Studie der Friedrich-Ebert-Stiftung, BRD: Wer für die Krise tatsächlich zahlt
1. April 2011 von adminalternative
Eine kürzlich erschienene Studie der deutschen Friedrich-Ebert-Stiftung untersucht, welche Kosten einzelnen Gruppen bzw. Playern der deutschen Volkswirtschaft (Staat, Lohnabhängige, TransferbezieherInne, VermögensbesitzerInnen) aus der Finanz- und Wirtschaftskrise denn so entstanden sind, wer also – und das ist ja eine jener Fragen, die ja seit Ausbruch der Krise besonders bewegt – die Krisenkosten überwiegend zu tragen hat. Dabei werden direkte Kosten – aus Wertverlusten und staatlichen (Banken-)Rettungsaktionen – und indirekte Kosten – entgangene Löhne, Gehälter, Gewinne, Steuer- und Abgabenausfälle etc. – unterschieden.
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Die Ergebnisse für Deutschland:
- die indirekten Kosten der Finanzkrise waren um ein Vielfaches höher als die direkten Kosten aus Vermögensverlusten und Staatshilfen
- der Staat zahlt zu einem beträchtlichen Teil die „Zeche“ für die Finanzkrise
- selbst im günstigsten Falle (realtiv rasche wirtschaftliche Erholung mit anhaltend hohen Wachstumsraten) hat die Krise dem Staat direkte und indirekte Kosten von rund 270 Milliarden Euro verursacht, im Falle eines ungünstigen Szenarios (eine verzögerte bzw. schwache wirtschaftliche Erholung) steigt dieser Wert dagegen auf fast 800 Mrd. Euro – was einem Ausfall an Staatseinnahmen pro BürgerIn von 3.000 bis 10.000 Euro entspricht.
- Die direkten Kosten aus den Bankenrettungen machen dabei mit „nur“ rund 22 Mrd. Euro noch den geringeren Teil der Kosten aus. Der größere Teil der Kosten beläuft sich auf indirekte Kosten.
- Die Wirtschaftskrise hat – zumindest in der BRD – die Lohn- und TransferempfängerInnen relativ unbeeinträchtigt gelassen – allerdings steigen die Verluste dieser Haushalte ab 2010.
- Für den Staat ist ein Großteil der indirekten Kosten bereits unmittelbar in den ersten Krisenjahren angefallen
die Gesamtverluste der Lohnabhängigen und TransferbezieherInnen hängen stark von der wirtschaftlichen Entwicklung ab: ein auch nur leicht verzögerte wirtschaftliche Erholung kann die Verluchte gleich einmal um mehrere Hunder Milliarden Euro erhöhen
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Direkte Kosten der Krise
Die direkten Krisenkosten – also die Wertverluste bei den Vermögen – summierten sich für private Haushalte von Ende 2007 bis Ende 2009 auf insgesamt – 165,7 Mrd. Euro (Nettogeldvermögen). Interessant dabei, aber wenig überraschend: der Löwenanteil der Vermögensverluste fällt auf Wertpapiere, hier insbesondere auf Aktien (- 140,65 Mrd. Euro) und Investmentzertifikate ( – 32,56 Mrd. Euro). Andere Vermögenswerte lagen dagegen durchaus im Plus (Rentenwerte + 21,87 Mrd. Euro, Bargeld und Sichteinlage + 880 Mio. Eur, Ansprüche gegenüber Versicherungen + 4,19 Mrd. Euro)
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Auch interessant: während das Nettogeldvermögen im Jahr 2008 noch um knapp 253 Mrd. Euro schrumpfte, wuchs es 2009 – die Krise war noch keineswegs überstanden – bereits wieder um 91,4 Mrd. Euro.
