse ist, sich aktiv zu diesen Zielen und dem Weg dahin bekennen und keine Gelegenheit auslassen, uns alle einen Schritt näher an diese Zukunft zu bringen.“

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Statutarisches und Wahlen

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Gewählt wurde auf dem 17. ÖGB-Bundesfrauenkongress auch eine neue Frauenvorsitzende: es ist Dr.in Sabine Oberhauser, bereits ÖGB-Vizepräsidentin – und langjährige Nationalratsabgeordnete der SPÖ, die Brigitte Ruprecht nachfolgt. Und das ist genau der Schönheitsfehler. Die UG gratuliert zur Wahl – fordert allerdings auf, das Nationalratsmandat zurückzulegen. Eine langjährige und grundsätzliche Position der Unabhängigen GewerschafterInnen zur Frage der Vereinbarkeit eines Partei- und eines Gewerkschaftsmandats, die auch am Höhepunkt der ÖGB-Krise geführt wurde, allerdings inzwischen wieder weitgehend in Vergessenheit geraten ist:

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„Eine Spitzenfunktion in einer der größten, sich überparteilich verstehenden Interessensvertretung des Landes ist unvereinbar mit einem parteipolitischen Mandat in einer gesetzgebenden Körperschaft. Abgesehen davon, dass es schwer möglich ist – unabhängig von der Weltanschauung, die niemandem genommen werden soll – die „überparteiliche“ Funktion eines/r Vorsitzenden mit der eines/r parteilich gebundenen Nationalratsabgeordneten in Einklang zu bringen, ’stechen‘ Parteiinteressen und -disziplin regelmäßig gewerkschaftliche Positionen – Stichwort Klubzwang.  Wir sagen: Nicht alle Funktionen sind miteinander vereinbar. Eine Funktion ist genug und jene der Frauenvorsitzenden im ÖGB bietet nicht nur vielfältige Gestaltungsmöglichkeiten, sondern verlangt auch viel Einsatz und Arbeit!“

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Kritik kommt von den Unabhängigen Gewerkschafterinnen an der Verlängerung der Funktionsperiode von vier auf fünf Jahre – weil jede Verlängerung einer Funktionsperiode demokratische Mitbestimmung bzw. notwendige Neupositionierungen „nach hinten“ verschiebt und damit demokratische Mitbestimmungsmöglichkeiten einschränkt.
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Personelle Änderungen – auch  bei den UG-Frauen

Beate Neunteufel-Zechnder, Betriebsrätin in der Österreichischen Nationalbibliothek, Vertreterin der UG im ÖGB-Bundesfrauenausschuss. Foto: ÖGB

Änderungen haben sich auch in der UG ergeben: Beate Neunteufel-Zechner, Betriebsrätin in der Österreichischen Nationalbibliothek und Co-Vorsitzende der UGöd wird wie bisher die UG im Bundesfrauenvorstand vertreten. Ihr Ersatz wird künftig Ulli Stein, Betriebsrätin der UGöD und 2. stellv. Vorsitzende des Arbeitskreises für Gleichbehandlungsfragen an der MedUni Wien, UG-Vertreterin im ÖGB-Bundesvorstand und AUGE/UG-AK Rätin in Wien. Sie folgt Klaudia Paiha, UG-Bundessekretärin und AUGE/UG-Bundessprecherin, die über viele Jahre hindurch als Mandatarin und als Ersatz die UG bei den ÖGB-Frauen vertrat. Wir wollen Klaudia auch hier für ihren langjährigen Einsatz und ihr „Mitprägen“ der ÖGB-Frauenpolitik in Sinne der UG herzlich danken!

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