SWÖ: Auch vierte Verhandlungsrunde gescheitert – jetzt wird gestreikt


Die Kollektivvertragsverhandlungen im privaten Gesundheits- und Sozialbereich (Sozialwirtschaft Österreich – SWÖ) gestalten sich einmal mehr schwierig.

Vorausgeschickt: der private Gesundheits- und Sozialbereich nimmt Aufgaben der öffentlichen Hand wahr. Und, um es mal klar zu sagen: es gibt uns, weil wir billiger sind als die Landesbediensteten. Beispiel Niederösterreich, wo ich Betriebsrat bin: LandessozialarbeiterInnen bekommen durchgehend 1/3 mehr Gehalt als SozialarbeiterInnen im SWÖ. Die Diplomierten Pflegekräfte zwischen 300 und 400 Euro. Dazu kommt, dass die öffentliche Hand keine Verantwortung für die Beschäftigten übernehmen muss. Wenn sie Gelder umschichtet, Projekte nicht mehr fördert, sind das halt Arbeitslose der Privatwirtschaft. Somit haben wir hier eine Zweiklassen-Gesellschaft.

Frauenbranche

Der private Gesundheits- und Sozialbereich ist eine typische Frauenbranche. Man muss nur einen Blick auf die Gehaltsstruktur werfen, um das zu erkennen. Zusätzlich sind ca. 80 Prozent in Teilzeit, was Löhne, von denen man nicht leben kann und Altersarmut nach sich zieht. Laut alter Tradition in Österreich sind Frauenbranchen niedriger entlohnt – auch von Kollektivvertragsabschlüssen mitgetragen. Eine Tradition, mit der dringend gebrochen gehört. Selbst unser jetziger ÖGB-Präsident hat das einmal öffentlich angesprochen. Womit wir schon bei einer der Begründungen der Forderungen der Gewerkschaft sind.

Die Hauptforderungen der ArbeitnehmerInnen

Gehalt

Es gibt einen Aufholbedarf bei den Gehaltsstrukturen. Wenn der Bereich mehr wert ist, oder zumindest gleich viel Wert hat wie jeder andere Bereich, müssen, um die Einkommen anzugleichen, höhere Abschlüsse erzielt werden als in den anderen Branchen. Die momentane Forderung liegt bei 6 Prozent.

Wir AUGE/UG-BetriebsrätInnen haben langjährig die Forderung in der Gewerkschaft eingebracht, die Unterbezahlung zu korrigieren. Wir haben sie mit 20 Prozent errechnet. Die Gewerkschaft hat das lange bestritten. Schließlich haben sie die Unterbezahlung zu den anderen Branchen mit 17 Prozent beziffert. Somit kann man über Aufholbedarf offen reden. Demgegenüber sind 6 Prozent ein wohl nachvollziehbarer erster Schritt und keinesfalls überzogen. Noch ein kleines Beispiel: die KV-Abschlüsse der Metaller waren, trotz höherer Lohntabellen, in den vergangenen 10 Jahren um 22 Prozent über den Abschlüssen der Sozialwirtschaft. Wir sind also in den letzten Jahren weiter zurückgefallen, die Lohnschere wurde größer.

Arbeitszeit und Arbeitsbedingungen

Es gibt einen massiven Mangel an MitarbeiterInnen. Dies hat wohl mit Bezahlung, aber auch mit Arbeitsbedingungen zu tun. Es gelingt kaum, junge Menschen für den Bereich zu begeistern, geschweige denn, sie zu binden. Ältere MitarbeiterInnen erreichen kaum gesund das Pensionsalter. Durch den Mangel an Arbeitskräften werden zu viele Stunden geleistet, MitarbeiterInnen können Erholung und Freizeit nicht wahrnehmen, da sie dauernd für Springerdienste verfügbar sein müssen. Also ist alles notwendig, was die Arbeitsbedingungen verbessert, attraktiver macht. Eine Arbeitszeitverkürzung, wie sie gefordert wird, könnte das tun. Ebenso würde diese – da sie mit Lohnausgleich gefordert wird – bei Teilzeitkräften die Einkommen erhöhen und damit die Branche aufwerten.

Regierungswechsel führt zu mutigeren Gewerkschaften

Seit letztem Jahr gibt es Bestrebungen, wirklich auch einen Arbeitskampf zu führen. Um es mal direkt zu sagen: solange die politischen Freunde – aber auch die gewerkschaftlichen Akteurinnen – selbst in der Regierungspolitik saßen, wurde der Gesundheits- und Sozialbereich erschwinglich gehalten – auf Kosten der Beschäftigten. Viele BetriebsrätInnen der großen Fraktionen, die jahrelang auf Duldung eingeschworen wurden, sind damit sehr gefordert. Um diese Schwierigkeit zu demonstrieren: in Niederösterreich waren es im Vorjahr gerade mal zwei BetriebsrätInnen, die in ihren Firmen Streiks geschafft hatten – und die waren von der AUGE/UG. Und doch gelang es im letzten Jahr in vielen Betrieben Streiks zu organisieren, die es sich nicht zugetraut hätten.

Arbeitgeber und nicht am Verhandlungstisch sitzende Geldgeber sind gefordert

Die Sozialen Unternehmen bekommen ihr Geld von der öffentlichen Hand, die die Budgets meist schon im Herbst fertig hat. Es gibt bisher keinen Zugang und keine Einbeziehung der Arbeitgebergremien in diese Berechnungen. Manche Landesregierungen erkennen nicht einmal den Kollektivvertrag und damit die ausverhandelten Ergebnisse an. Sich hier hinein zu reklamieren ist wohl eine Kernaufgabe der Arbeitgeber, die diese nicht erfüllt haben. Schließlich ist es politische und gesetzliche Aufgabe der öffentlichen Hand, ausreichend Gesundheits- und Sozialleistungen zur Verfügung zu stellen. Und dazu brauchen sie uns.

Streikbeschluss und vierte Verhandlungsrunde

Nachdem die Arbeitgeber schon in der dritten Verhandlungsrunde am 30. Jänner nicht bereit waren, sich zu bewegen, wurde vom ÖGB die Streikfreigabe erteilt. Viele Betriebe haben die Streiks schon vorbereitet, weitere sollten die nächsten Tage folgen. Die Angebote der Arbeitgeber der Sozialwirtschaft Österreich waren auch am 7. Februar, in der vierten Verhandlungsrunde, noch weit von den Forderungen von uns ArbeitnehmerInnen entfernt. Die Verhandlungen wurden unterbrochen. Somit werden in den nächsten Tagen die Streiks quer durch alle Bundesländer beginnen. Und das in einem Bereich, der bis zum Regierungswechsel gewerkschaftsintern als nicht streikfähig bewertet wurde. Mit ein bisschen echtem Willen geht Vieles. Besonders hervorheben muss man dabei auch die hervorragende Pressearbeit, die dazu geleistet wurde, und das wirklich positive Echo, das wir mit unseren Forderungen in der Öffentlichkeit erreichten.

Stefan Taibl ist Betriebsratsvorsitzender der Psychosoziale Zentren GmbH, Mitglied des Bundesausschusses für den privaten Gesundheits- und Sozialbereich der GPA-djp und Spitzenkandidat der AUGE/UG Niederösterreich zur AK-Wahl

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