7 Tage für den Frieden
16. Dezember 2021 von auge/ug
Die Friedenskonferenz der ASPR trug heuer den Titel „7 Tage für Frieden“. Cornelia Stahl richtete Fragen an Ursula Gamauf-Eberhardt, Leiterin des Österreichischen Studienzentrums für Frieden und Konfliktlösung (ASPR)
1. Frieden bedeutet weit mehr als nur die Abwesenheit von Krieg. Das neue Format der ASPR „7 Tage für Frieden“ wird am 1.Oktober 2021 mit der traditionellen Friedenskonferenz auf der Burg Schlaining eröffnet. Welche Zielrichtung fokussiert das neue Format?
Das neue Format ist eine Weiterentwicklung der zweimal durchgeführten Friedenskonferenz. Die zeitliche Erweiterung und dezentrale Organisation ist der Pandemie geschuldet und zwar insofern, dass die Veranstalter entschieden, einerseits das ganze Burgenland mit kleineren und sehr facettenreichen Veranstaltungen zu bespielen und mit sieben aufeinanderfolgenden Tagen „Frieden“ ein deutliches Zeichen für Frieden im pädagogischen Kontext zu setzen. Und das ist auch der Fokus der 7 Tage: Friedenspädagogik im Bildungssystem.
2. Die Zunahme von Gewalt 2020 und 2021 bringt die steten Friedensbemühungen ins Wanken. Inwieweit können Angst und Ohnmacht, wie in Pandemiezeiten, Auslöser von Gewalt sein?
Frieden ist ganz prinzipiell ein dynamischer Prozess und kein dauerhafter Zustand, d.h. stete Friedensbemühungen sind die Regel, nicht die Ausnahme. Corona hat sicher neue Herausforderungen an uns alle gestellt.
Das Coronavirus hat uns seit geraumer Zeit mal mehr, mal weniger fest im Griff. Der Ausnahmezustand hat sich mit jedem neuerlichen Lockdown wieder verschärft. Immer wieder war alles anders, vieles ist nach wie vor unklar und macht Sorge, oft sogar Angst (z.B. Existenzängste durch Jobverlust) – gerade auch im Bildungsbereich war die Unsicherheit ein großes Thema. Kein Wunder also, wenn viele Menschen gestresst und überfordert sind. Kontrollverlust, Überforderung und Ängste bieten jedoch einen guten Nährboden für Konflikte. Und ungelöste Konflikte können sehr schnell in Gewalt münden, was leider zunehmend der Fall war.
Während der ersten Lockdowns 2020 hat die ASPR Friedenspädagogik übrigens die „ASPR helpline“ ins Leben gerufen und bis Frühling 2021 angeboten. Das Angebot richtete sich insbesondere an Pädagog*innen und Erziehungsberechtigte, die Unterstützung bei Konflikten benötigen. Mit über 200 mehrstündigen Beratungen und sehr positiven Rückmeldungen war dieses Angebot sehr erfolgreich und hat vielen Menschen in einer Notsituation geholfen.
3. Neben dem theoretischen Input „Ära der Angst“ durch Petra Ramsauer wird es auch kreative Auseinandersetzungen mit dem Thema geben.
Der Vortrag fokussierte auf „Ära der Angst?“, wichtig ist dabei das Fragezeichen im Titel. Denn das relativiert doch manche Wahrnehmung und impliziert auch einen warnenden Fingerzeig auf die Gefahr, dass wir uns in der Angst und damit einhergehenden Überforderung verlieren.
Petra Ramsauer blickt auf eine langjährige Erfahrung als Kriegsberichterstatterin in vielen konfliktgebeutelten Regionen dieser Welt zurück. In ihrem Vortrag versuchte sie Angst dort und hier in Relation zu setzen, Parallelen und auch Unterscheidungen aufzuzeigen und Möglichkeiten, mit Angst kreativ umzugehen. Es gibt nicht DIE EINE Antwort, aber es gibt Lösungsansätze, wie wir Angst begegnen können. Besonders in ihren Workshops im Rahmen der „7 Tage für Frieden“ fokussierte Ramsauer darauf.
4. Ein Höhepunkt wird die Zertifikatsverleihung an die Absolventen des Lehrganges „Global Peace Education“ sein. In welchen Bereichen sind die Absolvent*innen derzeit aktiv?
