SPÖ-Koalitionsbedingungen: Teure Steuergeschenke, zweifelhafte Wirkung

Weil‘s um Inhalte geht: Die SPÖ hat vor einigen Tagen nicht nur ihren umstrittenen Kriterienkatalog veröffentlicht, sondern auch ihre Schwerpunktthemen für die Nationalratswahlen 2017. Darunter stechen – aus einer verteilungspolitischen Perspektive – drei Forderungen hervor: nämlich das Versprechen die ersten 1.500 Euro/Monat steuerfrei stellen. Zusätzlich Steuern (und wohl auch Abgaben) auf Arbeit um 3 Mrd. Euro senken zu wollen sowie die Abschaffung des Pflegeregresses und dafür die Einführung einer Erbschaftssteuer auf Erbschaften über 1 Mio. Euro. Klingt doch gut, oder? Einige Anmerkungen dazu.

Ad 1.500 Euro/Monat steuerfrei: Bislang sind für ArbeitnehmerInnen die ersten 11.000 Euro steuerfrei. Die von der SPÖ geforderte steuerliche Entlastung der ersten 1.500 Euro/Monat würde laut Presse und SPÖ-Berechnungen rund 2,3 Mrd. Euro an Steuerersparnis bringen. Der Steuerfreibetrag würde „nach oben“ geschoben werden. Die Frage ist: wem kommt die Steuerentlastung zu Gute? Tatsächlich den unteren Einkommensgruppen? Ja, auch denen. Allerdings bei weitem nicht in dem Ausmaß wie den oberen EinkommensbezieherInnen.
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Warum? Ganz einfach. Damit ein Lohnsteuersenkung wirkt, muss man/frau zuallerst einmal ein Einkommen beziehen, für das Lohnsteuer zu entrichten ist. Insbesondere Teilzeitbeschäftigte mit einem verhältnismäßig niedrigen Einkommen fallen vielfach in die Gruppe der Nicht-Einkommensteuerpflichtigen. Sie profitieren von einer Lohnsteuersenkung nicht. Auch NiedrigverdienerInnen, die zwar lohnsteuerpflichtig sind, aber nur geringfügig über den 11.000 Euro Steuerfreibetrag liegen, profitieren nur wenig von einer Steuerbefreiung bis 1.500 Euro monatlich.Weil sie den neuen, erhöhten Steuerfreibetrag gar nicht voll ausschöpfen können. Voll profitieren alle Einkommensteuerpflichtigen, die über dem erhöhten Steuerfreibetrag liegen – sie können die gesamte Steuersenkung in Anspruch nehmen. Auf sie entfallt damit der Löwenanteil der Steuerentlastung – also insbesondere auch auf jene Einkommensgruppen, die schon von der letzten Steuertarifreform profitiert haben. Es ist nun mal so: bei Tarifreformen, bei Steuersenkungen profitieren die Gut- und Besserverdienenden unverhältnismäßig stärker als einkommensschwächeren Gruppen. Diese profitieren vor allem von Sozialtransfers, insbesondere aber auch von öffentlichen Leistungen, die aus dem allgemeinen Steuertopf finanziert werden – Leistungen, von denen natürlich auch BezieherInnen mittlerer und höherer Einkommen profitieren, weil diese Leistungen sonst privat finanziert werden müssten. 2,3 Mrd in z.B. soziale Dienste, Bildung, öffentliche Infrastruktur investiert wären jedenfalls sinnvoller angelegt, als in eine weitere Steuersenkung, die nur einmal mehr Lücken im Budget hinterlässt und deren Beschäftigungswirkung „verhalten“ ist.
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Zur Erinnerung: die Steuerreform im Umfang von knapp über 5 Mrd. Euro brachte zwar eine Stabilisierung des Konsums, allerdings Konjunkturimpulse von lediglich 0,5 % des BIP. Die ungleich niedrigeren Ausgaben für die Bewältigung der Flüchtlingsbewegungen brachten im gleichen Zeitraum einen ähnlich hoch geschätzten Wachstumsschub. Laut WIFO- und Joanneum-Research vom Jänner 2016 sind die Beschäftigungswirkungen von öffentlichen Ausgaben und einer aktiven Arbeitsmarktpolitik am höchsten, gefolgt vom privaten Konsum. Bei Steuersenkungen fließt aber ein ein nicht unwesentlicher Teil der Steuerersparnis nicht in den Konsum, sondern in Sparen. Die Wirkung von Steuersenkungen verpufft so über weite Teile, weshalb der Beschäftigungsmultiplikator – also die zusätzlich geschaffene Beschäftigung aufgrund einer wirtschaftspolitischen Maßnahmen – deutlich geringer ausfällt als bei öffentlichen Investitionen. Wenn, dann sollten insbesondere die unteren Einkommen – etwa über eine Erhöhung der Negativsteuer oder über andere soziale Transfers oder eine Ausweitung öffentlicher Leistungen entlastet werden. Denn hier fließt tatsächlich jeder zusätzlich gewonnene Euro in den Konsum. Vollkommen ungeklärt bleibt die Gegenfinanzierung. Viel konkreter ist die auch nicht bei den
