Gewalt gegen Frauen ist kein importiertes Problem

Karin Stanger, Bundesvorständin AUGE/UG
Karin Stanger, Bundessprecherin AUGE/UG

Kommentar von Karin Stanger.

In kaum einem anderen EU-Land werden mehr Frauen ermordet als Männer – in Österreich ist das die Regel. Gewalt gegen Frauen ist jedoch kein importiertes Phänomen. Es ist ein strukturelles, ein universelles Problem, denn die patriarchalen Strukturen ziehen sich durch alle Länder und Gesellschaftsschichten.

Die größte Gruppe unter den Frauenmördern ist mit Abstand jene der österreichischen Staatsbürger ohne Migrationshintergrund. Das zeigen die Statistiken ganz klar. Bereits 15 Frauenmorde gab es in diesem Jahr. Der erwartete Aufschrei über alle Parteigrenzen hinweg blieb allerdings ebenso aus wie entschlossene politische Maßnahmen. Der erschütternde Mordfall an der 13-Jährigen Leonie wird nun hingegen von rechter und rechts-konservativer Seite instrumentalisiert, um gegen Geflüchtete Stimmung zu machen.

ÖAAB diffamiert humanitäre Vereine und Organisationen

Plötzlich melden sich viele zu Wort, die zu den 14 Frauenmorden davor nicht Mund aufgebracht haben. Zum Beispiel auch der ÖAAB, der Österreichische Arbeitnehmerinnen- und Arbeitnehmerbund der ÖVP. In einer Presseaussendung bedient sich Hannes Taborsky/ÖAAB aus der untersten Schublade:

Zitat: „…selbsternannte Rechtsberater oder sogenannte humanitäre Vereine und Organisationen (…) welche Rechtsverfahren durch Berufungen in die Länge ziehen…“
Vereine und Organisation, die geflüchteten Menschen beistehen, werden in dieser OTS diffamiert und rechtliche Verfahren in Zweifel gezogen. Das soll die Fraktion „christlicher Gewerkschafter“ sein!? Vergessen wir nicht, es gibt viele Vereine und Organisation wie zB. die Asylkoordination, Asyl in Not, die Diakonie oder die Caritas die in diesen Bereichen wertvolle Arbeit leisten. „Sogenannte humanitäre Vereine“ – so müssen sie sich und ihre wertvolle Arbeit von der ÖVP-Arbeitnehmer*innenvertretung schimpfen lassen. Damit man versteht in welchem Fahrwasser sie sich bewegen: Die rechtsextremen Identitären haben für Freitag eine Demonstration bei einem Asylzentrum einer dieser Vereine angekündigt und wollen diesem einen Besuch abstatten.

Die Forderung nach Abschiebungen kann nie eine linke sein

Generell sind junge Männer jene Bevölkerungsgruppe, welche die größte Deliktanfälligkeit aufweist. Bei geflüchteten Menschen aus Afghanistan handelt es sich häufig um junge Männer – oft unbegleitete Minderjährige. Es gilt daher aufzupassen, wie hier Statistiken miteinander verglichen werden. Denn Menschen aus Afghanistan tauchen in den Kriminalitätsstatistiken tatsächlich häufiger auf, als es dem Bevölkerungsanteil entsprechen würde. Diese Bevölkerungsgruppe ist aber eben deutlich anders zusammengesetzt als die Gesamtheit der österreichischen Staatsbürger*innen. Täter aus Ländern wie Afghanistan, Syrien oder dem Irak kommen außerdem aus Ländern, in denen Frauen besonders stark abgewertet werden. Und das hat natürlich auch mit den dort vorherrschenden Rechtssystemen und den dort verbreiteten religiösen Vorstellungen zu tun, in denen Frauen eine minderwertige Stellung einnehmen.

Doch die Forderung nach Abschiebungen kann nie eine linke sein, gerade auch weil Schutz- und Präventionsmechanismen in solchen Ländern noch schlechter ausgebaut sind und Gewalttaten gegen Frauen für die Täter oft wenig bis keine strafrechtlichen Konsequenzen haben. Dadurch sind Frauen in diesen Ländern noch schlechter vor der Gefahr geschützt, die von gewalttätigen Männern ausgeht.

Das Ziel muss sein, Frauen überall vor Gewalt und Mord zu schützen! Dazu gehört, das Schaffen von gleichen Rechten und gleichen Chancen, Prävention, Opferschutzmaßnahmen, Täterarbeit, ein gutes Rechtssytem und das konsequente Bekämpfen patriarchaler Strukturen.

Zuletzt bleibt zu sagen: Afghanistan ist eines der unsichersten Länder der Welt. Terroranschläge mit dutzenden Todesopfern sind an der Tagesordnung, die Taliban im gesamten Land auf dem Vormarsch. Wer Menschen dorthin abschiebt, nimmt ihren Tod in Kauf und trägt dafür Verantwortung. Zudem Schluss kommt auch die im Februar 2021 veröffentlichte VIDC Studie “From Austria to Afghanistan: Forced return and a new migration cycle”. Darin wird der Frage nachgegangen wie es Abgeschobenen nach ihrer Rückkehr in Afghanistan ergeht. Die Studie verdeutlicht, dass die afghanische Regierung ihre Bürger*innen nicht vor Gewalt beschützen kann. Die Taliban kontrollieren mehr Territorium in Afghanistan als jemals zuvor, seitdem sie 2001 von der Macht verdrängt wurden. Folglich ist Afghanistan auch kein sicherer Ort für Rückkehrer*innen, und Österreich sollte die Abschiebung von Afghan*innen sofort stoppen.

 

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