türkis-grün: Migration und Asyl – die Fortsetzung eines bedenklichen Kurses!


eine Analyse von Dr.in Lioba Kasper, Juristin, Rechtsanwaltsanwärterin, ehem. Leiterin des Fachbereichs Rechtsberatung des Integrationshaus Wien

Seit Veröffentlichung des türkis-grünen Regierungsprogrammes ist ein Thema in der medialen Berichterstattung dauerpräsent: der Migrations- und Asylbereich. Etliche Inhalte des Regierungsprogramms fanden sich bereits im türkis-blauen Regierungsprogramm und wurden öffentlich – auch von grüner Seite – kritisiert. Es ist angesichts der auch grünen Kritik in den letzten Jahren an genau jenen Plänen, die nunmehr von ihnen selbst mitgetragen werden, besonders enttäuschend, dass eine Abkehr von der immer restriktiver werdenden Politik im Bereich Migration und Asyl nicht vorgesehen ist. Abermals wird dabei nicht an zukunftsorientierten und sinnvollen Konzepten in einem besonders sensiblen Bereich gearbeitet, sondern auf Kosten des Menschenrechtsschutzes eine negative Stimmungslage insbesondere gegenüber Asylwerber_innen bedient. Dies auch angesichts der Tatsache, dass etliche der angeführten Vorschläge in dieser Form vor dem Hintergrund bestehender unions- und grundrechtlicher Vorgaben überhaupt nicht umgesetzt werden können.

Dass die im Regierungsprogramm vorgeschlagenen Maßnahmen dem türkisen Regierungspartner offenkundig nicht weit genug gehen, zeigt das bis dato einzigartige Prozedere „zur Lösung von Krisen im Bereich Migration und Asyl“ (S. 200). So können bei fehlendem Einvernehmen in diesem Bereich Gesetzesvorhaben auch gegen den Willen eines Koalitionspartners mithilfe anderer Parteien durchgesetzt und damit wohl Verschärfungen auch ohne Zustimmung des grünen Regierungspartners umgesetzt werden.

Zu den konkreten Maßnahmen:
Als gesamtstaatliche Migrationsstrategie wird gleich zu Beginn eine klare Trennung zwischen Zuwanderung und Asyl proklamiert (S. 191). Qualifizierte Zuwanderung von Fachkräften soll demnach gefördert werden, konkrete Vorschläge sind ebenso wenig zu finden wie eine grundsätzliche Neuüberarbeitung des Niederlassungs- und Aufenthaltsbereichs. Die sonstige Zuwanderung – etwa auch aus humanitären Gründen oder im Niedriglohnsektor – soll hingegen stark restriktiv ausgestaltet bleiben. Gleichzeitig sollen im Inland bereits aufhältige Drittstaatsangehörige verstärkt abgeschoben werden und auch in Zukunft von einem Zuzug ausgeschlossen bleiben, was mit den Phrasen „Schaffung von Lebensperspektiven vor Ort“ wie auch „Sichere Grenzen“ verschlagwortet wird.

Für den Rechtsstaat besonders bedenklich ist die nunmehr definitive Einführung der von Expert_innen, Anwält_innen, Richter_innen und NGOs kritisierten Bundesagentur für Betreuungs- und Unterstützungsleistungen (BBU), insbesondere im Bereich Rechtsberatung wie auch Menschenrechtsbeobachtungen. Dass eine unabhängige Rechtsvertretung in Asylverfahren durch eine dem Bundesminister für Inneres unterstellten Bundesagentur nicht gewährleistet wird, ist evident.