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Ad 3 Mrd. Euro Entlastung von Arbeit: Um 3 Mrd. Euro will die SPÖ – zusätzlich zu den 2,3 Mrd. Euro aus einer Lohnsteuerreform – Arbeit entlasten. Die Gegenfinanzierung soll über die Bekämpfung von Steuerflucht – das ist natürlich begrüßenswert – und über eine nicht näher definierte Steuerstrukturreform erfolgen. Hier wäre es tatsächlich einmal erfreulich endlich einmal zu hören, wie diese Steuerstrukturreform den aussehen soll. Vermuten lässt sich, dass eine „Robotersteuer“ – sprich also eine Wertschöpfungsabgabe – eingeführt werden soll. Das war‘s dann aber auch schon. Im Unterschied zu grünen Steuerreformkonzepten – die explizit eine Ökologisierung des Steuersystems sowie vermögensbezogene Steuern zur Entlastung von Arbeit und ArbeitnehmerInnen aber auch zur Finanzierung sozial-ökologischer Investitionen vorsehen – bleiben die SPÖ-Steuervorschläge zur Gegenfinanzierung recht unkonkret und vage. Nicht zu vergessen: es wurden bereits Lohnnebenkostensenkungen im Umfang von 1 Mrd. Euro beschlossen (niedrigere Beiträge zum FLAF etc.), ebenso der 2 Mrd. Euro teure Beschäftigungsbonus für neue Jobs. Bereits hier ist die Gegenfinanzierung ungeklärt – die Ausfälle für die z.B. Sozialversicherungen müssen ja irgendwie abgedeckt werden. Dass alleine die bessere Konjunktur die Mindereinnahmen abdeckt, darf bezweifelt werden. Vielmehr drohen Ausgabenkürzungen und neue Sparpakete.
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Ad Pflegeregress abschaffen und Erbschaftssteuer ab 1 Mio. Euro: Die Zielsetzung, den Pflegeregress abzuschaffen, ist natürlich voll zu unterstützen. Beim Pflegeregress handelt es sich tatsächlich um die sozial ungerechteste Form einer „Vermögensbesteuerung“: wer Pflege bedarf, hat sein/ihr Vermögen dafür einzusetzen. Von einer solidarischen Finanzierung nach Leistungsfähigkeit kann da keine Rede sein. Die Idee, die Erbschaftssteuer wieder einzuführen, um aus dieser auch den Pflegebedarf der Zukunft zu finanzieren, ist nicht neu, sondern wurde immer wieder – nicht zuletzt auch von den Gewerkschaften und auch von der AUGE/UG – gefordert. Eine Erbschaftssteuer einzuführen und im Gegenzug den Pflegeregress abzuschaffen, macht also Sinn. Es stellt sich allerdings die Frage, ob bei einem großzügigen Freibetrag von 1 Mio. Euro (vermutlich vom Gesamterbe) ein entsprechendes Aufkommen gewährleistet ist – die SPÖ schätzt 500 Mio. Euro.
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Das Grüne Modell sieht neben einer Erbschafts- und Schenkungssteuer ab Erbschaften (Gesamterbe) von 500.000 Euro vor allem eine Erbersatzsteuer auf Stiftungsvermögen vor, mit einem geschätzten Aufkommen (abhängig von der Progression) von insgesamt 2 bis 3 Mrd. Euro. Mit einem Freibetrag von 500.000 Euro wären tatsächlich nur die reichsten 10 % der Haushalte belastet. Angesichts einer „Gerechtigkeitslücke“ bei Vermögenssteuern im EU-Vergleich – Vermögenssteuern im EU-Schnitt würden Österreich Mehreinnahmen von rund 4 Mrd. Euro bringen! – wäre eine derartige Besteuerung von Vermögensübergängen als erster Schritt vollauf gerechtfertigt. Es gilt schließlich nicht nur den Pflegeregress abzuschaffen, sondern endlich auch für fair entlohnte, arbeits- und sozialrechtlich voll abgesicherte Beschäftigungsverhältnisse im weiblich dominierten Pflegebereich zu schaffen – Pflege gesellschaftlich und finanziell deutlich aufzuwerten und ihr endlich die Stellung und Wertschätzung in der Gesellschaft zukommen zu lassen den sie verdient.
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Zusammenfassend: die SPÖ-Vorschläge zu einer weiteren Steuerentlastung sind verteilungspolitisch ebenso bedenklich wie hinsichtlich ihrer Wirkung auf die öffentlichen Budgets. Es drohen Kürzungen bei öffentlichen Leistungen, da eine entsprechende Gegenfinanzierung nicht sichergestellt ist. Die Milliardenlöcher aus versprochenen und bereits durchgeführten Steuer- und Abgabensenkungen drohen immer größer zu werden. Statt populistisch Steuern zu senken sollten die entsprechenden Mittel für sinnvolle, sozial-ökologische Investitionen aufgewandt werden, die ein mehr an Beschäftigung und gesellschaftlichem Wohlstand bringen. Bei der Besteuerung von Vermögen – insbesondere auch Vermögensübergängen wie Erbschaften und Schenkungen – ist mehr Mut zu mehr Verteilungsgerechtigkeit gefragt.
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Diese Forderung nach „mehr“ Mut zu Umverteilung bleibt allerdings nicht auf die SPÖ beschränkt …

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