Hintergründe zu den KV-Verhandlungen im Sozialbereich, Gefahr im Verzug


Stefan Taibl, Betriebsrat im Sozialbereich, AUGE/UG Arbeiterkammerrat

Eine Analyse von Stefan Taibl, Betriebsratsvorsitzender PSZ GesmbH, Landessprecher der AUGE/UG NÖ, Mitglied des GPA-djp-Bundesausschusses f. Gesundheit/Soziale Dienstleistung/Kinder- und Jugendwohlfahrt

Der Sozialbereich, die Einkommens- und Arbeitsbedingungen im Sozial- und Gesundheitsbereich gehören grundlegend aufgewertet. So weit so gut, da würde jedeR zustimmen.

Angeblich 30 000 gut ausgebildete Fachkräfte arbeiten nicht mehr in der Branche. Die müssen wir zurück gewinnen, keine weiteren mehr verlieren. Drei Kollektivverträge gehen mit einer einzigen Forderung seitens der Beschäftigten in die Verhandlungen: Sozialwirtschaft Österreich, Caritas und Diakonie fordern eine 35 Stunden Woche. Die Verhandlungen bei Caritas und Diakonie wurden aufgrund des Stillstandes und der Weigerung der Arbeitgeber im SWÖ-KV ausgesetzt. Diese Forderung, in einem Schritt durchgesetzt, ergäbe für alle Teilzeitkräfte eine Reallohnerhöhung von mehr als 8 Prozent und somit eine wirkliche Annäherung an die vielen besser verdienenden Branchen, aber auch eine Besserstellung der gesamten Branche hinsichtlich Arbeitszeit.

Woran scheiterte es bisher, gute Arbeitsbedingungen und Löhne für die Branche zu erzielen? Und wer sind die AkteurInnen? Ich erlaube mir eine kurze Analyse.

Die Rolle der Gewerkschaften: Von den etablierten Mehrheitsfraktionen dominiert, sind die Gewerkschaften verantwortlich, die schlechten Bedingungen und Löhne von ArbeitnehmerInnenseite bis jetzt immer zugelassen und durchgeboxt zu haben. Verschwistert mit den LandesrätInnen verschiedenen Couleurs, musste der Bereich immer billiger als die Landesbediensteten und – obwohl mit öffentlichem Versorgungsauftrag ausgestattet – so billig wie möglich sein. Das ging nur auf Kosten der Beschäftigten. Erst seit die Roten aus der Regierung draußen sind, wird im Gesundheits- und Sozialbereich auch mobilisiert.

Und dann gibt es immer noch das politische Macht- und Ränkespiel. Gerade wird es wieder gemacht: ein Machtkampf zwischen roten Arbeitgebern und rot dominierten Gewerkschaften gegen die schwarzen Arbeitgeber. Aber um das geht es nicht!

Die Rolle der Arbeitgeber: Auch hier gibt es die politische Färbung, Beispiel Hilfswerk – schwarz, Volkshilfe – rot. Da wollen sich die Arbeitgeber gerne Konkurrenz machen, sind untereinander verkracht, und wenn der Landesrat dem Arbeitgeber die Rahmenbedingungen vorgibt, dieser vielleicht zu seiner Partei gehört oder aber immer von seinem Fördergeld und seinem Auftrag abhängig ist, sagen sie zu fast allem ja. Auch, um die Konkurrenz los zu werden. Mittlerweile zahlen die Arbeitgeber in manchen Bundesländern schon „Kopfgeld“ im mobilen Pflegebereich. Wenn jemand bei einer Einrichtung arbeitet und von einer anderen Einrichtung mit selber Tätigkeit abgeworben wird, bekommt der/die abwerbende MitarbeiterIn eine Prämie. KeineR will aber mehr Gehalt zahlen. Die Rahmenbedingungen der Fördergeber lassen nicht mehr zu. Das ist auch diesmal wieder das Hauptargument: Die Rahmenbedingungen der Fördergeber lassen nicht mehr zu.

