ÖGB! Was sonst?
3. Mai 2016 von adminalternative
Am Ersten Mai, dem internationalen Kampftag der ArbeiterInnenklasse, veröffentlichte das Nachrichtenmagazin “profil” ein Interview mit dem ÖGB-Präsidenten Erich Foglar, in dem er „einen anderen Umgang mit der FPÖ“ einforderte und eine Zusammenarbeit mit der FPÖ nicht ausschließen wollte. Als SPÖ-Mitglied kann Foglar natürlich sagen was er will. [1] [2] Berechtigt kritisiert wurde Foglar aber vor allem deswegen, weil er dieses Interview als ÖGB-Präsident gab und in dieser Funktion den ÖGB nach außen repräsentiert. Die Folge waren sogar Gewerkschaftsaustritte und vereinzelte Aufrufe “zu spalten”. Warum das eine denkbar schlechte Idee ist und Gewerkschaftsmitgliedschaft eine wichtige Sache ist.
ÖGB “spalten”??
Der ÖGB halt als freiwillige Interessensvertretung die Fähigkeit Kollektivverträge auszuverhandeln. Das ist ein wesentliches “Kerngeschäft” der Gewerkschaftsarbeit in Österreich. Etwa 97 % aller ArbeitnehmerInnen fallen in Österreich unter Kollektivverträge, damit spielt der ÖGB eine wesentliche Rolle in der Mitgestaltung des sozialen- und wirtschaftlichen, aber auch politischen Lebens in Österreich. Die Kollektivvertragsfähigkeit (ArbVG § 4) prüft das Bundeseinigungsamt und erteilt diese auf Antrag nach Anhörung der zuständigen gesetzlichen Interessenvertretungen. (ArbVG § 5). Ein wichtiges Kriterium ist u. a., ob eine freiwillige Berufsvereinigung aufgrund ihrer “Zahl der Mitglieder und des Umfanges der Tätigkeit” eine “maßgebende wirtschaftliche Bedeutung” hat.
Eine “Spaltung”, wie das vereinzelt vorgeschlagen wurde, könnte bedeuten, dass der kleinere Teil daher kollektivvertrags_un_fähig wird. Die davon betroffenen GewerkschafterInnen würden damit auf eine wesentliche, für die Gewerkschaftsarbeit in Österreich maßgebende Rolle im wirtschaftlichen, sozialen, kulturellen und politischen Gefüge in der Gesellschaft verzichten. Aber es würde nicht nur die Aufgabe der bestimmenden Rolle bedeuten, es könnte auch die hohe Kollektivvertragsabdeckung (für 97 % aller ArbeitnehmerInnen gilt ein Kollektivvertrag) gefährden. Wohin das führen kann, erleben wir Deutschland, wo nur noch 50 % aller ArbeitnehmerInnen einen Anspruch auf Urlaubs- und Weihnachtsgeld besitzen. Wirtschaftliche und soziale Existenzen von Millionen Menschen sind von Kollektivverträgen abhängig, diese dürfen und können nicht mutwillig gefährdet werden. Vor allem dürfen sie nicht denen überlassen werden, die – aus Sicht der KritikerInnen – eine falsche gewerkschaftspolitische Position einnehmen. Eine Abspaltung kommt daher nicht infrage.
Die Gewerkschaftsarbeit
Kollektivverträge werden nicht vom ÖGB ausverhandelt, der ist die Dachorganisation der Fachgewerkschaften, sondern von den Fachgewerkschaften. Bzw. von institutionalisierte Gruppen innerhalb der Fachgewerkschaften (in der GPA-djp sind das die Wirtschaftsbereiche, in der Pro-Ge die Branchenausschüsse), die sich aus BetriebsrätInnen und betreuende GewerkschaftssekretärInnen zusammensetzen. Die Erfahrung zeigt, dass innerhalb dieser Wirtschaftsbereiche bzw. Branchenausschüsse ein sehr kollegiales Verhältnis vorherrscht, unabhängig, bei welcher Gewerkschaftsfraktion jemand ist. Eigene Ideen können verwirklicht werden, es gibt Unterstützung. Die BetriebsrätInnen sind bei den Kollektivvertragsverhandlungen, trotz unterschiedlicher Sichtweisen und Positionen, über alle Fraktionen solidarisch.Die Freiheitlichen Arbeitnehmer (FA) spielen in der Gewerkschaft und vor allem bei den Kollektivvertragsverhandlungen kaum eine Rolle.
Wenn allerdings der ÖGB-Präsident ein Interview gibt, dann vertritt er damit den ÖGB nach “Außen”, das mag zu politischen Differenzen führen und zu Kritik, wie im Beispiel der Aussagen zur FPÖ, aber es ist ein minimaler Teil gewerkschaftlicher Arbeit. Maßgebend für Gewerkschaftsarbeit sind die Kollektivvertragsverhandlungen und u.a. die Unterstützung der Fachgewerkschaften und deren GewerkschaftssekretärInnen für die Betriebsräte, Bildungsarbeit und die Unterstützung der Mitglieder.
Wer eine “Spaltung” des ÖGB fordert, fordert diese wichtige gewerkschaftliche Arbeit aufzugeben, die es unabhängig von eventuellen Positionierungen des ÖGB-Präsidenten und anderen FunktionärInnen gibt. Die Gewerkschaften und die Arbeiterkammer verhandeln Jahr für Jahr milliardenschwere Kollektivverträge zugunsten aller ArbeitnehmerInnen und erkämpfen jedes Jahr hunderte Millionen Euros durch Intervention, Gerichtsprozesse und Sozialpläne für ihre Mitglieder. Es kann nicht Ziel sein, diese weltweit beispiellose Errungenschaften zu gefährden.
Austritt aus dem ÖGB?
Aufgrund des Interviews des ÖGB-Präsidenten Foglar im “profil”, gab es massive Kritik von Gewerkschaftsmitgliedern und sogar Austritte. Es bleibt natürlich allen Selbst zu überlassen, aus dem ÖGB aus- oder einzutreten, dabei sollte aber nicht vergessen werden, dass eine Gewerkschaft mehr ist, als ein herkömmlicher Verein. Durch die Kollektivvertragsfähigkeit ist der ÖGB wohl die wichtigste Institution der ArbeitnehmerInnen in Österreich.
Der ÖGB ist eine starke Gemeinschaft mit über 1,2 Mio. Mitgliedern und erkämpft jährliche Lohn- und Gehaltserhöhungen, Urlaubs- und Weihnachtsgeld sind nicht gesetzlich geregelt, sondern haben die Fachgewerkschaften in Kollektivverträgen ausverhandelt. Und der ÖGB bzw. die Fachgewerkschaften bieten kostenlosen Rechtsschutz in arbeitsrechtlichen Streitfällen an.
Wer starke Gewerkschaften will, die Arbeitsbedingungen verbessern und Errungenschaften verteidigen, der schwächt sie nicht, sondern stärkt sie und führt aber auch die Diskussion um die politische Ausrichtung.
“Die Gewerkschaften sind das Stärkste, das die Schwachen haben.” – Michael Sommer, Bundesvorsitzender des Deutschen Gewerkschaftsbundes (DGB)