Unabhängige GewerkschafterInnen zum ÖGB-AK Steuermodell: Warum wir nicht zustimmen können

geldscheineWir Unabhängige GewerkschafterInnen im ÖGB sind für eine grundlegende Steuerreform. Wir wollen vor allem die Steuerstruktur ändern – also die Steuerbelastung von ArbeitnehmerInnen und Arbeit hin zu Vermögen, Kapital, Umwelt- und Ressourcenverbrauch umschichten.
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Weil wir für die steuerlichen Entlastung der ArbeitnehmerInnen sind, unterstützen wir die ÖGB-Forderung „Lohnsteuer runter!“. Diese darf allerdings nicht isoliert betrachtet werden, sondern erfordert zwingend Vermögens- und Kapitalsteuern zu erhöhen. Weil wir eine umfassende Gegenfinanzierung brauchen – nicht nur, um die Lohnsteuerentlastung zu finanzieren, sondern auch um ausreichend finanzielle Mittel für dringend notwendige Investitionen in Soziale Dienste, Bildung, in die Schaffung von Wohnraum, in Klimaschutzmaßnahmen und Armutsbekämpfung zu haben.

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Nicht zuletzt angesichts ständig steigender Arbeitslosenzahlen und einer schlechter werdenden wirtschaftlichen Situation sind öffentliche Ausgaben, die sozialen und ökologischen Wohlstand nachhaltig sichern und die Beschäftigung schaffen ein Gebot der Stunde. Eine Senkung der Lohnsteuer – insbesondere für untere und mittlere Einkommensgruppen – und die damit verbundene Kaufkraftstärkung wirkt dabei unterstützend auf die Stabilisierung des Konsums und damit der Konjunktur.
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Das ÖGB-AK-Steuerkonzept
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So unterstützenswert die Forderung nach einem „Lohnsteuer runter!“ auch grundsätzlich ist, so kritisch bewerten wir das vorliegende, am 16. September 2014 vorgesetllte und im ÖGB-Bundesvorstand  und im BAK-Vorstand ohne Zustimmung der UG beschlossene AK-ÖGB Steuermodell. Zuerst die positiven Punkte.
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+ die Erhöhung der Negativsteuer für besonders einkommensschwache Gruppen, die zwar Sozialversicherungsbeiträge, aber noch keine Lohnsteuer zahlen auf bis zu 450 Euro/Jahr, inklusive automatisierter Auszahlung.
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+ die Erhöhung des ArbeitnehmerInnenabsetzbetrags, der insbesondere mittleren Einkommensgruppen zugute kommt
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+ eine Tarifreform, die den Einstiegssteuersatz senkt, neue Tarifstufen vorsieht und dadurch den Progressionsverlauf harmonisiert
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+ die regelmäßigen Anpassung der Tarifstufen zur Abschwächung der kalten Progression
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Diese Maßnahmen bzw. grundsätzlichen Herangehensweisen halten wir für begrüßens- wie auch unterstützenswert. Aus verteilungs- wie auch aus wirtschaftspolitischen Gründen, da insbesondere die Stärkung unterer und mittlerer Einkommen nachfragebelebend wirkt.
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Nun zu den Kritikpunkten:
