Die Agenda
Soziale Dienste schaffen gesellschaftlichen Wohlstand!
Die Sozialwirtschaft ist mit 6.000 Unternehmen, rund 140.000 Beschäftigten (240.000 insgesamt im Sozial-, Gesundheits- und Veterinärwesen) und einem Umsatz von 4 Mrd. Euro (ohne Spendenaufkommen) eine bedeutende volkswirtschaftliche Größe. Der Bereich der Sozialwirtschaft stellt dabei nicht nur die für einen funktionierenden Sozialstaat unabdingbare soziale Infrastruktur im Bereich der Care-/Sorgearbeit – von Behindertenbetreuung über Pflege bis zu Sozialarbeit und Kinderbetreuung – zur Verfügung, sondern leistet einen wesentlichen Beitrag zu gesellschaftlichem Wohlstand und sozialem Zusammenhalt. So hat etwa die britische „new economics foundation“ errechnet, dass jedes bezahlte Pfund an Einkommen für Kinderbetreuung den gesellschaftlichen Wohlstand um 9,50 Pfund erhöht. Ohne soziale Infrastruktur, ohne Carearbeit wäre die Erwerbsbeteiligung breiter Bevölkerungsgruppen und damit die Generierung von eigenem Einkommen, Chancen und gesellschaftlicher Teilhabe – vor allem für Frauen – erst gar nicht möglich.
Hohe Beschäftigungspotentiale, aber …
Im Sozial- und Gesundheitssektor liegen hohe Beschäftigungspotentiale – sowohl im Bereich der privaten als auch kommunalen Dienste. Massive Versorgungsdefizite bestehen bei der Kinderbetreuung, der Jugend- und Schulsozialarbeit, im Bereich Integration, in der Pflege und im Bereich betreutes und betreubares Wohnen.
… Niedriglohnsektor Sozialwirtschaft
Beschäftigungszuwächse im Sozialbereich gehen bislang allerdings fast ausschließlich auf atypische Arbeit zurück. Der Sozialbereich gilt als Niedriglohnsektor (Einkommensmedian: 18.706 Euro/Jahr, unteres Drittel im Branchenvergleich, Sozialbereich liegt 20 % unter dem Durchschnitt sämtlicher Bruttobezüge) mit hoher physischer und psychischer Belastung der Beschäftigten und schlechten Arbeits- und Einkommensbedingungen, was sich in hoher Fluktuation – vor allem im Altenpflegebereich, steigenden Burn-Out-Raten, hoher Arbeitsdichte, überdurchschnittlich hohen Teilzeitquoten, langen Verweildauern im Grundgehalt und einem hohen Ausmaß an unbezahlter Arbeit ausdrückt. Die Relation zwischen Qualifikationsanforderungen einerseits und Bruttoeinkommen andererseits haben sich im Sozialbereich gegenüber dem „For Profit Bereich“ verschlechtert.
Öffentliche Hand zieht sich aus Finanzierung zurück …
Zurückzuführen sind diese Entwicklungen vor allem auf die zunehmende Verabschiedung der öffentlichen Hand aus der Finanzierung bzw. Erbringung sozialer Dienste: Normkostensätze sind in der Regel nicht kostendeckend, Finanzierungsverträge sind meist kurzfristig angelegt und ermöglichen keine mittel- bis langfristige Personal- und Bestandsplanung, hinsichtlich der Personalkostenkalkulation gibt es keine „Bindungswirkung“ des BAGS, es fehlt auf praktisch allen Ebenen – insbesondere bei den Ländern – eine umfassende Sozialplanung. Steigende Eigenleistungen der zu betreuenden KlientInnen verunmöglichen teilweise die Inanspruchnahme sozialer Dienste und befördern einmal mehr Atypisierungsprozesse der Beschäftigungsverhältnisse im Bereich der Sozialwirtschaft.
… und befördert so prekäre Arbeitsverhältnisse und Qualitätsverlust
Im kommunalen Sozial- und Gesundheitsbereich stellt sich die Situation nicht wesentlich anders dar: auch hier sind die Beschäftigten mit hoher Arbeitsverdichtung, akutem Personalmangel und steigendem Arbeitsdruck konfrontiert. Zusätzlich verabschieden sich die Kommunen zusehends aus der Erbringung sozialer Dienstleistungen, gliedern diese aus oder überlassen privaten Anbietern die Leistungserbringung ohne diese ausreichend finanziell zu dotieren, was wieder eine Atypisierung und Prekarisierung der Arbeitsverhältnisse zur Folge hat.
Darum: Her mit der Sozialmilliarde!
Seitens der Gewerkschaften wird bereits seit längerer Zeit eine Sozialmilliarde für den Ausbau sozialer Infrastruktur, zur Verbesserung der Arbeits- und Einkommensbedingungen der Beschäftigten im Sozialbereich und als beschäftigungswirksame Konjunkturmaßnahme gefordert. Die geforderte Sozialmilliarde-Enquete im Parlament hat allerdings immer noch nicht stattgefunden.
Was droht …
Vielmehr drohen weitere Einsparungen. Fast 936 Mio. Euro will die Bundesregierung alleine 2011 im Bereich Soziales, Arbeit und Familie sparen, davon alleine 125 Mio. Euro im Bereich Arbeitsmarkt, knapp 86 Mio. Euro im Kapitel „Soziales und Konsumentenschutz“, worunter etwa das Pflegegeld und das Bundessozialamt fällt. Bis 2014 sollen im Sozialbereich in Summe 1,5 Mrd. Euro eingespart werden. Weil bei Bund, Ländern und Gemeinden angeblich das „Diktat der leeren Kassen“ herrscht.
Wir schlucken die Krot sicher nicht – Froschkönige zur Kassa bitte!
Die Budgetkrise ist allerdings hausgemacht. Das Problem sind weniger steigende Ausgaben, als sinkende Einnahmen. Weil Österreich seit Jahrzehnten auf Vermögenssteuern und ordentliche Steuern für Spitzenverdiener verzichtet und stattdessen Stifter, Großunternehmen, Vermögen, Börsenhandel und reiche Erben steuerlich schont. Wären Vermögenssteuern in Österreich auf EU-Niveau brächten die alleine Mehreinnahmen von 4 Mrd. Euro. Garantiert sozial treffsicher. Damit wäre ein Konjunkturpaket Pflege, Betreuung und Soziale Dienste locker finanzierbar. Wir wollen daher nicht nur die „Krot“ nicht schlucken. Wir wollen die „Froschkönige“ in diesem Land zur Kassa bitten!
Es wurde bereits zu lange zugewartet. Die Beschäftigten im Sozialbereich sind am Limit. Weil soziale Arbeit nicht nur mehr wert ist, sondern vor allem auch einen hohen gesellschaftlichen Mehrwert bringt, braucht es einen massiven Investitionsschub zum Ausbau privater und kommunaler sozialer und Gesundheitsdienste!
Es braucht jetzt eine Sozialmillarde!
Unterstütze unsere Forderungen nach einer Sozialmilliarde: jetzt online unterzeichnen.