Die 22 Absolventinnen sind allesamt im Bildungsbereich tätig, als Pädagog*innen im gesamten Bildungsspektrum sowie in der außerschulischen Arbeit mit Kindern und Jugendlichen. Das geht von Elementarpädagogik, über Pflicht-, Sonder- und maturaführende Schulen bis hin zur Musikschule. Und eben auch Menschen, die außerschulische Programme für Kinder und Jugendliche anbieten. Alle Teilnehmenden arbeiten direkt mit den Jüngsten und Jungen unserer Gesellschaft und haben somit viele Möglichkeiten, durch friedenspädagogische Haltung und Tun einen nachhaltigen Unterschied zu machen. Der nächste HLG ist für Herbst 2022 geplant.
5. Welche globalen Friedenaktivitäten werden auf der Tagung präsentiert?
Neben einigen regionalen und nationalen Projekten wurde „Heimatland Erde – Homeland Earth“, eine globale Friedenskampagne des ASPR präsentiert, im Rahmen derer auch sehr aktuelle Aktivitäten für Schulen angeboten werden.
Inhaltlicher Fokus der Kampagne: Spätestens der Globalisierungsschub der letzten Jahrzehnte hat alle Menschen auf allen Kontinenten und aller Nationen in komplexer Weise vernetzt und in eine unauflösliche Beziehung zueinander gebracht. So ist, ob wir das wollen oder nicht, eine irdische Schicksalsgemeinschaft entstanden. Sichtbar wird dies durch die globale Polykrise, die uns alle, wenn auch auf unterschiedliche Weise, betrifft: der drastische und menschengemachte Klimawandel, das von unserer Wirtschafts- und Lebensweise ausgelöste Artensterben, die Gefahr der Selbstauslöschung durch einen atomaren Schlag, nationalistisch motivierte Kriege oder die globale Covid-19 Pandemie. Das sind alles Probleme, die nur gemeinsam, und auf planetarer Ebene, gelöst werden können: Heimatland Erde.
Das Konzept „Heimatland Erde“ wurde vom französischen Philosophen Edgar Morin, in seinem Buch Terre Patrie (1993) entwickelt.
Weitere Infos hier: https://www.aspr.ac.at/bildung-training/aspr-kampagnen/heimatland-erde#/
6. Frieden ist meist ein Randthema in Schule, Hochschule und Weiterbildung. Welche Rolle spielt die Pädagogische Hochschule des Burgenlandes bei der Implementierung von Friedenpädagogik?
Eine sehr wichtige, denn die PH ist die Institution, die einerseits Pädgog*innen ausbildet und andererseits für Weiterbildungen verantwortlich zeichnet. Die Zusammenarbeit mit der PH Burgenland funktioniert ausgesprochen gut. Es gibt ein sehr umfassendes Verständnis für die Relevanz von Friedenspädagogik und auch dafür, dass wir einander hier sehr gut ergänzen.
Auch die Kinder- und Jugendanwaltschaft Burgenlandland und seit einigen Jahren auch die Bildungsdirektion spielen in der Kooperation und v.a. in der Positionierung von Frieden(spädagogik) im burgenländischen Bildungssystem eine wichtige Rolle. Das ASPR zeichnet dabei v.a. für die Inhalte verantwortlich und die anderen Partnerinstitutionen implementieren diese in Form von verschiedenen Veranstaltungsangeboten.
Wir sind hier im Burgenland wirklich in einer sehr glücklichen Lage. Viele Pädagog*innen hatten schon die Chance, sehr wertvolle Weiterbildungen in diesem Bereich zu genießen und dadurch einen wesentlichen Beitrag zu mehr Konfliktkompetenz, Gewaltprävention und Friedenförderung in den Bildungsinstitutionen beizutragen. Ergänzend gibt es die „Friedenswochen“, das sind Projektwochen für Schüler*innen – alle Veranstaltungen richten sich stets an ganz Österreich, werden aber vornehmlich im Osten angenommen (aufgrund der lokalen Nähe).
