Krötenwanderung: Situationsbericht eines Betroffenen im sozial-ökonomischen Bereich
22. Oktober 2010 von adminalternative
Ein betroffener Mitarbeiter und Untersützter der Krötenwanderung, der aus gutem Grund anonym bleiben möchte, hat uns für die Krötenwanderung einen Situationsbericht und ein Statement aus seiner Sicht über die AMS-geförderten bzw. sozial-ökonomischen Betriebe in Wien zukommen lassen. Dieses Statement möchten wir hiermit veröffentlichen, um auch die Situation dieses Bereichs stärker nach außen zu tragen.
Der sozial-ökonomische Bereich wird bereits seit Jahren finanziell ausgedünnt. Durch die Budgekonsolidierung und die damit verbundenen geplanten Einsparungen der Bundesregierung (Anm.: Einsparungen fast 936 Mio. Euro alleine 2011 im Bereich Soziales, Arbeit und Familie, davon alleine 125 Mio. Euro im Bereich Arbeitsmarkt) wird dieser Bereich als einer der ersten von noch stärkeren Kürzungen betroffen sein!
Situationsbericht der AMS-geförderten bzw. -beauftragten sozial-ökonomischen Betriebe (SÖB´s) in Wien
SÖB´s werden vom AMS beauftragt (gefördert), um langzeitarbeitslosen Menschen den Einstieg bzw. Wiedereinstieg in den regulären Arbeitsmarkt zu ermöglichen – durch konkrete, marktnahe Tätigkeiten und sozialarbeiterische Hilfestellungen.
In den vergangenen Jahren wurden unsere Möglichkeiten aber immer mehr eingeschränkt, was zur Folge hat, dass diejenigen mit den schlechtesten Arbeitsmarktchancen noch zusätzlich unter Druck geraten.
So wurde z.B. im Jahr 2006 die maximale Verweildauer auf 12 Monate beschränkt, was konkret bedeutete, dass keine Personen mehr Im SÖB eine externe Lehre (2 Jahre Praxis im Beruf + Abendlehrgang) machen konnte – eine bis zu diesem Zeitpunkt sehr erfolgreiche Unterstützungsmöglichkeit. Ebenso konnten wir keine regulären Lehrverhältnisse mit Jugendlichen mehr eingehen.
Der dramatischste Einschnitt war 2007, als die maximale Verweildauer auf 6 Monate verkürzt wurde und auch heute noch gilt. Leicht überspitzt formuliert, sollen die Menschen aus einer minimalen Einschulung und einer gerade mal angelaufenen Betreuung in den 1. Arbeitsmarkt wechseln. Und das nach einer Unterstützung im SÖB durch Schlüsselkräfte, die 3- bis 4-mal so viele Menschen betreuen sollen wie vor 2006, bei gleich bleibenden Personalressourcen. In einen, durch Finanz und – Wirtschaftskrise arg gebeutelten Arbeitsmarkt, der für viele Menschen immer weniger Möglichkeiten bietet ein Einkommen zu erzielen, von dem sie auch leben können.
Wir brauchen keinen Sparkurs auf dem Rücken derer, die weder die Finanzkrise noch die darauf folgende Krise der Realwirtschaft verursacht haben.
Wir brauchen ein gerechtes Steuersystem, bei dem Vermögende und Spekulationsprofiteure zumindest einen annähernd gerechten Beitrag zum Gemeinwohl leisten.
Wir brauchen eine Wirtschafts- Arbeitsmarkt- und Sozialpolitik, die es allen ermöglicht, ein Existenz sicherndes Einkommen in Würde zu erzielen und am gesellschaftlichen Leben teilzunehmen.
Ein betroffener Beschäftigter
Tipp:
Für alle, die sich näher darüber erkundigen wollen, was sozial-ökonomische Betriebe sind und welche Leistungen sie, bei gleichzeitigem sozialen Auftrag für ihre KlientenInnen, erbringen, sei beispielsweise auf eine schon etwas ältere, aber dennoch gute Initiative der Arbeiterkammer Wien verwiesen:
Das Faire Chancen Einkaufsbuch
- Weiterlesen: Bericht Demo Krötenwanderung am 1.10.2010
- Weiterlesen: Artikel Lautes Gequake (auf der Homepage der Vernetzungsgruppe Soziales)
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