Die Sache mit der Exportquote …

64 % der österreichischen Wertschöpfung werden im Inland nachgefragt. Knapp 36 % gehen in den Export. Fakten.

Eine Nachlese zu „Im Zentrum“ vom 17. September – Runde der Wirtschaftssprecher der Parteien.
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„Im Zentrum“ am 17. September. Thema: Wirtschaftsstandort Österreich. Mit dabei, u.a. der ÖVP-Wirtschaftsminister Harald Mahrer. Der kam u.a. auf den Export als zentrale Säule der österreichischen Wirtschaft zu sprechen. Denn: 6 von 10 in Österreich erwirtschaftete Euro würden im Ausland, durch Exporte, verdient. Nun, stimmt das so? Und: wie kommt Mahrer zu dieser Zahl?
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Mahrer zieht die sog. Exportquote heran, um zu seinen – sehr großzügig aufgerundeten – 6 von 10 erwirtschafteten Euro aus dem Export zu kommen. Die Exportquote Österreichs lag 2016 bei 52,2 % des BIP – also der gesamten im Inland erbrachten Wertschöpfung, also alle in Österreich erzeugten Produkte und Dienstleistungen. Davon also, sollten laut Exportquote 52,2 % ins Ausland gehen. Da kann ja wohl mit Fug und Recht behauptet werden, dass – wenn schon nicht 6 Euro – zumindest 5 Euro im Ausland erwirtschaftet werden, oder?

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Nur: das stimmt so nicht. Ein Blick ins kürzlich veröffentliche ÖVP-Wirtschaftsprogramm macht sicher. Da ist nämlich z.B. im Falle Luxemburgs von einer Exportquote von 228 % die Rede, bei Irland von 120 %. Das würde – in Mahrerschem Stil ausgedrückt – bedeuten, dass 23 von 10 verdienten Euro in Luxemburg aus dem Export stammen! In Irland immerhin noch immer 12 von 10 Euro. Das würde heißen, dass Luxemburg doppelt so viel exportiert, wie es erzeugt, Irland immerhin immer noch das 1,2-fache. Nun, dass kann irgendwie nicht wirklich sein, das kann ja wohl nicht stimmen, da würd’s ganz ordentlich mit den Grundrechnungsarten happern wär’s so.

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Exportquote und BIP – Bezugsgrößen ohne Bezug
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Nun, die Sache klärt sich eigentlich ganz einfach auf: in der Exportquote finden sich nämlich auch Vorleistungen bzw. Importe aus dem Ausland! Wird in Österreich z.B. eine Maschine für den Export nach Deutschland produziert und dabei importierter Stahl aus dem Ausland verwendet, fließt das in den Preis der Maschine natürlich ein. Der Importeur in Deutschland zahlt nicht nur für die in Österreich erbrachte Verarbeitung (Wertschöpfung), sondern auch für die Vorleistung – also z.B. die Materialkosten, den Stahl.
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Im BIP allerdings spiegelt sich nur die im Inland erbrachte Wertschöpfung wieder, also die Fertigung, der Bau der Maschine. Importe und Vorleistungen fließen nicht in die BIP-Berechnung ein. In der Exportquote ist dagegen nicht nur die Wertschöpfung beinhaltet. Sie drückt so was wie den Umsatz, den Erlös (Preis x Menge) aus, der mit den Exporten getätigt wird – und in den Preisen für diese Exportwaren und -Dienstleistungen sind natürlich auch importierte Vorleistungen und Rohstoffe aus dem Ausland beinhaltet bzw. berücksichtigt. Das BIP ist daher keine passende Bezugsgröße für die Exportquote – weil in der Exportquote Leistungen mit einberechnet sind, die sich im BIP gar nicht finden! Die Exportquote führt daher tendenziell zu einer Überschätzung der Bedeutung der Exporte für eine Volkswirtschaft. Deshalb ist die Aussage, wonach 6 von 10 verdienten Euro aus dem Export stammen, auch nicht richtig. Von diesen 6 Euro müssen importierte Vorleistungen, Rohstoffe und andere Materialien abgezogen werden. Dann erst kann eine Aussage darüber getroffen werden, wie viel von der in Österreich erbrachten Wertschöpfung aus dem Export stammt.

