Homeoffice – flexible Arbeitseinteilung oder Auflösung der Grenze zum Privatleben
3. September 2020 von auge/ug
Vera Koller, Arbeiterkammerrätin der AUGE/UG und Vorsitzende der Unabhängigen GewerkschafterInnen
Die Variante des Homeoffice ist, insbesondere aufgrund des herannahenden Herbstes und der aktuell steigenden Zahlen an Covid-Infektionen, wieder in aller Munde.
Eine kurze Einschätzung zum Thema, welche Chancen bringt Homeoffice, welche Risiken entstehen:
Um im Homeoffice arbeiten zu können bedarf es einer Vereinbarung mit dem Arbeitgeber. Homeoffice kann nicht einseitig angeordnet werden, im Gegenzug besteht auch kein Anspruch darauf. Somit handelt es sich um eine vertragliche Übereinkunft zwischen Arbeitgeber*in und Arbeitnehmer*in. Es bestehen keine gesetzlichen Regelungen und eine Betriebsvereinbarung zum Festlegen der Rahmenbedingungen kann derzeit nur auf freiwilliger Basis abgeschlossen werden. Dringend notwendig wäre eine gesetzliche Definition von Homeoffice, die Regelung grundsätzlicher Voraussetzungen und der zwingende Abschlusses einer Betriebsvereinbarung in betriebsratspflichtigen Betrieben (ähnlich der Gestaltung von Gleitzeit) um betriebliche Rahmenbedingungen festzulegen.
Unter Homeoffice wird grundsätzlich die Verlagerung der arbeitsrechtlich geschuldeten Tätigkeit nach Hause verstanden. Entgegen der Annahme, dass damit ein flexibleres Arbeiten verbunden ist, bleiben beim klassischen Homeoffice die vereinbarten Arbeitszeiten gleich, auch der Arbeitsort ist mit dem vereinbarten Platz in der Wohnung beschränkt. Dh es ist ohne dementsprechende Vereinbarung auch nicht möglich während der vereinbarten Arbeitszeiten den Arbeitsplatz in der Wohnung zu verlassen oder die Tätigkeit zu unterbrechen. Der vielfach bei Beschäftigten vorliegende Wunsch nach flexibleren, ihren Bedürfnissen angepassten Tätigkeiten, wird daher durch das klassische Homeoffice im engen Verständnis kaum erfüllt. Entgegen dieser Vorstellungen liegt der eigentliche Vorteil im Ersparen des Weges zur Betriebsstätte und wieder nach Hause. Dem gegenüber stehen die Risiken der Verlagerung von Kosten und Infrastruktur an die Beschäftigten, die Entgrenzung von Arbeit und Freizeit und die Gefahr von fehlendem Arbeitnehmer*innen Schutz. Besonders die Entgrenzung von Arbeit und Freizeit birgt vielfach Gefahren. Langjährige Forderungen der Wirtschaft beziehen sich auf die Arbeitsverhinderungen von Beschäftigten. Welcher persönliche Verhinderungsgrund kann da noch greifen. Während des Lockdowns haben es viele erlebt, das Arbeiten und die Beaufsichtigung von Kindern wurde zugemutet und hat für die Wirtschaft auch funktioniert. „Dankbar musste jede/r sein, der/die die Möglichkeit hatte von zu Hause zu arbeiten.“ Also denken wir weiter: Pflegefreistellung, muss dass sein, oder geht ´s nicht auch nebenbei, Teilkrankenstand, arbeiten mit Gipsfuß, der Kopf und die Hände sind ja noch brauchbar……
All diese Szenarien stehen schon länger auf der Wunschliste von Unternehmen und Co.
Trotzdem die Beschäftigten wollen es, lautet die oft gehörte Antwort.
Aber was wollen die Beschäftigten:
Viele Arbeitnehmer*innen wünschen sich die Möglichkeit des mobilen Arbeitens zwischen zwei Terminen, zu Hause, im Kaffeehaus oder im Freien. Dann wenn sich hin und herfahren nicht mehr auszahlt, dann wenn persönlicher Zeitdruck dadurch geringer wird. Die wenigsten wollen dabei auf ihren fixen Arbeitsplatz, ihren eigenen Schreibtisch im Betrieb verzichten. Beschäftigte wollen die Möglichkeit des flexiblen Arbeitens, angepasst an ihre Bedürfnisse.
Im Gegensatz dazu stehen die Vorstellungen der Arbeitgeber: von Desksharing und sparen der Infrastruktur ist da die Rede. Schon mehren sich Stimmen in die Richtung, dass wenn Arbeitnehmer*innen sich Fahrkarten ersparen, dann können sie wohl im Ausgleich Kosten für Internet, Papier usw. übernehmen. Dies ist sicherlich nicht der richtige Ansatz. Die Politik ist daher gefordert für eine klare ausgewogene Ausgestaltung zu sorgen und für ein Einbeziehen der Betriebsrät*innen im Betrieb.
Es braucht neben dem klassischen Homeoffice, auch Regelungen für mobiles Arbeiten. Außerdem kluge Überlegungen für die Gewährleistung des Arbeitnehmer*innen Schutzes, vor allem was die Einhaltung von Arbeitszeithöchstgrenzen und Ruhezeiten betrifft. Vor allem aber muss klargestellt werden, dass persönliche Verhinderungsgründe, Krankheit, Pflege usw. weiterhin dem Erfüllen einer Arbeitsverpflichtung entgegenstehen.
Und was haben die Arbeitgeber*innen davon: motivierte, zufriedenen Mitarbeiter*innen die großartiges leisten, sollten Motivation genug sein.