PISA-Ausreden und VolksschullehrerInnen-Mobbing

Es wird eng für Betonmischer und Schulreformblockierer. Von Reinhart Sellner, Co-Vorsitzender der UGöD (Unabhängige GewerkschafterInnen in der GöD), AHS-Lehrer und Vertreter der ÖLI-UG in der ARGE LehrerInnen der GöD.

Alles muss besser bleiben im österreichischen Schulsystem. Das Aussortieren der 9-10-jährigen fürs Gymnasium für den Nachwuchs der besseren Leut´ darf mit den besorgniserregenden PISA-Ergebnissen nichts zu tun haben, immerhin haben die 10 besten AHS das Niveau des finnischen Durchschnitts erreicht. Die VolksschullehrerInnen sollen gefälligst die Schuld am miserablen Bildungszustand von 38 und mehr Prozent der Jugendlichen auf sich nehmen. Weil Lesen lernt man in der Volksschule. Und weil die Volksschule bekanntlich eine Gesamtschule ist, verdrehen die Spin-Doktoren des ÖVP-Vorsitzenden und Vizekanzlers den PISA-Absturz flugs in eine Wortspende gegen die überfällige Gesamtschulreform.

Selektionsdruck behindert Lernen, auch an Volksschulen

Die Realität schaut anders aus: Der gemeinsame Unterricht an den Volksschulen ist spätestens ab der 3. Klasse durch Ängste von Eltern geprägt, die sich um den erfolgreichen Übertritt ihrer Kinder ins Gymnasium sorgen. Nicht nur ihre Kinder spüren das und bekommen selber Angst vor schlechten Noten. Die VolksschullehrerInnen bekommen bei Einzelvorsprachen und bei Elternabenden den Druck der Eltern zu spüren. Das angstfreie, spielerische und nachhaltige Lernen, dass Fördern und Fordern aller Kinder, die individualisierende und sozial integrierende Unterrichtsarbeit stoßen an Grenzen, die von außen, von einflussreicheren Eltern und von der selektiven Logik des differenzierten Schulwesens gesetzt werden.

Die VolksschullehrerInnen werden die PISA-Schuldzuweisungen schon aushalten und nicht rebellisch werden, so das Kalkül der um Ablenkung von der Gesamtschulfrage bemühten ÖVP-Spitze. Ein professionelles Selbstbewusstsein gegenüber Bezirksinspektoren, Professoren und Landesschulräten ist für VolksschullehrerInnen nicht vorgesehen. Eine berufspraktisch-verschulte von Wissenschaft und Forschung weitgehend abgetrennte Kurzausbildung und die entsprechend schlechtere Bezahlung sind die strukturellen Voraussetzungen dafür. In der Öffentlichkeit und auch von meist männlichen „Standesvertretern“ werden VolksschullehrerInnen gern als kinderfreundlich-naiv, fleißig, brav und unpolitisch hingestellt. Die Sonntagsreden von gütigen Landeshauptleuten über die große, entscheidende Bedeutung ihrer Arbeit für die Zukunft der Kinder und ihres Landes werden daran nichts ändern.

Rahmenbedingungen verbessern

Aber es spricht einiges dafür, dass diese Rechnung nicht aufgeht. Es gibt auch unter VolksschullehrerInnen immer mehr, denen es reicht. Die wollen ihren SchülerInnen und sich selber die entwürdigenden und demotivierenden Selektionsrituale ersparen, die wollen bessere Rahmenbedingungen für ihren Unterricht, kleine Klassen und ein Zweilehrerinnen-System und dazu sonderpädagogische Unterstützung. Im Grund wollen alle VolksschullehrerInnen unterstützen, fördern und fordern und kein Kind aussondern und zurücklassen. Es gibt an den Ausbildungsstätten, insbesondere an den Universitäten das Bemühen um praxisnahe UND wissenschaftliche, forschungsbasierte LehrerInnenbildung und Fortbildung für alle, es gibt die von BMUKK und BMFW eingeleitete Reform der LehrerInnenbildung. Es gibt die Solidarität von engagierten, kinder- und schülerInnenfreundlichen LehrerInnen aller Schultypen, von Studierenden, von Eltern, die wissen, dass individuelle nicht gegen gesamtgesellschaftlichen Lösungen ausgespielt werden dürfen.

Reform braucht Ressourcen

Es gibt auch wirtschaftliche Interessen, die von den Sozialpartnern formuliert und angesichts PISA 2009 mit verstärktem Nachdruck vertreten werden. Was es noch nicht gibt, sind der Bildungsschwerpunkt im Bundesbudget und damit die notwendigen Ressourcen für Sofortmaßnahmen und für die zu oft schon abgesagte große Schulreform. Fürs Budget sind Finanzminister, Kanzler und Bundesregierung zuständig. Die Zustimmung der ÖVP zu dieser Reform, deren Kernstück eine sozial-integrative gemeinsame, ganztägige Schule sein wird, ist eine Frage der Zeit. PISA beschleunigt. Der neue Vorsitzende der bis dato reformresistenten AHS-Gewerkschaft Quin von der fcg.GÖD hat in seiner Reaktion auf PISA die Bildungsministerin daran erinnert, dass es höchste Zeit für Schulreformen wäre – wenn das kein gutes Zeichen ist?!

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