Private Pensionsvorsorge – kontraproduktiv, kompliziert, teuer, schlecht

Das Gewirr an unterschiedlichen Formen der „privaten Pensionsvorsorge“ ist in den letzten zwei Jahrzehnten fast unüberschaubar geworden. Jeweils aus unterschiedlichen Gründen und mit höchst unterschiedlichen Zielsetzungen wurden im Husch-Pfusch-Verfahren verschiedene Elemente der „zweiten und dritten Säule“ des Pensionssystems geschaffen, die alle miteinander nicht zusammenpassen, keine Sicherheit bieten und außerdem Individuum und Gesellschaft viel Geld kosten. Kein einziges dieser Elemente hat gehalten, was die Politik bei der Einführung versprochen hat.

Ursprünge privater Pensionsvorsorge in Österreich


Pensionskassen für die betriebliche „Altersvorsorge“ sind eine Folge der „Verstaatlichtenkrise“ der späten Achtziger. Große Unternehmen wie Böhler oder die Vöest bemühten sich, ihre in der Hochkonjunktur gegebenen Versprechungen betreffend betrieblicher Zusatzpensionen auszulagern. Waren betriebliche Zusatzpensionen bis Mitte der Achtziger aus dem Unternehmen bezahlt (und damit zumindest im Großen und Ganzen sicher), so konnten sie ab Beginn der Neunziger an betriebsexterne Kassen ausgelagert werden. Diese hatten die Aufgabe, Betriebspensionen nicht im Betrieb über Betriebsgewinne zu „erarbeiten“, sondern über die Veranlagung am Kapitalmarkt. Den Betroffenen wurde versprochen, dass ihre Zusatzpensionen sicher seien, aber eben nur an einem anderen „Ort“ angespart“ würden.


Falsche Versprechen …


Bereits Mitte der Neunziger war absehbar, dass diese Versprechungen nicht gehalten werden konnten. Dennoch wurde der kurze Konjunkturaufschwung der Jahre 2000 bis Mitte 2001 seitens der ÖVP-Regierung dazu genutzt, weitere Elemente der kapitalmarktbasierten „Pensionsvorsorge“ zu etablieren. Die „Abfertigung neu“ und die so genannte „Zukunftsvorsorge“.


Versprochen wurden Renditen von bis zu 7% pro Jahr. Diese Versprechungen konnten – heute kann mensch sagen – logischerweise nie eingehalten werden. Es gibt seit dem Jahr 2000 kein einziges Jahr, in dem mehr als die Hälfte aller Pensionsberechtigten den Wert ihrer privaten oder betrieblichen Pensionen erhalten konnten. Und Menschen in der Ansparphase mussten jedes Jahr feststellen, dass ihre Prognose einen niedrigeren Wert angab, als im Jahr davor. Pech, quasi, dass der Kapitalmarkt in keinem einzigen Jahr die Versprechen halten konnte, die Schüssel, Grasser und Co. gegeben haben. Für die Betroffenen jedoch kein Pech, sondern – je nach Position – eine Katastrophe oder völlig irrelevant. Während Menschen, die „Privatvorsorge“ betreiben, mehr oder minder handlungsunfähig zusehen müssen, wie ihr Geld immer weniger wird und in vielen Fällen nicht einmal der Wert der seinerzeit einbezahlten Beiträge erreicht, können Versicherungen, Banken, Fondsmanager etc. auf Basis fixer Provisions-Prozentsätze (oft übrigens ausgehend von der ursprünglich versprochenen Performance), Geld verdienen, und zwar unabhängig davon, ob „Gewinne“ oder „Verluste“ eingefahren werden.


… komplizierte (öffentliche) Fördersysteme


Doch damit nicht genug: Seit Jahr und Tag schießt der Staat aus Steuergeldern noch erhebliche Mittel in diese Systeme; in Systeme, die für die Anspruchsberechtigten nur Verluste bringen, für die Verwalter nur Gewinne. Diese staatlichen Mittel sind nicht einfach zu berechnen: Auf der einen Seite sind es echte Förderungen wie etwa in der „Zukunftsvorsorge“, deren primäres Ziel es war, die Wiener Börse zu beleben (dafür wurde auf einen unfassbar miesen und eu-rechtlich höchst fragwürdigen Trick zurückgegriffen, aber das ist eine andere Geschichte). Auf der anderen finden wir steuerliche Freistellungen für Beiträge, entgangene Einkommens- und Gewinnsteuern, entgangene Sozialversicherungsbeiträge oder auch zukünftig zu erwartende Steuerausfälle auf Grund steuerlich begünstigter Auszahlung.