Ein weiterer zentraler Fokus im Regierungsprogramm stellt der Entzug der persönlichen Freiheit wie auch die Einschränkung der Bewegungsfreiheit von Asylsuchenden dar. Die Schaffung eines zusätzlichen Hafttatbestandes, der Sicherungshaft, öffnet Tür und Tor dafür, Menschen präventiv, d.h. auch ohne Begehung oder Vorbereitung von Straftaten und ohne dazugehörigen festgelegten Strafrahmen, in Haft zu nehmen; und dies in einem Verwaltungsverfahren und zwar von einer dem Bundesminister für Inneres unterstellten Verwaltungsbehörde, dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (S. 199).
Weiters sollen Asylsuchende in „beschleunigten, modernen, grenznahen Asylantragsverfahren im Binnen-Grenzkontrollbereich“ (S. 197) unter Anwendung einer Wohnsitzauflage, d.h. des Verbots das Gebiet der Bezirksverwaltungsbehörde zu verlassen, in ihrer Bewegungsfreiheit eingeschränkt werden. In Rückkehrverfahrenszentren sollen wiederum jene Personen Unterkunft nehmen, deren Asylverfahren negativ beendet wurde. Auch hier sind Restriktionen in der Bewegungsfreiheit vorgesehen (S.198). Gerade wenn diese Zentren in der Peripherie angesiedelt sind, was – wie das Rückkehrzentrum in Fieberbrunn verdeutlicht – zu erwarten ist, besteht für die betroffenen Personen keine reale Möglichkeit mit der Zivilbevölkerung wie im Übrigen auch mit unabhängiger Rechtsberatung in Kontakt zu treten.

Doch nicht nur innerhalb Österreichs liegt ein Fokus auf der Schaffung von Aufnahme- bzw. Rückkehrzentren, sondern bekennt sich die türkis-grüne Regierung auch auf europäischer Ebene zu einer Abschottungspolitik. So sollen Migrant_innen aus der Seenotrettung in sogenannte SAR-Zentren („Search and Rescue“) und Aufnahmezentren in Drittstaaten außerhalb der Europäischen Union verbracht werden. Wiederholt wird als Ziel die umgehende Rückbringung an der EU-Außengrenze in die Herkunfts-, Transit- oder sonstige Drittstaaten bei „illegaler Einreise“ (S. 194), somit sogenannte Push Backs, benannt.
Weder scheint sich die Regierung an einem humanitären Resettlement-Programm des UNHCR beteiligen zu wollen, noch sollen „Initiativen in Richtung Verteilungsregeln“ (S. 196) innerhalb der Europäischen Union gesetzt werden, noch ist vorgesehen dem UN-Migrationspakt beizutreten. Ein klares Bekenntnis gibt es hingegen zur Sicherung der EU-Außengrenze, Stärkung von Frontex und Ausbau der – auch aus datenschutzrechtlicher Sicht bedenklichen – Überwachung von Migrant_innen und Schutzsuchenden.
Integrationsmaßnahmen finden sich im Regierungsprogramm zwar für Asylberechtigte, sind allerdings für Asylsuchende nicht vorgesehen. Auch die Beibehaltung der Deutschförderklassen und die Bestrafung bei Schulpflichtverletzungen widersprechen nicht nur einer integrativen Politik, sondern drohen auch bestehende Ungleichheiten und fehlende soziale Mobilität zu verfestigen. Letzteres sind Maßnahmen, die unter der türkis-blauen Regierung eingeführt und von der türkis-grünen Regierung beibehalten werden.
Auch im Bereich der Integration am Arbeitsmarkt findet sich eine potentielle Schlechterbehandlung von Asylberechtigten, so soll besonders bei ihnen Mobilität bei der Arbeitssuche gefördert werden.

Es bleibt zu hoffen, dass die wenigen positiven Vorschläge, wie insbesondere die Verbesserung des Schutzes und der Rechtsstellung von geflüchteten Kindern (S. 197), wie auch vermehrte Schulungen von Exekutivbeamte_innen und Dolmetscher_innen im Asylverfahren (S. 198), umgesetzt werden.

Fazit: eine den Grund- und Menschenrechten verpflichtete Politik im Bereich Migration und Asyl ist mit diesen Vorgaben jedenfalls nicht zu erwarten!

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