FSG in der AK Wien – verlängerter Arm der Stadtregierung?
20. Dezember 2010 von adminalternative
Ein Bericht aus dem Ausschuss für Kommunal- und Regionalpolitik am 13.12.2010 von Christine Rudolf (AUGE-AK-Rätin und politische Sekretärin der KIV/UG)
Im Rahmen der letzten Vollversammlung der Arbeiterkammer Wien (das Wiener ArbeitnehmerInnenparlament) am 27. Oktober 2010 stellten wir in Absprache mit der Initiative für kostenlose Notschlafplätze (INKONO) folgenden Antrag:
Nächtigungsgebühr stoppen!
Die 154. Vollversammlung der Arbeiterkammer Wien unterstützt die Forderungen der von MitarbeiterInnen der Wiener Wohnungslosenhilfe gemeinsam mit dem Österreichischen Berufsverband der SozialarbeiterInnen, Landesgruppe Wien, ins Leben gerufenen Initiative für kostenlose Notschlafplätze (INKONO) und fordert die zuständige Sozialstadträtin Sonja Wehsely und die Verantwortlichen des Fonds Soziales Wien (FSW) auf, von der Einführung eines Kostenbeitrages für Nachtnotquartiere Abstand zu nehmen.
Die FSG-Mehrheit mit Unterstützung der Fraktionen ÖAAB und Bündnis Mosaik konnte sich nicht zu einer Zustimmung durchringen. Daher wurde der Antrag zwar nicht abgelehnt, sondern an den AK-Ausschuss für Kommunal- und Regionalpolitik zugewiesen. Es bestand so zumindest die Chance, dass die AK sich bereits vorhandene Expertisen zur Thematik einholt, die Auswirkungen der Einführung auf die unmittelbar Betroffenen anhand dessen analysiert und natürlich zunächst die Betroffenen (also in diesem Bereich Beschäftigte sowie wohnungslose Menschen und ihre Interessensvertretungen wie Gewerkschaft, Betriebsräte/Personalvertretungen, die Bundesarbeitsgemeinschaft Wohnungslosenhilfe – BAWO, die Armutskonferenz usw.) und dann natürlich auch die entsprechenden Stellen des FSW beizieht.
Mit dem Ziel, eine entsprechende Vorgangsweise abzusprechen, ging ich am 13.12. zum Ausschuss.
Dreimal darf geraten werden, wer da saß …
Der von der SPÖ-Stadtregierung eingesetzte Geschäftsführer des FSW (also Unternehmervertreter) Peter Hacker und die zuständige Leiterin des Bereichs Wohnungslosenhilfe im FSW! Da die AUGE/UG keine Information darüber hatte, hatten wir nicht einmal die Chance, im Vorfeld auch noch jemanden von INKONO für die andere Sichtweise zur Thematik und ihre Expertise vorzuschlagen.
Also gut: „Wenn sie schon mal da sind“, dachte ich, „dann hören wir uns die Unternehmerseite halt mal an und stellen gezielte Fragen. Spricht ja nichts dagegen, solange noch die Chance besteht die Interessenvertretungen der „anderen Seiten“ auch mit ein zu beziehen.“
Doch da meine zweite Überraschung:
Als Tischunterlage wurde uns folgende Antragsbehandlung zu Beginn der Sitzung vorgeschlagen:
Die Mindestsicherung setzt sich wie folgt zusammen:
Grundbetrag € 558,–, Wohnkostenanteil € 186,–. 2 Monate lang besteht die Möglichkeit, eine Notschlafstelle kostenlos zu benützen, danach werden € 4,– pro Nächtigung eingehoben. Dies ergibt pro Monat € 124,–, das ist niedriger als der Wohnkostenbeitrag. Der Sinn ist, dass Menschen nicht länger als notwendig in einer Notschlafstelle bleiben sollen, das Ziel ist die längerfristige Reintegration. Dies geschieht über das System der Wohnungslosenhilfe, das in Wien besteht. Es wird daher vorgeschlagen, den Antrag abzulehnen.
Meine Empörung war perfekt und mein Ärger natürlich auch. Es war nicht einmal geplant, meine Ausführungen zu unserem Antrag anzuhören, noch die eigentlich betroffene Seite – nämlich die Beschäftigten und ihre KlientInnen im Obdachlosenbereich – zu beteiligen.
Nach dem Referat der Unternehmervertretung über das System der Wohnungslosenhilfe und die finanziellen und pädagogischen Begründungen für Einführung einer Notschlafgebühr (durchaus interessant – siehe eingescannte Unterlage), habe ich an die verantwortliche Ausschussvorsitzende Barbara Teiber gerichtet klargestellt, dass diese Vorgangsweise der Zusammenarbeit mit uns in der AK und im Hinblick auf die Unterstützung der unmittelbar Betroffenen indiskutabel und für mich die Diskussion zum Antrag nicht abgehandelt ist, indem man nur eine Seite anhört und dann gleich eine Ablehnung empfiehlt. Barbara Teiber ist übrigens neben ihrer Funktion als FSG-AK-Rätin auch im AK-Vorstand, sowie Regionalgeschäftsführerin der GPA-djp Wien und hat für die SPÖ zum Wiener Gemeinderat kandidiert.
