Fiskalpakt stoppen, nächste Runde: Fischer unterschreibt, Verfassungsklage kommt
17. Juli 2012 von adminalternative
Der Bundespräsident hat nun sowohl den Fiskalpakt als auch den ESM unterzeichnet. Diese gehörten unmittelbar zusammen, so Heinz Fischer. Diese Behauptung darf angesichts der Ergebnisse des letzten EU-Rats allerdings bezweifelt werden. Nun wird wohl eine Verfassungsklage kommen.
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Bundespräsident Fischer hat nun den Fiskalpakt (und den ESM) unterzeichnet. „Überzeugende oder gar zwingende Gründe, die im Sinne der herrschenden Staatsrechtslehre eine Verweigerung der Ratifizierung erforderlich machen würden, nämlich offenkundige Verfassungswidrigkeit in verfahrensrechtlicher oder materieller Hinsicht liegen nicht vor,“ lässt der Bundespräsident in einer Erklärung vom 17. Juli verlauten. Er teile – entgegen der Meinung etlicher anerkannter Verfassungsexperten und der gesamten Opposition – die Rechtsposition der Bundesregierung, wonach es sich beim Fiskalpakt um einen völkerrechtlichen Vertrag und nicht um eine Änderung des EU-Primärrechts handeln würde, welche tatsächlich eine Zwei-Drittel-Mehrheit im österreichischen Nationalrat notwendig gemacht hätte.
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Kein ESM ohne Fiskalpakt? Nur …
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Zusätzlich hält UHBP in einer Aussendung fest, dass ESM wie Fiskalpakt zwei unmittelbar miteinander verbundene Elemente eines umfassenden Euro-Stabilisierungspaketes darstellen würden: „Mit dem ESM soll ein dauerhafter Schutzschirm eingerichtet werden, der letztlich verhindern solle, dass auf den Bankrott von Staaten spekuliert und ein wirtschaftlicher Flächenbrand ausgelöst wird, der bis zum Auseinanderbrechen der Währungsunion mit unvorhersehbaren ökonomischen Folgen führt.“ Weshalb der ESM auch im „Interesse der Mitgliedsstaaten des Euroraums“ liegen würde. Und weil mit dem ESM auch entsprechende Haftungen der Euro-Mitgliedsstaaten verbunden wären, sei eine verpflichtende „solide Budgetpolitik“, wie sie der Fiskalpakt fordert, nur logische Konsequenz. ESM und Fiskalpakt, zwei Seiten der gleichen Medaille. Kein Fiskalpakt ohne ESM und umgekehrt. Nur: ist das tatsächlich so?
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… ist das wirklich so?
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Dass dieser Umkehrschluss tatsächlich geradezu zwingend ist, darf nämlich nicht zuletzt im Lichte des EU-Rats vom Juni dieses Jahres stark angezweifelt werden. Wie bereits hier an anderer Stelle berichtet, soll künftig direkte Bankenhilfe aus dem ESM – ohne Umweg über staatliche Bankenrettung – ermöglicht werden. Laut Klaus Redling, dem künftigen ESM-Manager sollen – entgegen der Meinung der deutschen Bundesregierung – entsprechende Haftungen betroffener Länder nicht mehr notwendig werden (siehe Beitrag im Standard vom 14. Juli 2012).
