EU: Wettbewerbspakt reloaded?

fuenf_praesidenten_200Die EU-Institutionen – zumindest ihre Präsidenten – planen offensichtlich einen neuen Anlauf,  die Wirtschafts- und Währungsunion (WWU) zu „vollenden“. Wir erinnern uns: derartige Versuche gab es bereits, unter der damals geläufigen Bezeichnung „Wettbewerbspakt(e)“. Die EU-Mitgliedsstaaten sollten im Rahmen vertraglicher Vereinbarung verpflichtet werden, im Rahmen des „europäischen Semesters“ empfohlene Strukturreformen verpflichtend umzusetzen, um die Wettbewerbsfähigkeit des jeweiligen Staates und damit des gesamten Euroraums zu erhöhen. Insbesondere sollten Arbeitsmärkte flexibilisiert, Arbeitsrechte abgebaut und Lohnverhandlungen stärker von der Kollektivvertrags- auf die Betriebsebene verlagert werden. Das würde natürlich eine entscheidende Schwächung der Gewerkschaften zur Folge, durchaus ein erwünschtes Ziel, um Löhne niedrig und die „Wettbewerbsfähigkeit“ vermeintlich hoch zu halten. Strukturreformen also unter strikt neoliberalen Vorzeichen die auch auf entsprechende Widerstände stießen.

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Und wieder was Neues: nationale Stellen für „Wettbewerbsfähigkeit“

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Nach der geschlagenen EU-Wahl wurde es rund um die „Vollendung“ der WWU ruhiger. Abgesagt war sie deswegen noch lange nicht. Im Gegenteil. Nun haben die Präsidenten von EU-Rat, Kommission, Eurogruppe, Parlament und EZB einen Bericht vorgelegt in dem es einmal mehr um die Vollendung der EU-Wirtschafts- und Währungsunion geht. In einem dreistufigen Prozess sollen dabei eine „echte“ Wirtschaftsunion, eine Finanzunion, eine Fiskalunion und eine politische Union auf die Wege gebracht werden. Allerdings nicht mehr in Form neuer „Pakte“ sondern auf Basis bereits beschlossener Vereinbarungen und Verfahren auf EU-Ebene. Besonderer Bedeutung kommt dabei der „Stärkung der Wettbewerbsfähigkeit“ zu – weshalb in diesem Bericht die Einrichtung nationaler Stellen für Wettbewerbsfähigkeit gefordert wird. Diese sollen ihr Augenmerk dabei insbesondere auf die Lohnpolitik und -entwicklung richten. Lohnpolitik hat sich dabei dem Ziel der „Erhöhung der Wettbewerbsfähigkeit“ unterzuordnen.

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Lohnpolitik ganz im Zeichen des Wettbewerbs

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Ganz im Sinne des bereits 2011 auf Regierungsebene beschlossenen Euro-Plus-Pakts, einer Vereinbarung, die der „Fünferbande“ bislang zu unverbindlich ist. Im Euro-Plus-Pakt wird allgemein Lohnzurückhaltung zur Steigerung der Wettbewerbsfähigkeit eingefordert und es gilt ggf. Maßnahmen zu setzen, die dieses Ziel unterstützen. Wie in vielen anderen Papieren europäischer Institutionen werden dabei insbesondere Flächentarifverträge als Problem angesehen. Um die Wettbewerbsfähigkeit zu erhöhen gelte es daher gegebenenfalls „den Grad der Zentralisierung im Verhandlungsprozess“ zu überdenken. Sprich: Lohnverhandlungen, wie es etwa der IV-Präsident Kapsch will, auf die betriebliche Ebene zu verlagern (siehe Beitrag „IV-Kapsch und die ‚Tariföffnung‘: Troika for Austria?“ auf mosaik-blog.at). Auch wenn  im Präsidentenbericht  nationalstaatliche Lohnfindungsverfahren offiziell respektiert werden, soll die neu einzurichtendestaatliche Wettbewerbsinstitution unter dem Gesichtspunkt der Verbesserung der Wettbewerbsfähigkeit Richtlinien für  Kollektivvertragsverhandlungen vorgeben. Damit „produktiven Unternehmen“ ein entsprechender institiutioneller Rahmen für mehr Prosperität geboten wird. Die Einkommens- und Lebenssituation der unselbständig Beschäftigten oder gar verteilungspolitische Zielsetzungen zugunsten der Arbeitnehmer_innen spielen dagegen keinerlei Rolle. Verfahren im Falle „makroökonomischer Ungleichgewichte“ – die bislang eingesetzt werden um neoliberale Strukturreformen bei Leistungsbilanzdefiziten zu erzwingen –  sollen künftig auch unabhängig vom Zustand der Leistungsbilanz zur „Förderung von Strukturreformen im Zuge des Europäischen Semesters“ eingesetzt werden – wie etwa die Erhöhung des Pensionsantrittsalters oder eben die Flexibilisierung der Arbeitsmärkte bzw. „Dezentralisierung“ von Lohnverhandlungssystemen.
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Aus gewerkschaftlicher Sicht ist jedenfalls auch dieser „Wettbewerbspakt reloaded“ abzulehnen. Es handelt sich letztlich um nichts anderes als alte Inhalten in einer neuen Verpackung. Die Mobilisierung gegen diesen weiteren Baustein in Richtung autoritärer Kapitalismus hat somit begonnen ….

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Links:

ÖGB-Büro Brüssel zum Bericht der fünf Präsidenten

Fünf-Präsidenten-Bericht zur Wirtschafts- und Währungsunion

Sven Giegold (wipol. Sprecher der Grüne/EFA-Fraktion im EU-Parlament) zum Fünf-Präsidenten-Bericht

Fabio de Masi (Linke Fraktion im EU-Parlament) zum Fünf-Präsidenten-Bericht

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