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Von der Bedeutung der Binnennachfrage in Österreich und der EU
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Diese Aussage kann auch getroffen werden: ca. 36 % der in Österreich erzeugten Produkte und Dienstleistungen werden im Ausland nachgefragt, gehen also in den Export. Das bedeutet also tatsächlich, dass ca. 3,6 Euro von 10 in Österreich erwirtschafteten Euro aus dem Export – aus der Nachfrage des Auslands – stammen. Das heißt gleichzeitig, dass rund 64 % – also 6,40 von 10 Euro – der in Österreich erwirtschafteten Wertschöpfung in Österreich selbst nachgefragt wird. Und überhaupt 90 % der in Österreich produzierten Güter und Dienstleistungen innerhalb der EU nachgefragt werden. (Siehe Beitrag  vom 27. Februar 2012 hier auf dem Verteilungsblog  und Präsentation von Feigl/Zuckerstätter im Rahmen einer Tagung der Keynes-Gesellschaft)
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Was diese Zahlen schön veranschaulichen: Für die wirtschaftliche Entwicklung Österreichs ist der Export natürlich wichtig. Noch wichtiger ist allerdings die Inlandsnachfrage! Sie deckt beinahe 2/3 der in Österreich produzierten Güter ab! Eine schwächelnde Inlandsnachfrage – wegen z.B. stagnierender oder sinkender Reallöhne – schwächt also auch die wirtschaftliche Entwicklung in Österreich. Für den Export ist gleichzeitig besonders die EU bzw. die Euro-Zone wichtig! Krisenhafte Entwicklungen in Europa und eine restriktive Budget- und Sparpolitik (steigende Arbeitslosigkeit, geringere öffentliche Ausgaben …) in ganz Europa treffen Österreich besonders hart.
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Der zentrale Fokus einer österreichischen Politik – insbesondere auch einer Wirtschaftspolitik – sollte daher vor allem darauf liegen, die Nachfrage in Europa wieder zu stärken, öffentliche Investitionen voranzutreiben und Löhne zu erhöhen. Das passt der ÖVP natürlich so gar nicht ins Programm. Die predigt ja Zurückhaltung bei Löhnen und Gehältern, Sparsamkeit, Steuersenkungen und Ausgabenkürzungen, um auch ja schön wettbewerbsfähig zu bleiben. Und da kommt ihnen natürlich die Betonung der besonderen Bedeutung von Exporten für die österreichische Wirtschaft sehr entgegen. Und wenn die Zahlen so auch nicht passen. Na wenn schon, wer prüft, wer fragt schon nach?
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Steuersenkungen für Unternehmen und Ausgabenkürzungen im Sozialbereich und bei öffentlichen Ausgaben mögen zwar ganz im Sinne ÖVP-naher Industrieller und Großspender sein. Sie würden allerdings keinen Beitrag zu einer höheren gesamtgesellschaftlichen Nachfrage – gerade auch im Inland – darstellen. Und diese hat in den letzten Jahren einen wesentlichen Beitrag dazu geleistet, dass die Konjunktur wieder anspringt. Und wohin uns der Sparkurs in ganz Europa geführt hat, haben wir ohnehin in den letzten harten Krisenjahren gesehen … Zeit für einen Kurswechsel hin zu einer nachhaltigen Stärkung der Nachfrage und Einkommen in Österreich. Und für beschäftigungswirksame und überfällige Investitionen in Klimaschutz, soziale Dienste, Bildung und die Modernisierung öffentlicher Infrastruktur. Der konjunkturelle Aufschwung wäre eine Gelegenheit dazu. Die sollte genutzt werden. Der Wahlausgang am 15. Oktober wird letztlich darüber wesentlich mitentscheiden.

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