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– Der Umfang der Lohnsteuersenkung im Ausmaß von rund 5,9 Mrd. Euro erscheint uns anbetrachts der angespannten wirtschaftlichen und budgetären Situation als zu groß und nur schwer gegenfinanzierbar. Insbesondere dann, wenn ausreichend Spielraum für konjunktur- und beschäftigungsfördernde Investitionen bleiben und die ruinöse Sparpolitik bei den öffentlichen Ausgaben nicht noch verschärft werden soll!
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– Die  konjunkturbelebende Wirkung öffentlicher Ausgaben ist ungleich höher als jene von Steuersenkungen. Öffentlichen Ausgaben ist daher jedenfalls der Vorzug zu geben. Der Fokus im ÖGB-Steuerkonzept liegt allerdings auf einer Lohnsteuersenkung. Gegenfinanzierungsmaßnahmen etwa aus Vermögenssteuern dienen lediglich der Finanzierung der Tarifreform. Zusätzliche Investitionen, die dringend notwendig wären, lassen sich so nicht finanzieren!
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– Die Absenkung des Einstiegssteuersatzes von sehr hohen 36,5 % auf 25 % ist ausgesprochen teuer. Alleine diese Maßnahme verursacht einen Steuerausfall von fast 5 Mrd. Euro. Und erzielt nicht zwingend den erhofften Effekt – nämlich die Entlastung unterer Einkommensgruppen. Jedenfalls entlastet werden nämlich nur jene EinkommensbezieherInnen, die auch tatsächlich in diesen Steuersatz fallen. Mittlere und hohe Einkommen werden in dieser Tarifstufe jedenfalls großzügig entlastet. Eine etwas behutsamere Absenkung in einem ersten Schritt auf 30 bis 33 % hätte zwar einen geringeren Entlastungseffekt gebracht, wäre allerdings leichter gegenfinanzierbar und würde insbesondere zusätzliche finanzielle Spielräume für öffentliche Investitionen lassen, die allen EinkommensbezieherInnen – egal ob reich oder arm nutzen. Etwa der Ausbau ganztägiger Gratiskinderbetreuungs- und bildungseinrichtungen.
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Vollkommen unverständlich ist die Anhebung der Tarifstufe für den Spitzensteuersatz von 50 % von 60.000 auf 80.000 Euro. Dieses Steuergeschenk an die Bestverdiener kostet alleine zwischen 100 und 150 Mio. Euro. Einkommensstarke Gruppen profitieren ohnehin bereits  von jeder Tarifreform „unten“. Ganz einfach: weil sie unabhängig davon, ob jetzt der untere und/oder der mittlere Einkommenssteuersatz gesenkt wird, sie jedenfalls gewinnen, weil sie in diese Steuerstufen fallen. Da BezieherInnen hoher Einkommen profitieren daher von einer Steuerreform, die Lohnsteuertarife senkt unverhältnismäßig stark. Es wäre daher naheliegend zumindest für Spitzenverdiener noch zusätzliche Steuertarifstufen (z.b. 55 % ab 140.000 Euro, 70 % ab 280.000 Euro Jahr) einzuführen, um die unverhältnismäßigen Entlastungseffekte zumindest ganz oben einzudämmen. Ein Verzicht auf die Erhöhung sowie zusätzliche Tarifstufen im Spitzeneinkommensbereich würden einen mittleren, dreistelligen Millionenbetrag bringen. So bekommen die reichsten 2 bis 3 Prozent der Einkommenssteuerpflichtigen ein teures Steuergeschenk ohne konjunkturbelebenden Effekt, da die Konsumneigung mit steigendem Einkommen ja sinkt und stattdessen die Sparneigung steigt. Sie ist ein reines Steuergeschenk an die oberen Einkommensbeizieherinnen, die hinsichtlich ihrer Konsumwirkung vollkommen verpufft. Dass ausgerechnet ÖGB und AK die SpitzenverdienerInnen entlasten, wollen wir so nicht akzeptieren – für uns ist das schlichtweg ein „No Go“.