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Die Kosten aus der staatlichen Bankenrettung – die direkten Krisenkosten der öffentlichen Hand also – belaufen sich auf 22,191 Mrd. Euro, was nicht einmal einem Prozent des deutschen BIP entspricht. Die „direkten“ Kosten des Staates halten sich also durchaus in Grenzen, während die indirekten Kosten deutlich höher liegen.
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Indirekte Kosten der Krise
Diese machen sich allein schon bei Staatsein- und -ausgabenquoten bemerkbar. Wenn die Gewinne der Unternehmen von 18,1 % des BIP (2007) auf 13,9 % (2009) einbrechen, hat das natürlich auch Auswirkungen auf das Steueraufkommen aus dieser Position. Die Sozialausgaben des deutschen Staates sind im gleichen Zeitraum von 18,7 auf 20,4 % des BIP gestiegen, der Anteil der Einkommens- und Vermögenssteuern am BIP dagegen um 0,5 % gesunken.
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Entlang zweier Szenarien untersucht die Studie, wie sich die indirekten Krisenkosten für den Staat, wie auch ArbeitnehmerInnen und TransferbezieherInnen entwickeln können.
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Während Szenario A von einer raschen Erholung der Wirtschaft und entsprechenden Wachstumsraten ausgeht (2010: Wachstum 3,5 %, 2011: 2,8 %, Folgejahre 1,75 % jährlich), schwächt sich im Szenario B bereits 2011 das Wachstum auf 1,5 % jährlich ab, um erst wieder 2020 anzuziehen. Im Szenario B wird nämlich – nicht unberechtig und von vielen ÖkonomInnen auch so vermutet bzw. befürchtet – angenommen, dass der – nicht nur in der BRD, sondern europaweit gleichzeitig stattfindende Staatsschuldenabbau – die Erhohlungsphase schwächt.
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Staat trägt Hautptlast der Krisenkosten, hohe Kosten für ArbeitnehmerInnen zu befürchten
Im optimistischen Szenario A würden dem Staat bezogen auf das Jahr 2007 bezogen krisenbedingt Einnahmen aus Steuern und Abgaben im Ausmaß von 236 bis 254 Mrd. Euro entgehen, im Szenario B gar im Ausmaß von 711 bis 812 Mrd. Euro.
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Die Lohnabhängigen (TransferbezieherInnen) müssten mit krisenbedingten Einbußen im Umfang von Euro 127,8 bis 139,3 Mrd. (38 bis 45 Mrd.) im Szenario A rechnen, aber von 452,8 bis 520,8 Mrd. (273 bis 320,8 Mrd.) Euro im keineswegs unrealistischen Szenario B.
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Kosten für Vermögende halten sich in Grenzen
In Grenzen dagegen halten sich die indirekten Krisenkosten für Vermögende. Tragen sie im Szenario A noch höhere Krisenkostena als ArbeitnehmerInnen und TransferbezieherInnen zusammen – nämlich zwischen 180,1 und 192, 4 Mrd Euro – aber geringere Kosten als der Staat, so ändert sich das beim Szenario B. In diesem Falle liegen nämlich sowohl die Krisenkosten der Lohn- und TransferbezieherInnen zusammen, als auch jene des Staates über jenen der VermögensbesitzerInnen (zwischen 485,4 und 550,8 Mrd. Euro).
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Die StudienautorInnen zusammenfassend:
„Im Ergebnis kann man erkennen, dass in beiden Szenarien der Staat einen beträchtlichen Teil der Kosten der Krise geschultert hat … Die Kosten der Lohn- und TransferempfängerInnen und -empfänger hängen zentral am Erholungszenario: je schneller die Konjunkturerholung, desto geringer der Anteil der Kosten, den diese Haushaltsgruppe schultern muss.“
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Wobei sich die Frage stellt, wer denn Staat ist, bzw. die Hauptlast der Finazierung desselben trägt. Das sind bekanntlich nicht die Vermögenden, sondern die ArbeitnehmerInnen. Und das ist nicht nur in Deutschland so, sondern auch in Österreich.