Die Grünen fragen nach


Im Jahr 2007 hatten die Grünen einmal mittels parlamentarischer Anfrage wissen wollen, was dieses Gewirr an kontraproduktiven „Pensionsvorsorgen“ den Staat eigentlich koste. Die Antwort war unklar. Das Finanzministerium war nicht in der Lage, die genauen Kosten zu errechnen. Etwa 600 Mio. Euro im Jahr konnten dargestellt werden. Das Ministerium musste aber selbst einräumen, dass es die Steuerausfälle auf Grund des Gewirrs an Systemen, Funktions- und Wirkungsweisen nicht erfassen kann. Im Jahr 2009 schließlich gab das Sozialministerium beim wifo eine Studie in Auftrag, die bereits im August 2010 fertiggestellt wurde. Fertiggestellt, aber nicht veröffentlicht…


Teure private Pensionsvorsorge


Warum sie nicht veröffentlicht wurde, wird bei Durchsicht klar: Die Studie, die sich darauf beschränkt, die Systeme und ihre Wirkung nur darzustellen und nicht zu bewerten, verdeutlicht, wie unfassbar teuer und schlecht private Pensionsvorsorge in Österreich ist … und wie teuer sie den Staat und die Gesellschaft kommt. Erstmals wird etwa festgestellt, wie viel Geld via „privater Pensionsvorsorge“ der Gesellschaft und dem Wirtschaftskreislauf entzogen und im Kapitalmarkt gebunkert wird (von wo es allenfalls tröpferlweise in den „normalen Wirtschaftskreislauf zurückkommt): Im Jahr 2008 waren es 8,8 Mrd. Euro. Und um die Verhältnisse klarzumachen: Im selben Jahr flossen 460 Mio. Euro in Form von Leistungen an die Anspruchsberechtigten zurück. Ein Wert, der steigen wird in den kommenden zwei Jahrzehnten, weil ja die Mehrzahl der Menschen noch in der „Ansparphase“ ist. Mathematisch völlig klar ist aber, dass der Verlust für die Volkswirtschaft zu keinem Zeitpunkt die Höhe der einbezahlten Beiträge erreichen oder gar übersteigen kann. Diese systematische Grundvoraussetzung jedes Versicherungs- Fondssystems kann gleich aus mehreren Gründen nie erreicht werden:

  • Weil die Rechenzinssätze, auf deren Basis die Prämien der Betreiberinstutionen zu Stande kommen, wesentlich überhöht sind;
  • Weil die absurden Versprechungen von Gewinnen bis zu 7% pro Jahr immer absurd waren und noch in keinem einzigen Jahr erreicht werden konnten;
  • Und natürlich auch, weil die Kapitalmärkte sich nicht an die Erwartungen und Versprechungen halten (diese bösen….!).

 

Dazu kommt noch, dass es fast schon ein betriebswirtschaftlich intelligentes Verhalten ist, große Anlagevermögen zur Stützung schlechter Werte zu verwenden. Heißt: Jedes Unternehmen, jede Bank, jede/r FondsmanagerIn handelt in der Marktlogik intelligent, wenn er/sie versucht, „unter Druck“ geratene „eigene“ Fonds und Fondsteile mit den Mitteln der privaten Pensionsvorsorge zu stützen in der Hoffnung, diese mögen sich erholen. Nur hilft diese Marktlogik eben nicht den Versicherten.


1,36 Mrd. Euro Jahr – was uns allen private Pensionsvorsorge kostet


Aber was kostet denn jetzt eigentlich den Staat dieser Wildwuchs an privater „Pensionsvorsorge“: Das wifo errechnet 1,36 Mrd. Euro im Jahr (und bezeichnet diesen Wert aus verschiedenen Gründen als „Obergrenze“), die der Gesellschaft entweder an Steuern oder Beiträgen entgehen oder sogar direkt aus dem Budget in das desaströse System gepumpt werden.


Nur um die Dimension noch einmal zu verdeutlichen: Im Jahr 2008 förderte der Staat die private und betriebliche „Pensionsvorsorge“ mit bis zu 1,36 Mrd. Euro. Diesem Betrag standen Leistungsauszahlungen von 460 Mio. Euro gegenüber.

Ach ja… Nach einer neuerlichen Anfrage der Grünen nach dem Verbleib der Studie wurde sie Anfang September 2011 nun doch veröffentlicht.

Links:


„Parlamentarischer Anfrage der Grünen“

„Beantwortung der parlamentarischen Anfrage“

Die WIFO Studie – veröffentlicht“

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