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Nun: Der Fiskalpakt sieht tatsächlich vor, dass nur jene Länder Hilfe – wobei der Begriff „Hilfe“ angesichts rigider Sparauflagen und massiven Arbeitsrechtsabbaus im Zusammenhang mit dem ESM einen unangebrachten Euphemismus darstellt – aus dem „Rettungsschirm“ beantragen dürfen, welche auch den Fiskalpakt ratifiziert haben. Unter den „Rettungsschirm“ schlüpften Staaten, deren Schulden ein derart hohes Niveau angenommen hatte, dass eine Refinanzierung über „die Märkte“ entweder unerschwinglich oder unmöglich geworden war. Diese Schulden waren u.a. deshalb so stark gestiegen, weil teure Bankenrettungen notwendig geworden waren. Bankenrettungen, die unmittelbar schuldenwirksam geworden waren, also die Schulden in die Höhe getrieben hatten. Mit den Beschlüssen des letzten EU-Gipfels scheint der unmittelbare Zusammenhang zwischen ESM und Fiskalpakt allerdings nicht mehr so eindeutig gegeben, da Bankenrettung nicht mehr zwangsläufig über einzelne Mitgliedsstaaten gehen muss, sondern eben direkt – über den ESM – möglich werden soll. Der „Umweg“ über den betroffenen Einzelstaat – also ein Bankenrettung durch den betroffenen Staat mit entsprechend steigendem Staatsschuldenstand – wird also nicht mehr unbedingt notwendig. Eine Bankenrettung wird dadurch nicht mehr „schuldenwirksam“, nicht der Staat, sondern die betroffene Bank schlüpft – mit entsprechenden Auflagen – unter den Rettungsschirm. Dadurch wird für den Staat auch kein „Spardiktat“ a la Troika zwingend. Und eben auch nicht die Ratifizierung des Fiskalpakts – hat ja nicht der Staat, sondern eine Bank den „Rettungschirm“ in Anspruch genommen (zur grundsätzlichen Frage von Bankenrettung aus dem ESM – Ja oder Nein siehe den sehr empfehlenswerten Beitrag von Misik auf DER STANDARD).
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Der von Bundespräsident Fischer beschriebene bzw. angenommene logische Zusammenhang zwischen ESM und Fiskalpolitik scheint unter diesem Gesichtspunkt bzw. angesichts dieser Entwicklungen jedenfalls keineswegs zwingend gegeben bzw. schlüssig. Vielmehr wird mit der Unterschrift ein Schritt als „notwendig“ vollzogen, der hinsichtlich seiner zugrundeliegenden Argumentation zumindest höcht umstritten ist.
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Vor der Verfassungsklage
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„Enttäuscht“ von Fischers Unterschrift zeigt sich entsprechend auch die Grüne Opposition. „Die Sparpolitik nach deutschem Wunsch und Muster, wie sie im Fiskalpakt angelegt ist, stellt nach diesem enttäuschenden Vorgehen des Bundespräsidenten eine Fortsetzung der Politik im Ausnahmezustand dar. Fischer übergeht damit die differenzierten Bedenken der Grünen aber auch von NGOs wie Attac oder den namhaftesten Verfassungs- und Europarechtsexperten in Österreich“, kritisiert etwa der stv. Klubobmann der Grünen, Werner Kogler, Fischers Unterschrift in einer Presseaussendung. In Sachen Fiskalpakt finde damit „… nach der Flucht aus den EU-Verträgen nun auch eine Flucht aus dem österreichischen Verfassungsrahmen statt“.
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Im Vorfeld haben sich die Oppositionsparteien Grüne, FPÖ und BZÖ bereits auf eine gemeinsame Verfassungsklage im Falle der Unterzeichnung durch den Bundespräsidenten geeinigt. Basis der Klage bietet ein im Auftrag der Grünen erstelltes Gutachten des anerkannten Verfassungsrechtlers und Univ.-Prof. Stefan Griller. Mit seiner Unterschrift – so Fischer – habe er nun den Weg für eine derartige Klage auch frei gemacht. Im Gegensatz zu Deutschland darf in Österreich der Verfassungsgerichtshof erst nach Unterzeichnung durch den Präsidenten prüfen. Der wird nun entscheiden müssen, ob der Beschluss über den Fiskalpakt verfassungswidrig war, oder nicht. Unabhängig davon bleibt allerdings das Problem, dass – so ATTAC in einem offenen Brief – der Fiskalpakt mit Unterzeichnung durch den Bundespräsidenten völkerrechtliche Wirkung erzeugt. So kann durchaus passieren, dass ein Vertrag, der nicht verfassungskonform beschlossen wurde – also keine innerstaatliche Wirkung entfalten kann – nach außen wirkt. Womit eine Situation massiver Rechtsunsicherheit entstünde …