Die Rolle der Politik: Den privaten Gesundheits- und Sozialbereich von Caritas, Hilfswerk etc. gibt es nur, weil die öffentliche Hand

  • erstens sparen kann (eine Sozialarbeiterin im NÖ Landesdienst bekommt 1/3 mehr Gehalt als eine Beschäftigte im privaten Bereich);
  • zweitens die öffentliche Hand keine Verantwortung für die Beschäftigten übernehmen muss. Verträge auf ein Jahr lassen jederzeit zu, Projekte zu schließen, MitarbeiterInnen zu entlassen, etc..

Und auch jetzt: wenn die Geld- und Fördergeber nicht klar signalisieren, an einer wirklichen Verbesserung der Arbeits- und Einkommensbedingungen interessiert zu sein, diese auch mitzutragen und zu zahlen, wird sich nichts ändern. Aber hier geht es nicht um einen politischen Machtkampf, sondern um nichts Weniger, als die Aufrechterhaltung des Gesundheits- und Sozialsystems! Und um die Schaffung geeigneter Arbeits- und Einkommensbedingungen, damit diese Art Arbeit nicht ihre eigenen Sozialfälle produziert.

Gefahr im Verzug: Gefahr droht von mehreren Seiten. Die Gewerkschaften haben noch nie so viel gefordert. Berechtigt, wenn man sich die Einkommensunterschiede und die Situation der Beschäftigten ansieht. Wenn sie damit nicht durchkommen, keine wirkliche Verbesserung der Arbeits- und Einkommensbedingungen erzielen, gefährdet das unser Gesundheitssystem. Jetzt gibt es schon zu wenig Leute, die diese Arbeit unter diesen Bedingungen machen wollen. Die Arbeitgeber waren noch nie so gespalten. Sie waren immer inhomogen. Der Kollektivvertrag vereint viele, sehr unterschiedliche Bereiche, von stationärer Pflege bis mobile Dienste, Kinder- und Altenbetreuung … Jeder Arbeitgeber hatte zumeist nur seine Branche und Firma im Blick. Aber wenn sie sich diesmal unüberbrückbar spalten, droht das Aus für den Kollektivvertrag. Da sind diverse Ausritte von manchen Promi-Arbeitgebern momentan eher gefährlich als hilfreich. Auch die Politik kann, wenn sie mit den Verbesserungen nicht mit geht, keine Verbesserungen zulässt, weiter für Abwanderung der Beschäftigten sorgen.

Wo wir stehen: Es gab am 5. Februar eine kleinere Demo im öffentlichen Raum. Caritas und Diakonie haben ihre Verhandlungen ausgesetzt und warten auf die Entscheidungen im SWÖ. Am Montag, den 10. Februar findet die nächste Verhandlungsrunde statt. Es gibt in vielen Firmen Streikbeschlüsse, Teilbetriebsversammlungen sind am Laufen. Die ersten Warnstreiks gibt es, wenn bei der nächsten Verhandlung kein Ergebnis erzielt wird, am Mittwoch, den 12. Februar.

Was es braucht: was es wirklich braucht, wäre ein Signal der Fördergeber Bund und Länder, die Verbesserung der Arbeits- und Einkommensbedingungen mitzutragen und zu finanzieren. Es geht um unser Gesundheitssystem, da gibt es mittlerweile Notstand an vielen Ecken – es darf nicht um politisches Ränke- und Machtspiel gehen!

Wenn dieses Signal käme, würden die Arbeitgeber wohl keine Ausrede mehr haben.

Die Gewerkschaften lehnen ab, mit den Fördergebern direkt zu verhandeln. Vereinzelte Versuche, meist hinter verschlossenen Türen, haben wenig gefruchtet. Klarer Ansprechpartner der Gewerkschaften ist der Arbeitgeberverband. Das alleine wird aber nicht reichen. Heuer wollen sich die Gewerkschaften wieder nicht an die Politik wenden. Auch aus Befangenheit?

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