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 Die Gegenfinanzierungsmaßnahmen
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Im Bereich der Gegenfinanzierung erhoffen sich ÖGB und AK
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  • 1 Mrd. Selbstfinanzierung über positive Beschäftigungs- und Konjunktureffekte infolge erhöhter Kaufkraft
  • 2 Mrd. Euro aus Vermögenssteuern (inkl. Erbschafts- und Schenkungssteuer)
  • 1 Mrd. aus Kampf gegen Steuerbetrug
  • und 2 Mrd. aus „Reformen“ wie Effizienzsteigerungen, Beseitigungen von Ausnahmen im Steuersystem, Beseitigung von Doppelförderungen, Länderbeteiligung und Kompetenzbereinigungen

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Ein zentraler Kritikpunkt an diesem Gegenfinanzierungsvorschlag wurde bereits erwähnt: er lässt keine Mittel für zusätzliche, notwendige Investitionen. Bislang wurden allerdings – gerade auch gewerkschafts- und AK-seitig genau solche Steuern zur Finanzierung von Pflege (z.B. Erbschaftssteuer) und Bildung (z.B. Vermögenssteuer) gefordert. Weil Vermögenssteuern Steuern sind, welche die konjunkturelle Entwicklung kaum tendieren, Dafür allerdings ein Aufkommen garantieren, das neue finanzielle Handlungsspielräume für notwendige öffentliche Ausgaben schafft.
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Weitere Kritikpunkte:
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Mit zwei Milliarden Euro besteht die Gegenfinanzierung nicht einmal zur Hälfte aus Vermögenssteuern und fällt damit ausgesprochen bescheiden aus. Tatsächlich beläuft sich der Anteil der Vermögenssteuern in Österreich bei 0,5 % des BIP bzw. 1,6 Mrd. Euro (OECD 2013, Zahlen für 2011). In den OECD Staaten liegt der Vermögenssteueranteil bei durchschnittlich rund 1,8 % des BIP. Alleine Vermögenssteuern auf OECD-Durchschnittsniveau brächten in Österreich Mehreinnahmen von knapp über 3 Mrd. Euro! Innerhalb der EU 27 beliefen sich die Einnahmen aus Vermögenssteuern laut Eurostat und EU-Kommission 2011 sogar auf 2,1 % des BIP. Umgerechnet auf Österreich wären das Mehreinnahmen von über 4 Mrd. Euro!
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– Zusätzlich ist kritisch anzumerken, dass die erhöhte Besteuerung von Vermögen neben der Entlastung der ArbeitnehmerInnen nicht mehr zentraler Inhalt der gesamten ÖGB/AK-Steuerkampagne ist, die ja auch unter der Forderung nach mehr Verteilungs- und Steuergerechtigkeit (wer trägt die Steuerlast in Österreich?) im Steuersystem gestartet wurde und nun zunehmend zu einer reinen Kampagne für eine Lohnsteuertarifreform („Mehr Netto vom Brutto“) zu verkommen droht. Es wird auch nicht reichen, Vermögenssteuern zu fordern, ohne entsprechende Modelle vorzulegen.
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Die Selbstfinanzierung von rund 1 Mrd. Euro aufgrund erhöhter Nachfrageeffekte erscheint nicht unrealistisch – allerdings unter der Voraussetzung, dass zusätzliche expansive, fiskalische Impulse zur Belebung der Konjunktur gesetzt werden: eben beschäftigungsfördernde, sozial und ökologisch nachhaltig wirkende öffentliche Investitionen in Bildung, soziale Dienste, Wohnbau, thermische Sanierung, Energiewende etc. Nicht zuletzt die nicht näher ausgeführten „Reformen“ im Umfang von  2 Mrd.  können negative, fiskalische Impulse setzen, sollten sie etwa Ausgabenreduktionen beinhalten. Der im Budgetpfad verankerte Sparkurs mit der Zielvorgabe eines strukturellen Nulldefizits bis 2016 wirkt bereits konjunkturdämpfend und krisenverstärkend, mit möglichen weiteren Einsparungen droht sich diese Situation noch zu verschärfen. Zusätzlich sind Sparpotentiale aus Strukturreformen umstritten: vielfach sollen Strukturreformen insbesondere auch einer Mittelumschichtung dienen – im Bildungsbereich z.B. von der Schulverwaltung hin zum Unterricht. Einsparungseffekte sind aus derartigen Maßnahmen kaum zu lukrieren.
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Weitgehend ausgeblendet aus Gegenfinanzierungsmaßnahmen sind umweltschädigende Subventionen bzw. Steuerbegünstigungen, wie auch die Ökologisierung des Steuersystems nach wie vor kein Thema ist.  Alleine aus dem Kapitel „Streichen von umweltschädigenden Steuerbegünstigungen“ wären locker 1 Mrd. Euro lukrierbar (z.B. Ausdehnung der LKW-Maut auf alle Bundesstraßen, Anpassung der MÖSt bei Diesel an Benzin, keine MÖSt-Befreiung von „Bio“-Sprit, Reformen bei steuerlichen Behandlung von Dienstwägen und „Fiskal“-LKW). Im Rahmen einer umfassenden, schrittweise umzusetzenden sozial-ökologischen Steuerreform würde zusätzlich sowohl Steueraufkommen von Arbeit und ArbeitnehmerInnen hin zu Ressourcen- um Umweltverbrauch umgeschichtet (z.B. über einen Ökobonus für private Haushalte als Ausgleich für höhere Energiekosten), damit der sozial-ökologische Umbau gefördert und gleichzeitig zusätzliche Mittel für Investitionen in den Klimaschutz und die Energiewende frei.
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Für eine Zustimmung zu wenig
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Wir hätten gerne ein überfraktionelles ÖGB-AK-Steuerkonzept mitgetragen. Es ist uns leider unter Abwägung aller Für und Wider nicht möglich (gewesen), weil für uns wesentliche Voraussetzungen für eine Zustimmung – leistbarer Umfang der Reform, gesicherte Gegenfinanzierung, die budgetäre Handlungsspielräume für notwendige Investitionen lässt, keine Steuergeschenke an einkommensstarke Gruppen und offensives Eintreten für eine Steuerstrukturreform in Richtung Vermögensbesteuerung   –  nicht ausreichend gegeben sind. Das nehmen wir mit Bedauern zur Kenntnis.

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