7. Der Anstieg von Gewalt, insbesondere an Frauen, löst wiederum Ängste aus. Frieters- Reermann reflektiert den Zusammenhang zwischen Gewaltfreiheit und Friedenspädagogik. Welche präventiven Modelle greifen nachhaltig, um eine friedfertige Kommunikation an Schulen und Hochschulen zu verankern?
Mir ist DAS EINE Modell, das alles verändert, noch nicht begegnet. Frieden ist ein dynamischer Prozess. Folglich muss auch jedes Tun für Frieden dynamisch und veränderbar sein. Wichtig ist, auf vielen Ebenen, von regional bis global, pädagogisch gesehen im gesamten Bildungsspektrum und auf allen Ebenen für Frieden zu arbeiten. Einstellungen, Haltungen und Tun im Sinne von Gewaltprävention, Konfliktkompetenz und Friedensförderung machen immer einen Unterschied. Wichtig wäre, dass all diese Fertigkeiten, Haltungen und Inhalte fix in der Pädagog*innen-Ausbildung verankert sind – das würde sehr rasch einen sehr markanten Unterschied im Bildungssystem und davon ausgehend auch in der Gesellschaft machen. Solange die Thematik vornehmlich auf Weiterbildung der Pädagog*innen beschränkt ist, wird der Weg noch etwas länger dauern. Wichtig ist, dass es passiert – und wir bleiben mit viel Freude, Überzeugung und Engagement dran! Denn Frieden und die Arbeit dafür, das ist einfach ein gutes Gefühl.
8. Welche weiteren Höhepunkte gibt es während der Woche „7 Tage für Frieden“?
Am Wochenende fanden zwei Lesungen mit musikalischer Begleitung statt: Heinz Janisch, der renommierte burgenländische Kinderbuchautor las für Kinder und Eltern aus seinem Werk. Es war herzerwärmend zu sehen, wie sehr diese einfachen, friedensbejahenden Geschichten die Kinder fesselten. Frank Hoffmann, bekannt aus TV und Bühne, trug ausgewählte Texte von bekannten Persönlichkeiten wie Erich Fried, Martin Luther King, Charly Chaplin, Berthold Brecht u.v.a. vor. Ein Ohrenschmaus auf vielen Ebenen.
Nach 4 Tagen Workshops für Pädagog*innen wurde am Tag 7 das Kinderbuch „Frieda und Friedo, die guten Geister von Burg Schlaining“ samt begleitendem Arbeitsbuch für Pädagog*innen präsentiert. Ein Friedensmärchen in den vier Sprachen des Burgenlandes als friedenspädagogischer Beitrag zum 100-Jahre-Jubiläum des Burgenlandes. Beide Publikationen ergehen als Geschenk von Landesrätin Daniela Winkler kostenfrei an alle burgenländischen Kindergärten und Volksschulen. Sie sollen zur kindgerechten Auseinandersetzung mit dem Thema Frieden dienen und durch Übungen, Spielen, Lieder u.dgl.m. Frieden, Gewaltfreiheit und Konfliktkompetenz altersadäquat in die Bildungsinstitutionen bringen.
9. Wie kann ein friedfertiges Miteinander im Burgenland langfristig zu einer stabilen internationalen Friedensgemeinschaft beitragen?
Dazu fällt mir das Stichwort „Glokalisierung ein:
Glokal – Eine neue Wortkreation, die sich zusammensetzt aus global und lokal- Die Idee ist damit zu betonen, dass es im „Heimatland Erde“ notwendig ist, zwar global zu denken, doch die Handlungen (Aktionen, Projekte) lokal zu setzen. Globale Ziele als Richtlinien für die lokale (regionale) Aktivitäten. Vielleicht werden wir durch unser friedenspädagogisches Engagement im Burgenland nicht die Welt verändern, aber wir können Gedanken, Handlungen und Haltungen anstoßen, die etwas zum Besseren verändern.
10. Was wurde noch nicht erwähnt? Welche wichtigen Aspekte möchten Sie hinzufügen bzw. ergänzen?
Weitere Informationen zu friedenspädagogischen Programmen und Aktivitäten des ASPR:
https://www.aspr.ac.at/bildung-training/friedenspaedagogik#/
Herzlichen Dank für die Beantwortung meiner Fragen!
Freundliche Grüße
Cornelia Stahl