Die Impfpflicht kommt!

Vera Koller
Vera Koller, Landessprecherin der AUGE/UG Wien und Juristin

Jetzt ist es soweit und der erste Entwurf zu einer allgemeinen Impfpflicht ab 1.2.2022 liegt vor. Laut dem vorliegenden Gesetzesentwurf wird es in einem ersten Schritt für alle Ungeimpften die Aufforderung zur Impfung geben, erst in einem weiteren Schritt, nämlich ab 15. März soll es Strafen geben.

Auch wenn wir einer allgemeinen Impfpflicht immer kritisch gegenüber gestanden sind, sind die derzeit in Diskussionen vorherrschenden Schlagwörter durchaus mit Vorsicht zu sehen.

Nicht mehr nur in einschlägigen Kreisen kursieren Begrifflichkeiten wie NS Diktatur oder Zwangsregime, autoritärer Staat und allgemeiner Impfzwang.

Mit dem vorliegenden Entwurf kommt es jedoch weder zu einer unter Zwang verabreichten Impfung, noch zum Verlassen von Rechtsstaatlichkeit oder demokratischen Prinzipien.

Ja, eine Verpflichtung zur Impfung ist heikel und gehört zu einem sehr sensiblen Themenbereich. Es gibt sie aber weder zum ersten Mal, noch leben wir damit in einem autoritären Staat.

Ja, es gehört ganz genau abgesichert, dass in verfassungsrechtlich zustehende Rechte nur insofern eingegriffen wird, als es unbedingt notwendig ist und es muss auch in Zukunft darauf geschaut werden, dass die vielleicht jetzt gerechtfertigten Eingriffe nicht zu einer extensiveren Zulässigkeit führen.

Auch wird noch zu überprüfen sein, ob die 180 Tage Ausnahme bei Genesenen tatsächlich hält. Vor allem wenn bis dahin klarer ist, wie lange und bis zu welcher Höhe Antikörper Schutz bieten.

Es gibt darüber hinaus, wie immer, die jederzeitige Möglichkeit nach der Verhängung von Strafen, die Rechtmäßigkeit beurteilen zu lassen.

All diese Aspekte sollten uns als Teil der Gesellschaft wichtig sein!

Aber es gibt auch ein paar andere Fakten, die sich beim besten Willen nicht mehr wegleugnen lassen:

Eine Infektion mit Covid-19 kann zu schwerwiegenden Verläufen führen. Vor dieser niemand gefeit ist. Auch die Folgeschäden einer Infektion können jede/n Infizierten treffen und langwierig sein.

Die Impfung schützt vor schwerwiegenden Verläufen. Nein, sie schützt nicht komplett vor Ansteckung, aber sie schützt in den allermeisten Fällen davor ein Intensivbett und die damit einhergehende Intensivbehandlung zu benötigen. Damit hilft sie langwierige Rekonvaliszenz des Erkrankten und horrende Kosten für die Allgemeinheit zu vermeiden und natürlich weiters ausreichend Betten für das nächste Unfallopfer oder den/die nächste/n HerzinfarktpatienIn zu haben.

Sinnvoll, wichtig und notwendig wäre es, dass global Impfstoff für eine Grundimmunisierung zur Verfügung steht. Das ist nicht nur insofern von Relevanz als die weitere Verbreitung gehemmt werden kann, sondern auch die Entwicklung weiterer Mutationen in Schach gehalten würde. Genau aus diesem Grunde gab es was die Impfung von Kindern betrifft lange Skepsis, ob diese bei einer Risikoabwägung sinnvoll ist. Alle Empfehlungen werden nicht nur einseitig vorgenommen, sondern es müssen alle Faktoren berücksichtigen werden.

Die Pandemie und vor allem Lockdowns führen zu großen psychosozialen Problemen, vor allem bei unseren Kindern- und Jugendlichen. Auch die Auswirkungen auf unsere Wirtschaft sind nicht zu unterschätzen.

All dies ist bei einer rechtlichen Beurteilung der Zulässigkeit einer allgemeinen Impfpflicht einzubeziehen und einem Eingriff in persönlich zustehenden Rechte gegenüber zu stellen. Dabei geht es um die Abwägung der Bedürfnisse des Einzelnen, gegenüber des gesellschaftlichen Interesses. Diese ist immer eine Gratwanderung und erfordert eine sorgfältige Abwägung.

Für diese Grenzziehung müssen wir uns über die Gewichtung der Interessen Gedanken machen. Wünschen wir uns für unsere Kinder- und Jugendlichen ein Schuljahr ohne Pandemie, ohne die ständige Angst vor Schulschließungen, wünschen wir uns für unser Gesundheits- und Pflegepersonal die Möglichkeit, wieder ohne die zusätzlichen Belastungen durch Corona, ihre Arbeit zu bewältigen und auch wünschen wir uns einfach ein Leben jenseits von Corona für uns alle.

Auch wenn wir uns manchmal die/den Schuldigen wünschen, nein, die Regierung hat Corona nicht gemacht, sie hat die Pandemie nicht verursacht und auch wenn manche Entscheidungen nicht in unserem Sinne waren oder wir sie uns früher/ anders gewünscht hätten, ist sie nicht ursächlich verantwortlich für unsere Situation.

Wo hört unsere persönliche Freiheit auf und fängt gesellschaftlicher Konsens an. Wo wird solidarisches Verhalten nötig. Ohne gemeinsames Grundverständnis wird es nicht gehen.

Die eskalierende Sprache, die zur Beantwortung dieser Frage verwendet wird, hat eine Ebene erreicht, in der es nicht mehr um gesellschaftlichen Konsens geht, in der demokratische Rechtsstaatlichkeit als Bedrohung dargestellt wird. Es ist unsere Aufgabe als Gewerkschafter*innen nicht Teil der Eskalation zu sein. Demokratische Verhältnisse brauchen Solidarität. Solidarität bedeutet, nicht nur das eigene zu sehen, sondern auch andere Bedürfnisse wahrzuhaben und in Entscheidungen mit einzubeziehen. Daher ist auch die Impfung keine reine persönliche Entscheidung, weil das Nichtimpfen lassen auch Auswirkungen auf andere hat.

Darüber braucht es Aufklärung, Verständnis, aber vor allem ein wertschätzendes Zuhören.

Der vorliegende Gesetzesentwurf, lässt noch viel Spielraum bis tatsächlich gestraft wird. Diesen müssen wir als Teil der Gesellschaft nutzen! Die Solidarität miteinander sollte dabei ein wesentlicher Teil sein.

 

 

 

 

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