„Private Gläubigerbeteiligung“ … Welche „private Gläubigerbeteiligung“?

Der Standard, 22. Juli 2011

Rund ein Monat ist es nun her, dass der Euro-Gipfel tagte und ein umfassendes Griechenlandpaket beschlossen wurde. So manch/e optimistische/r, politische/r BeobachterIn sah sogar erste, wenn auch zaghafte Schritte in Richtung von Euro-Bonds und eines europäischen Währungsfonds gesetzt. Und tatsächlich: die Diskussion rund um niedrig verzinste Europa-Anleihen welche eine besonders wirksame Maßnahme gegen Spekulationswellen gegen verschuldete Mitgliedsstaaten darstellen würden, wird ernsthaft wie nie geführt. Euro-Bonds sollen in diesem Beitrag allerdings nicht Thema sein.

Gefeiert wurde im Rahmen des Euro-Gipfels nämlich ganz besonders der Durchbruch bei der „privaten Gläubigerbeteiligung“. Banken, Versicherungen und Fonds – sollen – wenn auch freiwillig – einen entsprechenden Beitrag zur „Entschuldung“ Griechenlands leisten: Auf insgesamt 50 Milliarden Euro – bis zum Jahr 2014 37 Mrd. Euro – soll sich der Beitrag des privaten Sektors belaufen. Das träfe sie „hart“, die Branche, meinte Josef Ackermann, Vorstandschef der Deutschen Bank und im Rahmen des Euro-Gipfels „Verhandler“ und Chef-Lobbyist des Bankenverbandes IIF („The Insitute of International Finance“). Auf 21 % beläuft sich schließlich der Abschlag auf griechische Staatsanhleihen – so Ackermann – welche die Finanzinstitute zu tragen hätten.

Tatsächlich dürfte sich die „Härte“ für die privaten Gläubiger allerdings doch deutlich in Grenzen halten. Von einem „großen Bluff“ den da Ackermann spricht gar Jens Berger, auf den weithin anerkannten, kritischen NachDenkSeiten: von einer Beteiligung des privaten Sektors, welche diesen Namen auch verdient, könne nämlich „überhaupt keine Rede“ sein .

Private Gläubigerbeteiligung a la Eurogipfel

Warum? In den Bilanzen der Finanzinstitute stünden typischerweise griechische Staatsanleihen, ausgegeben 2007, mit 10jähriger Laufzeit und einer Verzinsung von 4,3 %, so Berger. Vor Beginn des Euro-Gipfels wurden diese Anleihen am Markt für 46,10 Euro gehandelt, ihr „Marktwert“ belief sich also auf knapp 46 % des „Nennwertes“. Wer zu diesem Zeitpunkt eine Anleihe erwarb, konnte mit einer Rendite (d.i. der Gesamtertrag aus einer Investition, ausgedrückt in Prozent)  von rund 20 % rechnen, während sich für diejenigen, welche dieses Papier schon länger halten, an deren Rendite faktisch nichts ändert.

Im Rahmen der vereinbarten „privaten Gläubigerbeteiligung“ können nun z.B. Banken aus vier Möglichkeiten wählen, um sich von riskobehafteten griechischen Staatsanleihen trennen:

  1. Sie können griechische Anleihen sofort zum Nennwert 1:1 gegen eine Anleihe des EFSF (also des „Rettungsschirms“) mit AAA-Rating, einer 30jährigen Laufzeit und einer durchschnittlichen Verzinzung von 4,5 % tauschen.
  2. Sie können den 1:1 Austausch auch erst nach Fälligkeit der Griechenland-Anleihe durchführen, ebenfalls gegen eine EFSF-Anleihe mit 30 Jahren Laufzeit, AAA-geratet, verzinst mit durchschnittlich 4,5 %.
  3. Oder durch einen Anleihen-Austausch Griechenland-Anleihe gegen EFSF-Anleihe mit einem Abschlag von 20 % vom Barwert der Griechenland-Anleihe. Laufzeit EFSF-Anleihe wie gehabt 30 Jahre, AAA-Rating allerdings mit einer Verzinsung von durchschnittlich 6,42 %!
  4. Und schließlich: Austausch mit einem Abschlag von 20 % in eine 15jährige EFSF-Anleihe mit AAA-Rating und einer durchschnittlichen Verzinsung von 5,9 %.

Betrachtet frau/mann die ersten beiden Möglichkeiten, „fragt man sich unwillkürlich“, so der Autor „ … worin denn nun eigentliche die Beteiligung des privaten Sektors besteht“. Die Verzinsung von 4,5 % entspräche schließlich ziemlich exakt jener der griechischen Staatsanleihen und läge sogar um 1-%-Punkt über jener der ebenfalls AAA-gerateten deutschen Bundesanleihen.

Bei den Möglichkeiten 3 und 4 findet zwar tatsächlich ein Abschlag von 20 % statt, „… dafür erhält der Investor jedoch eine erstklassige Rendite von 5,9 % bzw. 6,42 % die den Abschlag wieder wettmacht.“ Und: „Natürlich dürfen sich die Banken selbst aussuchen, welches dieser großzügigen Angebote sie bevorzugen.“


Wie aus 21 % Abschlag ein gutes Geschäft wird

Wie kommt Herr Ackermann nun auf die 21 % Abschreibung, die der Finanzsektor angeblich vornehmen muss?

In den Fällen 1 und 2, weil es sich bei der getauschte EFSF-Anleihe um eine sogenannte „Nullkuponanleihe“ handelt. Soll heißen: Den Nennwert der Anleihe (dieser beläuft sich in der Regel auf 100 Euro) bkommt die Bank erst nach 30 Jahren Laufzeit ausgezahlt. Das heißt: über 30 Jahre hinweg wird eine Anleihe mit 4,5 % verzinst, verzinseszinst etc. bis ein Wert von 100 erreicht wird. Die Bank erwirbt diese Anleihe zum Zeitpunkt des Tausches also tatsächlich „abgezinst“. Bei 30 Jahren zu 4,5 % entspricht dieser vom Nennwert 100 „abgezinste“ Wert ca. 25 % des Nennwertes. Da der Marktpreis einer typischen Griechenlandanleihe derzeit bei knapp 46 Euro liegt – also bei 46 % des Nennwertes – und der Wert einer EFSF („Rettungschirm“)-Anleihe bei Zeitpunkt des Tausches bei 25 Euro – bzw. 25 % des Nennwertes – ergibt sich mit dem Tausch ein Abschlag von 21 % (46 % minus 25 %).

Allerdings: nicht nur, dass  die Banken dafür zu einem erstklassig verzinsten, AAA-gerateten, „sicheren“ Papier kommen. Denn während der öffentlichen Sektor die Zinsen für Hilfskredite auf 3,5 % gesenkt hat, konnte der private Sektor Zinssenkungen erfolgreich abwehren. Zusätzlich gilt: werden die EFSF-Anleihen über 30 Jahre gehalten wird der volle Nennwert von 100 abgegolten! Die „private Gläubigerbeteiligung“ in Form von „Abschlägen“ gibt es also nur zeitlich befristet. Dazu: Keinerlei Zinsverluste für den Gläubiger. Kein schlechtes Geschäft.

Bei den Fällen 3 und 4 stellt es sich vom Prinzip her nur unwesentlich anders dar. In diesen Fällen müssen zwar 20 % des Barwertes (der abgezinste Gegenwartswert zukünftiger Zahlungen)  abgeschrieben werden, dafür werden allerdings Zinsen kassiert, die weit über jenen griechischer Staatsanleihen, geschweige den deutscher Bundesanleihen liegen und die tatsächliche Abwertung schon mittelfristig weit unter 21 % drücken! Berger führt ein Beispiel an:

„Die eingangs genannte Anleihe (typisch griechische Staatsanleihe, ausgegeben 2007, Laufzeit 10 Jahre, 4,3 % Zinsen, Anm.) … hat heute einen Barwert vorn 75,86 Euro. Wenn eine Bank diese Anleihe mit 20 % Abschlag in eine EFSF-Anleihe umtauschen würde, hätte dies Anleihe dank der großzügigen Verzinsung von 6,4 % im Jahr 2017 (Laufzeitende und Fälligstellung der 2007 ausgegebenen Anleihe, Anm.) einen Barwert von 88,15 Euro. Bei sehr großzügiger Deutung ergäbe sich somit ein Abschlag von 11,85 %, der jedoch dadurch ausgeglichen wird, dass diese Anleihe noch bis zum Jahr 2041 (also weitere 24 Jahre!, Anm.) mit stolzen 6,42 % bedient wird.“

„Etikettenschwindel“

„Ackermanns Deal ist ein Hauptgewinn für die Banken,“ so Berger. Griechenland-Anleihen, die am Markt noch mit einem Abschlag von rund 40 % gehandelt wurden (der Sachverständigenrat der deutschen Bundesregierung forderte im Rahmen einer privaten Gläubigerbeteiligung sogar einen Abschlag von 50 % ) werden nun lediglich mit einem „Abschlag“ von 21 % bedacht. Und: mögen die 37 Mrd. Euro, welche Banken, Versicherungen u.a. an „privater Gläubigerbeteiligung“ bis 2014 in Form von „Abschlägen“ aufbringen sollen auf dem ersten Blick auch beeindruckend wirken – der Beitrag relativiert sich hinsichtlich der Höhe bei mittel- bis langfristiger Betrachtung: die „Abschläge“ dürften Dank großzügiger Zinsen – siehe oben – deutlich unter 21 % zu liegen kommen – wenn nicht sogar wettgemacht werden.

Sven Giegold, Finanzexperte der Grünen im EU-Parlament spricht entsprechend von einem „Etikettenschwindel“: was von den 17 Staats- und Regierungschefs als großer Durchbruch bei der Beteiligung privater Gläubiger verkauft würde, sei für diese tatsächlich in Wirklichkeit ein „Risikominimierungs“-Paket. Während die Euro-Regierungen die Zinsen für Hilfskredite an Griechenland u.a. auf – bereits erwähnte – 3,5 % senkten, liegen jene der Banken und privaten Gläubiger bei hohen 4,5 bis 6,42 %. „Rechne man die Optionen des Weltbankenverbandes durch,“ so Giegold, „läuft das Ganze nicht auf eine Beteiligung, sondern sogar noch auf eine zusätzliche Begünstigung des Privatsektors hinaus.“


Dass die Abschreibungen den Bankensektor nicht allzu „hart“ treffen dürften, berichtet auch die konservative deutsche FAZ: „Geringe Belastung der deutschen Banken“ ist dieser übertitelt. Tatsächlich belaufen sich – so die FAZ – die „Abschläge“ von 21 %, welche für griechische Staatsanleihen zu leisten wären für die deutsche Bankenlandschaft auf rund 1 Mrd. Euro. Etwas stärker betroffen ist Frankreich, bzw. die französischen Banken mit rund 1,5 Mrd. Deutlich stärker trifft es griechische Banken, deren Einbußen belaufen sich auf rund 10 Mrd. Euro. Der Großteil griechischer Staatsanleihen befindet sich ohnehin bereits bei der Europäischen Zentralbank – im Ausmaß von 45 Mrd. Euro. Die Financal Times Deutschland titelt jedenfalls entsprechend „Banken und Versicherungen: Jammern ohne Grund“ und sieht diese keineswegs bei den Verlierern der Griechenlandeinigung.

Zusammenfassend bewertet Berger die Einigung am Eurogipfel jedenfalls nicht als Beteiligung des Privatsektors, sondern als „Bailout“ – also als Schuldübernahme durch Dritte, in diesem Fall durch den aus öffentlichen Geldern – also Steuern – gespeisten Eurorettungsschirm – „erster Güte“:

„Überflüssig zu erwähnen, dass die Zeche einmal mehr der Steuerzahler zahlen muss. Im Jahre 2041, wenn die ESFS-Anleihen auslaufen, werden die Verantwortlichen jedoch bereits im Ruhestand sein. Die Rechnung für die ‚Beteiligung des Privatsektors‘ wird die nächste Generation zu tragen haben.“

„Tax the Rich“  statt freiwilliger Gläubigerbeteiligung

Für Bruno Rossmann, ehemals Grüner Budgetsprecher im Nationalrat und einer der BudgetexpertInnen der AK, ist es in einer Erstbewertung der Ergebnisse des Eurogipfels überhaupt fraglich, ob „aufgrund der freiwilligen Teilnahme … die genannten Volumina erreicht werden können.“ Rossmann fordert daher „weitere Schritte zur Beteiligung privater Gläubiger“ durch „eine Ausweitung der europaweiten Besteuerung von Vermögen“ vor, die zusätzlich den positiven Effekt haben würde, dass „das reichlich vorhandene ‚Spielkapital‘ vom Markt abgezogen“ würde.

In die gleiche Richtung stößt auch Sven Giegold, in einem BLOG-Beitrag wenn er die „Forderung … nach Gläubigerbeteiligung“ zwar als grundsätzlich richtig einstuft, die Tatsache, dass „ … viele Risken der Griechischen Staatsanleihen längst direkt und indirekt in öffentlicher Hand“ seien, allerdings den Schluss zulässt, „… dass eine faire Beteiligung des Privatsektors durch Gläubigerbeteiligung allein nicht mehr möglich ist.“ Notwendig sei vielmehr „ … ein Lastenausgleich durch eine europäisch koordinierte Vermögensabgabe.“ Außerdem müßten „Finanztransaktionen und Kapitaleinkommen in Europa durch EU-Steuerkooperation effektiv besteuert werden.“

Und auch Markus Marterbauer, WIFO-Ökonom und Konjunkturexperte fordert im STANDARD-Chat , dass „… der Finanzsektor, der die Krise wesentlich mit verursacht und auch von den öffentlichen Bankenrettungen ‚in großem Stil‘ profitiert habe, … zur Finanzierung der Kosten herangezogen werden …“ müsse. Dazu schlägt Marterbauer „ … die Einführung einer EU-Bankenabgabe, eine Finanztransaktionssteuer oder auch eine EU-weit koordinierte Anhebung von Vermögenssteuern vor.“


Einmal mehr: Zustimmung zum ESM an Vermögenssteuern knüpfen

Das Österreichische Parlament und hier insbesondere die Grünen sowie der linke SPÖ-Flügel hätten durchaus die Möglichkeit, zumindest in Österreich einen Schritt in diese Richtung zu setzen: Damit der Europäische Stabilitätsmechanismus – der permanent eingerichtete „Euro-Rettungsschirm“ – umgesetzt werden kann, braucht es eine EU-Vertragsänderung – und diese ein Zwei-Drittel-Mehrheit im österreichischen Parlament. Es wäre nur naheliegend, die Zustimmung an eine verpflichtende „private Gläubigerbeteiligung“ – über vermögenszbezogene Steuern – zu binden. Vorerst einmal in Österreich, denn hier gibt es seitens der Nationalratsabgeordnete direkte, unmittelbare und Möglichkeiten zur Umsetzung und direkter und inhaltlicher Beteiligung der grünen Opposition – denn ohne die ist eine Zwei-Drittel-Mehrheit nicht möglich. FPÖ und BZÖ verweigern jegliche Zustimmung und haben sich damit ohnedies aus dem Spiel genommen.

Die Möglichkeit der unmittelbaren, direkten Mitgestaltungsmöglichkeiten, also tatsächlich entscheidender Player zu sein, macht die Variante eines Junktims Zustimmung zu ESM bei Einführung von Vermögenssteuern so attraktiv. Was bislang von den Grünen als Bedingung zur Zustimmung gefordert wurde – Euro-Bonds, ein verpflichtende Gläubigerbeteiligung, eine geordnete Insolvenz für Staaten – macht sie jedenfalls nicht zu Playern, zu Mitgestaltern. Die Verantwortung, die Umsetzung wird an Ebenen delegiert, die sie nicht beeinflussen können, wo sie nicht unmittelbar mitgestalten. Und: es sind allesamt Forderungen, die schwer kommunizierbar sind.

Bei Reichensteuern gestaltet sich die Kommunikation dagegen recht einfach: für die Kosten der Krise sollen die Aufkommen, welche sie verursacht haben. „Tax the Rich“ – die Reichen sollen zahlen.

Bislang wurde diese einmalige Möglichkeit, dieses historische Fenster zur Durchsetzung von mehr Steuergerechtigkeit und des Verursacherprinzips weder von Grünen noch von SPÖ entsprechend erkannt. Ist es Feigheit? Angst vor der eigenen Courage? Ignoranz? Oder nehmen Grüne wie SPÖ selbst nicht ernst, was sie sonst in Sonntagsreden so lautstark fordern?

Noch ist es nicht zu spät. Die Beschlussfassung steht erst bevor. Es liegt an Rot. Es liegt an Grün. Es liegt ihn ihrer Verantwortung.

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