Die Antwort der Ausschussvorsitzenden auf meine Empörung fasse ich wie folgt zusammen:
Als Ausschussvorsitzende wäre ihr das Recht vorbehalten zu entscheiden, wen sie sich als Experten hinzuzieht und wann sie das tut. Auf der Tagesordnung, die uns als Einladung übermittelt wurde, stand ja eh, dass unser Antrag Thema ist (Anm. allerdings nicht, wer dazu eingeladen wurde). Und es wäre nicht notwendig die Betroffenen mit ein zu beziehen, denn wenn wir als AUGE/UG den Antrag stellen, gehe sie davon aus, dass auch wir über das Thema sprechen können (Anm.: nur war gar nicht geplant, mich dazu sprechen zu lassen – siehe vorgeschlagene Ablehnung oben). Überhaupt nehme sie meine Argumentation zur Kenntnis und mehr müsse sie auch nicht.
Aber leider, leider war gleichzeitig Gemeinderatssitzung …
Da im Ausschuss zahlreiche GemeinderätInnen der SPÖ, ÖVP und FPÖ sitzen, war er nicht beschlussfähig. So ein Pech. Man kann sich halt nicht teilen. Auch deswegen lob ich mir unsere Parteiunabhängigkeit und Unvereinbarkeits-Regelung, was politische Mandate in Gemeinderat, Landtag oder Nationalrat betrifft!
Daher habe ich im Ausschuss Folgendes angekündigt:
- Vor dem nächsten Ausschuss (März 2011 ) gibt es von uns in Zusammenarbeit mit den KollegInnen der INKONO (also jener „Seite“, für welche die AK als Interessenvertretung eigentlich zuständig wäre) eine schriftliche Stellungnahme zum Thema an alle Ausschussmitglieder und die Kommunalpolitik-Abteilung inkl. Auflistung darüber, was wir uns an Unterstützung seitens der AK als Interessenvertretung erwarten.
- Außerdem werde ich nochmals schriftlich vorschlagen, dass eine VertreterIn der „anderen Seite“ (z.B. der BAWO) beigezogen wird, um auch die Argumente der Interessenvertretung der unmittelbar Betroffenen zu hören, sich anschließend eine Meinung zu bilden und die Antragsbehandlung zu entscheiden.
- Sollten wir bzw. die Anliegen der Betroffenen wieder nicht entsprechend unterstützt und unsere Stellungnahme und Vorschläge negiert werden, werden wir die Vorgangsweise entsprechend veröffentlichen und den unmittelbar Betroffenen zur Kenntnis bringen. Sie sollen sich dann ihr eigenes Bild über ihre Interessenvertretung und die bestimmende Mehrheitsfraktion FSG (SPÖ) machen.
Damit war die Debatte zum Antrag abgeschlossen und wurde von der Ausschussvorsitzenden auch nicht weiter kommentiert.
Und die anderen Fraktionen?
Erwähnenswert ist vielleicht noch, dass keines der anderen anwesenden Ausschussmitglieder (von FSG, ÖAAB, FA, Union der Österreichisch-Türkischen ArbeitnehmerInnen) sich ablehnend zur undemokratischen Vorgangsweise äußerte. Auch zum Thema hatten, bis auf zwei eher zustimmenden Nachfragen zum Referat seitens des ÖAAB und der Ausschussvorsitzenden , die Ausschussmitglieder nichts zu sagen.
Im Übrigen hat auch die Interessengemeinschaft work@social der GPA-djp die INKONO unterstützt siehe entsprechende Presseaussendung vom 24.9.2010
Was hat uns die FSG wieder einmal bewiesen?
Es zeigt, wie wichtig die Parteiunabhängigkeit in der Interessenvertretung ist. Denn darum geht’s ja auch bei diesem Thema:
Eine SPÖ-Stadträtin möchte gemeinsam mit dem von der SPÖ eingesetzten FSW-Geschäftsführer über die Hintertür der Mindestsicherung wieder etwas von den betroffenen Menschen zurückholen. Vordergründig unterstützt die GPA-djp die Anliegen der daraufhin gegründeten INKONO. Dann ist es der FSG wieder einmal peinlich, auf der grundsätzlich öffentlichen Vollversammlung den Antrag abzulehnen – daher Zuweisung an einen Ausschuss mit einer „braven“ FSG-Ausschussvorsitzenden, welche, wie es sich gehört das SPÖ-nahe Management zur Stellungnahme einlädt, vorher aber schon klar ist, dass dem Antrag nicht zugestimmt werden wird …
Wir werden im März über die weiteren Ergebnisse zum Thema und die Geschehnisse dazu im Ausschuss berichten
Links: